Ein Wettlauf gegen den Tod

Movie-Kritik: Dallas Buyers Club
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Im Verleih von Ascot Elite

Rodeos, Frauen, Alkohol, Koks: Das Leben des texanischen Elektrikers Ron Woodroof (Matthew McConaughey, «Die Jury») ist voller Exzesse. Bis nach einem Arbeitsunfall seine HIV-Erkrankung entdeckt wird. Die Prognose ist niederschmetternd: Ron bleiben noch 30 Tage. Unfassbar für Ron, der diese Krankheit bisher nur mit den von ihm verachteten Schwulen assoziierte. Doch die rasche Verschlechterung seines Zustands lässt sich nicht verleugnen. Angetrieben durch seinen Überlebenswillen beginnt er sich schliesslich doch über HIV und Aids schlau zu machen. Da die Krankheit 1985 allerdings noch neu und unerforscht ist, gibt es zwar sehr viele Gerüchte, aber praktisch keine medizinischen Berichte darüber. Das einzige legale Medikament ist AZT und wird nur im Rahmen einer Studie an ausgewählte Patienten verabreicht. Gerissen wie er nun einmal ist, gelingt es Ron durch die Bestechung eines Pflegers an das Mittel zu kommen. 

 

Bild 1: Ron erfährt, dass er an Aids erkrankt ist. Das zieht ihn (Bild2) kurz runter, bis er zu kämpfen beginnt. (Mit Maus über Bild fahren) 

 

Als ihn das AZT aber beinahe umbringt, beginnt er nach Alternativen zu suchen und wird in Mexiko fündig. Diesmal schlägt die Behandlungsmethode an und Rons Gesundheitszustand verbessert sich. Das Problem ist nur, dass diese Präparate in den USA nicht zugelassen sind. Kein Hindernis für Ron, der sofort ein lukratives Geschäft wittert. Kurzerhand schmuggelt er die Ware ins Land und lässt sich auf einen Deal mit dem Transsexuellen Rayon (Jared Leto, «Panic Room») ein, dessen Verbindung zur Schwulenszene ihm die nötige Kundschaft beschaffen soll. Um die Kontrolle der Behörden umgehen zu können, gründen sie den «Dallas Buyers Club», bei dem man für die Mitgliedschaft zahlt und dann freien Zugang zu den Präparaten erhält. Schnell spricht sich das bei den Betroffenen rum und der Club wird landesweit bekannt. Allerdings ist dieser Erfolg der Pharmaindustrie ein Dorn im Auge, die die staatlichen Behörden in Bewegung setzt, um Rons Geschäft zu unterbinden.

 

Gelunge Gratwanderung

 

«Dallas Buyers Club» erzählt die wahre Geschichte eines Mannes, der sein Todesurteil nicht einfach hinnimmt, sondern alles in seiner Macht stehende unternimmt, um am Leben zu bleiben. Als Ron Woodroof 1992 stirbt, hat er immerhin sieben Jahre gegen die Krankheit gekämpft – bei einer vermuteten Lebenserwartung von 30 Tagen. Regisseur Jean-Marc Vallée («Young Victoria») porträtiert Ron und seine ausweglose Situation auf einfühlsame Weise und ohne Pathos. Nebenbei führt er den Zuschauern auch die damalige Situation der HIV-Infizierten sowie die skrupellosen Machenschaften der Pharmaindustrie vor Augen. Das Thema ist keine leichte Kost und die Tatsache, dass Ron – frauenfeindlich und homophob – nicht wirklich der Inbegriff eines sympathischen Protagonisten ist, macht das Ganze auch nicht einfacher. Umso beeindruckender ist die gelungene Gratwanderung des Films, der weder verurteilt noch beschönigt.

 

Die Stärke des Films liegt eindeutig in der herausragenden schauspielerischen Leistung der Besetzung. Durch die unaufdringliche, differenzierte Darstellung von Matthew McConaughey wird Ron zu einer facettenreichen Figur. Überzeugend ist vor allem, dass Ron durch die Krankheit zwar eine positive Veränderung durchmacht, indem er keine Berührungsängste mehr hat und Vorurteile abbaut, aber seine Direktheit, sein Kampfgeist, sein Stolz und vor allem seine Selbstsucht verschwinden nicht. Das Geschäft mit den Medikamenten zieht er auf, um das grosse Geld zu verdienen und seinen eigenen Bedarf zu decken. Dass er dabei vielen Menschen hilft, ist eigentlich nur Nebensache. Interessanterweise funktioniert die Geschichte gerade deshalb, weil keine unrealistische und übertriebene Läuterung des Antihelden stattfindet. Ron ist durch und durch menschlich, auch wenn er nicht gerade der liebenswerteste Mensch auf der Welt ist, und es ist spannend zu sehen, wie sich dieser «ganze Kerl“ mit einer für ihn erniedrigenden Krankheit auseinandersetzen muss. Der Transsexuelle Rayon hingegen ist das genaue Gegenteil von Ron und vor allem die Verkörperung von allem, was Ron verabscheut. Jared Leto liefert als Rayon eine unglaublich eindringliche Performance, wobei die Figur zwischen fragil-verloren und witzig-schlagfertig wandelt. Die Krankheit verbindet die beiden, die sonst bestimmt nichts miteinander zu tun gehabt hätten. Doch diese Zwangsgemeinschaft führt auch zu einigen witzigen Dialogen, die der Geschichte die Schwere nehmen.

 

 Bild 1: Zwei ungleiche Geschäftspartner: Ron und Rayon. / Bild 2: Ron holt eine neue Medikamentenlieferung. 

 

Die Glaubwürdigkeit der Figuren hängt aber auch mit der Sprache des Films zusammen. Die schnörkellose Erzählweise, der Verzicht auf dramatisierende, sentimentale Musik sowie die Verwendung von natürlichem Licht lassen den Film authentischer wirken. Diese Zurückhaltung lässt die Darsteller in den Vordergrund treten und erleichtert den Zuschauern den Zugang zu den Figuren.

 

Alles in allem ist «Dallas Buyers Club» ein Film, der auf technischen Schnickschnack verzichtet und mit einer dezenten Filmsprache die grossartige Leistung der Darsteller untermalt. Die aussergewöhnliche Geschichte eines Mannes, der durch eine heimtückische Krankheit mit seinen Vorurteilen konfrontiert wird, aber trotz allem sich selbst treu bleibt, fesselt und ist daher absolut sehenswert. 

 

  • Dallas Buyers Club (USA 2013)
  • Regie: Jean-Marc Vallée
  • Darsteller: Matthew McConaughey, Jared Leto, Jennifer Garner
  • Laufzeit: 117 Minuten
  • Kinostart: 20. Februar 2014

 

Bilder: Im Verleih von Ascot Elite

Sule Durmazkeser / Do, 20. Feb 2014