Emotionale Gangster

Moviekritik: Killing Them Softly
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Im Verleih von Ascot Elite

Harte Kerle waren gestern. Die Unterwelt von heute ist emotional geworden. Und politisch. So jedenfalls präsentiert uns Regisseur Andrew Dominik («The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford») den Gangsterkosmos in New Orleans. Trostlosigkeit herrscht überall, wohin uns die Kamera führt. Öde Landschaften, kaputte Autos, verfallene Häuser und sehr ungewaschene Kleinkriminelle prägen das Bild. Der schnittige Frankie (Scoot McNairy, «Argo») und sein Junkiekollege Russell (Ben Mendelsohn, «The Dark Knight Rises») sehen nur einen Weg, wie sie es in diesem Milieu zu etwas bringen können, nämlich indem sie einen Raub begehen. Laut Komplize und Kleiderreinigungsinhaber Johnny Amato («The Sopranos») raubte Markie Trattman (Ray Liotta, «Godfellas») einst seine eigene illegale Pokerveranstaltung aus. Bei einem erneuten Raubüberfall wäre Markie demzufolge sofort Tatverdächtiger Nr. 1 unter den Ganoven. Da Markie seine Unschuld am zweiten Raub nicht beweisen kann, wären also Frankie und Russell fein aus der Sache raus.

 

Bild 1:"Zeit eine Pokerrunde auszurauben?", Bild 2: Der Raubüberfall

 

Wichtige Protagonisten erhalten meistens eine ausgefallene Einführung in den Handlungsstrang. Brad Pitt erscheint deshalb zum ersten Mal nach gut einer halben Stunde. Begleitet von Johnny Cashs «When The Man Comes Around», schreitet er in seinem vollendeten schwarzen Outfit, inklusive obligatorischen Cowboystiefeln und Lederjacke, aus seinem Chevrolet. Auf der Nase sitzt eine Pilotenbrille, Modell «70er-Jahre-Porno». Lässig geht er, nimmt sich seine Zeit, schliesslich dauert Cashs Song auch 3 Minuten. Im Gegensatz zu Ryan Goslings Driver ist Brad Pitts Antiheld Cogan jedoch von der geschwätzigen Sorte. So debattiert er fleissig mit dem Auftragsübermittler Driver (Zufall?), gespielt von Richard Jenkins («Burn After Reading»), ob er neben Frankie, Russell und Johnny auch Markie mit auf seine Todesliste nehmen soll. Schliesslich käme Markie eh nie vom Verdacht los, dass er die Pokerrunde auch ein zweites Mal ausraubte.

 

Bild 1: Coolness when Pitt comes around, Bild 2: "Drei Morde zum Preis von zweien?"

 

«Killing Them Softly» basiert auf George V. Haggins Roman «Cogan’s trade». Dass die Filmhandlung nicht wie das Buch in den 70er Jahren spielt, wird nur dank der im Hintergrund laufenden Fernseh- und Radioübertragungen klar. Immer wieder hören und sehen wir George Bushs Aussagen zur Finanzkrise 2008 und Obamas Wahlkampfversprechen desselben Jahres. Dies nicht ohne Grund. Die Parallelen zwischen Wall-Street-Schlamassel und Überfalldesaster werden immer bedeutungsvoller. So entwickelt sich «Killing Them Softly» zu einem innovativen Mix aus brutalem Gangsterthriller und subtiler politischer Satire. Sehr aussergewöhnlich und deshalb auch auf vielerlei Ebenen fesselnd. Denn die Optik leidet keineswegs an den dialogreichen Szenen. Für beides hat Dominik genügend Zeit einberechnet. Von Seelenstriptease-Dialogen gleiten wir gemütlich weiter in ästhetisch umgesetzte Mordszenarien. Verbunden werden die einzelnen Szenen von der politischen Persiflage, die ein gut hörbares Hintergrundgeräusch abgibt, bis sie sich am Schluss zu einer bleibenden Pointe entwickelt.

 

 

 

  • Killing Them Softly (USA 2012)
  • Regie & Drehbuch: Andrew Dominik
  • Buchvorlage: George V. Higgins
  • Besetzung: Brad Pitt,  Ray Liotta, Richard Jenkins, Scoot McNairy, Ben Mendelsohn, James Gandolfini
  • Dauer: 97 Minuten
  • Kinostart: 15. November 2012

 

Tanja Lipak / Mi, 14. Nov 2012