Endstation

Movie-Kritik: Fruitvale Station
Bildquelle: 
Im Verleih von Ascot Elite

Am 1. Januar 2009 wurde der unschuldige Oscar Grant von einem Polizisten erschossen. Während der Fall in den USA Ausschreitungen und Demonstrationen auslöste, erfuhren wir davon in den Nachrichten und lebten unser Leben weiter wie bisher. Nicht so Filmabsolvent Ryan Coogler, der sich entschloss, die Geschichte auszuarbeiten und in seinem Erstling zu verarbeiten. Fruitvale Station wurde letztes Jahr am renommierten Sundance Film Festival und am Film Festival in Cannes ausgezeichnet.

 

Oscar (Bild 1) will neu anfangen und zwar seiner jungen Tochter Tatiana (Bild 2) zuliebe.

 

Oscar Grant (Michael B. Jordan, «Chronicle») wacht am 31. Dezember 2008 in den Armen seiner Freundin Sophina (Melonie Diaz, «Be Kind Rewind») auf. Es ist kein gewöhnlicher Tag. Der junge Mann möchte seine Vergangenheit als Drogendealer hinter sich lassen und neu anfangen. Ehrlich, sauber und vorbildlich, schliesslich möchte er nicht erneut durch einen Gefängnisaufenthalt von seiner kleinen Tochter Tatiana (Ariana Neal) getrennt werden. Doch der aufrichtige Weg ist ein schwieriger, besonders in jenem kalifornischen Viertel in dem Oscar und seine Liebsten hausen. Doch wo er kann, hilft Oscar. Sei es einer netten Kundin im Supermarkt oder einem streunenden Hund auf der Autobahn. Die neue Lebensphilosophie macht besonders einem Geburtstagskind grosse Freunde: Oscars Mama Wanda (Octavia Spencer, «The Help»).

 

Sophina (Bild 1) macht sich Sorgen um Oscar (Bild 2), der von Sicherheitsleuten festgenommen wird. 

 

Oscarpreisträger Forest Whitaker («The last King of Scotland») und Olivia Spencer standen Debütant Coogler als Produzenten zur Seite. Filmmogul Harvey Weinstein (TWC) sicherte sich die Filmrechte, nach der Premiere am Sundance Film Festival letztes Jahr. Dies als kleine Eckdaten für jene Leser, die befürchten hier eine Heldensage aufgetischt zu bekommen. Und egal wie unauthentisch tugendhaft die Geschichte nacherzählt daherkommen mag, im Kino wirkt sie anziehend, ungeschmückt und einfach gerade heraus. Dies insbesondere aufgrund des noch unverbrauchten Talents seines Hauptdarstellers Michael B. Jorden. Er vermag es, die «larger-than-life»-Rolle komplett unaufgeregt rüberzubringen. Da ist kein Heiligenschein über Jordans Kopf. Auch wenn die Rolle so hätte interpretiert werden können. Vielmehr gleicht der Film einem kleinen Dokumentarfilm, der den Alltag seines Protagonisten mitverfolgt. Vom Familienessen über die Neujahrsparty, von Knast-Erinnerungen zum Abstecher beim Kindergarten oder beim Supermarkteinkauf. Die gewöhnlichen Dinge des Lebens halt, die in ihrem Detail eine Unendlichkeit an Symbolen und Pointen liefern. So sucht Oscar in einer Szene nach der perfekten Glückwunschkarte für seine Mutter Wanda, findet aber nur weisshäutige Vorzeigefamilien als Fotomotive. Kleine Szenen wie diese zeigen in unaufdringlicher Weise, wie schwer es für Oscar ist, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden. Denn auch wenn mit der Wahl von Präsident Obama ein grosses Kapitel in der Rassendiskriminierung zugeschlagen wurde, so bleiben die Alltagsprobleme für viele die gleichen. Diese simple, aber wesentliche Botschaft ist das Kernstück dieses sehenswerten Festivaljuwels, welches uns die Tagesschau und andere Nachrichtensendungen mit anderen Augen sehen lässt.

 

 

  • Fruitvale Station (2013)
  • Regie & Drehbuch: Ryan Coogler
  • Besetzung: Michael B.  Jordan, Melonie Diaz, Octavia Spencer
  • Dauer: 85 Minuten
  • Ab 19. Juni im Kino

 

Bilder: Im Verleih von Ascot Elite

 

Tanja Lipak / Mi, 18. Jun 2014