Die Entdeckung des Jimi aus Seattle

DVD-Kritik: «Jimi - All Is By My Side»
Bildquelle: 
Universal Film

«Jimi - All Is By My Side» hat ein kleines Problem, soviel gleich vorneweg. Er will Ikonen schaffen, wo vielleicht keine sind. Da wäre zum einen die weisse Gitarre mit den Initialen «KR» und anderseits Laura Keith, von der alles abhängen soll. Aber erst zum Inhalt von «Jimi - All Is By My Side». 

 

Der Film startet 1967, in jener Nacht, in der sich ein junger, bluesverrückter Musiker aus Seattle in London einen Namen erspielt. Schon nach wenigen Sekunden wird narrativ ein Schnitt gemacht und man findet sich ein Jahr früher wieder. Jetzt spielt der gleiche Musiker in einem Club in New York und eine junge Frau beobachte ihn begeistert. Es ist das Model Linda Keith, das ihm später die weisse Gitarre ihres damaligen Freundes - Keith Richards von den Rolling Stones - überreicht und ihn mit Chas Chandler bekannt machen wird. Chandler spielt Bass bei The Animals und lässt sich überreden, das Management von Jimi Hendrix zu übernehmen. Weiter begleiten wir Jimi ins London von 1966/67 und beobachten, was sich alles um den jungen Musiker tut. Der Film steigt dann kurz, bevor Hendrix ans Monterey Festival in Kalifornien fliegt, aus. An jenem Festival hatte Jimi Hendrix bekanntlich seinen Durchbruch und die wenigen Jahre, bis er 1970 stirbt, sind Musikgeschichte. 

 

 

Jimi liebt das Spielen auf der Gitarre. 

 

So viel zum Inhalt des Films. Zuerst fällt auf, dass André Benjamin, den man besser unter seinem Künstlernamen Andre3000 und als Mitglied von Outkast kennt, eine gute Leistung bietet und seinen Jimi Hendrix mit viel Charisma ausfüllt. Weiter schaut man der wunderbaren Imogen Poots gerne dabei zu, wie sie Laura Keith verkörpert. Ebenfalls ein Lob gebührt Hayley Atwell, die Jimis Langzeitfreundin Kathy Etchingham spielt. Und last but not least verkörpert Andrew Buckley den Manager Chas Chandler ebenfalls hervorragend. Inszeniert hat den Film John Ridley, den man eigentlich als Autor für Werke wie «12 Years A Slave» - wofür er einen Drehbuch-Oscar bekam - kennt und der hier sein Spielfilmdebüt als Regisseur gibt. Die 60er-Jahre haben Ridley und sein Team adäquat umgesetzt, so weit das jemand beurteilen kann, der die Zeit nicht selbst erlebt hat. Aber dann beginnen auch schon die kleinen Negativpunkte. Der Film ist über lange Strecken dialoglastig und die Musik kommt etwas zu kurz. Auf Originalsongs von Jimi Hendrix wird komplett verzichtet. Ob das nun ein Kunstgriff war sei mal dahin gestellt. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Rechte an den Originalsongs nicht freigegeben wurden. 

 

Ein Film, der (unfreiwillig?) polarisiert.  

 

Eines ist «Jimi - All Is By My Side» allerdings gelungen. Er polarisiert. Egal, ob gewollt oder nicht. Und das mit viel Emotionen. Der Film basiert auf wahren Begebenheiten, so steht es zu Beginn in den Credits. Das stimmt sicherlich zum Teil. Allerdings müssen sich die Produzenten den Vorwurf gefallen lassen, dass mit niemanden von Jimis damaligen Gefährten gesprochen worden sei. Kathy Etchingham macht diesen Vorwurf. Sie geht so weit und wirft dem Film vor, dass vieles nicht wahrheitsgetreu wiedergegeben werde. So sei Jimi nie gewalttätig gewesen und eine Szene im Film, in der er sie mit einem Telefonhörer schlage, sei nie passiert. Das wirft die Frage auf, ob John Ridley unbedingt seinen «Entwurf» des Gitarrengottes auf die Leinwand bringen wollte und woher er seine Einflüsse hat. Es kann allerdings auch sein, dass Etchingham beleidigt ist, weil sie nicht als Quelle befragt wurde und darum kaum ein gutes Haar am Film lässt. Für den Zuschauer wird diese Diskrepanz aber nur ersichtlich, wenn danach ein Blick ins Netz zur Vertiefung geworfen wird. 

 

 

Jimi und seine Band bei einem Konzert. 

 

Ein weiterer Vorwurf betrifft eine markante Szene, in der Jimi zu The Cream auf die Bühne steigt, die Gitarre einstöpselt und Eric Clapton darauf beleidigt die Bühne verlässt. Das sei so nie geschehen, sagen Menschen in verschiedenen Foren. Allerdings lässt sich das leicht mit Videos  und Ausschnitten aus Dokumentationen belegen und scheint auch eine Lappalie zu sein, denn Clapton und Hendrix waren danach dicke Freunde. So steht, als Jimi im Film in London ankommt, an einer Wand in grossen Buchstaben «Clapton is god» und Jimi wird ehrfürchtig. Diese Szene symbolisiert das Verhältnis zwischen Clapton und Hendrix schöner als die polarisierende Szene beim Konzert. Aber es ist oft so, wenn es um Legenden geht. Ihre Anhänger fühlen sich schnell auf den Schlips getreten. 

 

Was der Film allerdings etwas zu offensichtlich will, ist Ikonen schaffen. So sind die weisse Gitarrre von Keith Richards, die Rolle von Linda Keith und der Knatsch zwischen ihr und Etchingham wohl einfach ein bisschen auf die Spitze getrieben. Natürlich wird es stimmen, dass Linda Keith Jimi nach London gebracht hat, aber danach hat sie mit dessen Karriere nicht mehr viel zu tun gehabt. Das zeigt auch der Film. Im Endeffekt vermittelt der Film aber ein Gefühl für einen spannenden Abschnitt im Leben einer Musiklegende. Dass gewisse Dinge wohl etwas künstlerisch sehr frei ausgedrückt wurden, liegt in der Natur der Sache. 

 

Ein filmischer Blick in das pulsierende London, in der Zeit, als Jimi Hendrix noch ein unbekannter Gitarrengott war. Streckenweise etwas zäh, macht der Film aber durchaus Spass – nicht nur für Musikfans.  

  • Jimi - All Is By My Side (UK / US / Irland 2014)
  • Regie & Drehbuch: John Ridley
  • Darsteller: Andre Benjamin, Imogen Potts, Hayley Atwell, Andrew Buckley
  • Laufzeit: 118 Minuten
  • Verkaufsstart: 23. April 2015

 

Bilder: 2014 Universal Pictures Switzerland GmbH. All Rights Reserved.

Patrick Holenstein / Mo, 27. Apr 2015