Der alte Mann und das Meer

Movie-Kritik: All Is Lost
Bildquelle: 
Universal Pictures

Am Donnerstag startet mir «All Is Lost» ein Film, der mit einem einzigen Schauspieler und mit Monologen von geschätzt fünf Minuten auskommt und der Streifen überzeugt trotzdem über weite Strecken. Aber ein Problem hat der Film: Anonymität. 

 

Bild 1: Der Schein trügt, die Welt ist hier schon nicht mehr ganz in Ordnung. / Bild 2: Angst im Blick, aber trotzdem handelt «Our Man» sehr überlegt. (Mit Maus über Bild fahren) 

 

Da treibt ein John Doe (Robert Redford) auf dem Indischen Ozean, in seiner Yacht, und schläft tief. Plötzlich wecken ihn ein dumpfes Geräusch und Wasser, das in sein Boot eindringt. Sofort eilt er an Deck und sieht, dass ihn ein im Wasser treibender Industriecontainer gerammt hat. Das Leck ist ziemlich gross und – Murphy’s Gesetz greift mal wieder – direkt an der schlimmstmöglichen Stelle, nämlich dort, wo Laptop und Funkgerät standen. Beides ist natürlich Schrott. Doch für den Mann ohne Namen ist das immer noch kein Problem. Seelenruhig schaut er sich den Schaden an und beginnt der Situation Herr zu werden. Wir schauen ihm dabei interessiert zu und bewundern, seine Gelassenheit, sein überlegtes Handeln und sein Improvisationstalent. So weit, so gut. Um mehr geht es im Film nicht. Ein Mann, dessen Namen wir nie kennen werden und sein Versuch, dem Meer zu entkommen. 

 

Das Drehbuch umfasste nur 31 Seiten

 

Da ist eine ambitionierte Idee für einen Film und wäre nicht Robert Redford in der Hauptrolle, Langeweile wäre wohl schnell da. Denn Redford versteht es, sein Spiel nicht zu übertreiben. Overacting kennt der Schauspielveteran in diesem Film glücklicherweise nicht. Seine Figur flucht kaum, führt keine Selbstgespräche, verzweifelt nicht und scheint langjährige Erfahrung mit Segelbooten zu haben. Anfangs sitzt jeder Handgriff und das Drehbuch ist stets schlüssig. Aber mit der Zeit gerät die Situation immer mehr ausser Kontrolle und man schaut dem armen Tropf beim Verzweifeln zu, denn plötzlich geht es um Leben und Tod. Aber das Drehbuch lässt auch hier den Charakter nicht durchdrehen, gewährt ihm nur einen kurzen Moment des Frustes. J.C. Chandor, der den Film inszeniert und das nur 31-seitige Drehbuch verfasst hat, reduziert die Geschichte konsequent auf ein Minimum. Ein Boot, ein Mann und ein Container. So weit die Prämisse. Aber aus diesen wenigen Vorgaben holt er das mögliche Maximum heraus. Der Film überzeugt in den meisten Punkten und ist interessant. Aber er hat ein Problem: seine Hauptfigur. 

 

Bild 1: Die Segel müssen sicher verschnürt sein, denn (Bild2) es kommt ein Sturm auf. 

 

Da wird Robert Redford selbst in den Credits schlicht als «Our Man» bezeichnet und daran kränkelt der Film ein wenig. Der Film steht und fällt mit seiner Darbietung und trotzdem entsteht kaum emotionale Bindung. Man erfährt nichts über den Mann, die Hauptfigur ist austauschbar. Deswegen gelingt es dem Film letztlich nur bedingt, dass man als Zuschauer mit Robert «John Doe» Redford leidet. Er durchlebt eine Tortur und als Zuschauer denkt man sich zwar, wie schlimm das sei, aber nach dem Film verlässt man das Kino und der arme Tropf auf der Leinwand bleibt im Dunkel des Saals zurück, ist fast schon vergessen. Hier hätten nur einzelne eingestreute Hintergründe über die Figur schon viel verändert und die Emotionen sehr verstärkt. Wieso ist er auf dem Meer? Wieso im Indischen Ozean? Wieso alleine? Fragen, die ungeklärt im Ozean versinken und so bleibt es im Endeffekt nur ein alter Mann und das Meer. 

 

 

  • All Is Lost (USA 2013)
  • Regie: J.C. Chandor
  • Darsteller: Robert Redford
  • Drehbuch: J.C. Chandor
  • Laufzeit: 106 Minuten
  • Kinostart: 12. Dezember 2013

 

 

Foto-Credits: © Daniel Daza

Patrick Holenstein / Mo, 09. Dez 2013