Das Haus im Sand

Moviekritik: Banel und Adama
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©trigon-film.org

Die Sonne küsst die Grashalme einer grünen Wiese. Die Natur steht in voller Pracht und zwei junge Menschen, Banel (Khady Mane) und Adama (Mamadou Diallo), die sich offensichtlich gerne haben, flanieren zusammen durch die Landschaft. Sie hüten Kühe, liegen im Gras, lachen. Man schaut ihnen zu, wie sie die Kühe antreiben, beobachtet sie beim Ausgraben verschütteter Häuser und bei Schreibübungen.  

 

Das junge Ehepaar lebt in der Gemeinschaft der Fulbe im Senegal. Die Rollen sind klar; Frauen kümmern sich um die Wäsche und die Felder, die Männer hüten die Kühe. Zusätzlich soll Adama Dorfchef werden, doch er weigert sich. Banel fühlt sich in der Dorfgemeinschaft etwas deplatziert. Lieber hütet sie mit Adama die Kühe und träumt von einer Zukunft mit eigenem Haus, Abseits des Dorfes. Aus diesem Grund gräbt das Paar in jeder freien Minute, um ein Haus vom Sand zu befreien, das für sie Freiheit darstellt. Langsam zieht eine Hitzeperiode auf. Die Menschen leiden, manche verlassen das Dorf, andere sterben und die Tiere verenden elendiglich. Mit der Zeit beginnt Adama sich zu fragen, ob seine Entscheidung, sich gegen sein Schicksal zu stellen, der Auslöser ist. Banel ist das relativ egal. Sie will die uneingeschränkte Aufmerksamkeit von Adama.

 

Oder steht mehr dahinter? Ein Junge, Malik, beobachtet Banel immer wieder mit bohrendem Blick, starr auf sie gerichtet, als würde er in ihre Seele sehen. Eines Tages sagt er eiskalt: «Du hast ihn getötet.» Hat Banel ihren Ehemann getötet, um bei Adama sein zu können? Vernebelt ihr die Schuld den Verstand? Will sie darum unbedingt weg aus der Gemeinschaft?

 

Banel und Adama im saftigen Gras als die Welt noch in Ordung ist. (©trigon-film.org)

 

Die junge Regisseurin Ramata-Toulaye Sy liebt das Spiel mit Symbolen, überlässt aber das Urteilen bewusst und mit viel Vergnügen uns, die vor der Leinwand sitzen. Wichtig sind ihr an der Geschichte eher die sozialen Aspekte. Banel ist als Frau angelegt, die sich gegen die Regeln stellt, sich mehr wünscht als Wäsche waschen und Felder harken. Somit legt Ramata-Toulaye Sy ihre Hauptfigur modern an, lässt aber den Clash der Kulturen eher sanft passieren, so richtig rebellisch wirkt Banel nicht. Es sind böse Blicke oder mal ein schnippischer Spruch, die zeigen, dass Banel nicht so richtig zur Gemeinschaft passen will. Dadurch steht die Frage im Raum, wie weit Traditionen und Freiheitsdrang nebeneinander koexistieren können. Letztlich schwingt auch ein Hauch Egoismus mit, denn Banel setzt ihren Mann konstant unter Druck.

 

Ein wenig Hitchcock in manchen Szenen

 

Diese vielseitigen Gefühle, sowohl bei Banel als auch beim Publikum, unterstreicht der Film mit visuellen Stilmitteln. Clever aufgebaute Bilder. Wenn ein grosser Baum am See eingefangen wird, der im Gegenlicht wie ein beweglicher Scherenschnitt wirkt und durch das junge Paar, dass sich langsam um den Baum bewegt, eine kunstvolle Aura bekommt. Oder durch das rhythmische Schlagen auf die Erde, wenn die Frauen das Feld bereit machen. Interessant ist eine Sequenz, in der Banel im Vordergrund steht, hinter ihr Adama rechts und andere Dorfbewohner links, während die Kamera auf sie zufliegt und gleichzeitig zoomt, sodass es wirkt, als ob die junge Frau deutlich vom Dorf weggestossen wird. Eine Technik, die Alfred Hitchcock in «Vertigo» geprägt hat, um die Höhenangst zu verdeutlichen. Vielleicht ist das kein Zufall, denn später gibt es eine Szene, in der unzählige Vögel über Adama wegfliegen. Sie könnte direkt aus «Die Vögel» stammen. Gut möglich, das Ramata-Toulaye Sy ein Fan des Master of Suspense ist?

 

Ramata-Toulaye Sy ist in Frankreich aufgewachsen, hat aber Wurzeln im Senegal. Darum kennt sie beiden Kulturen. Entsprechend sensibel geht sie an die Figuren. Nie werden Traditionen im Dorf kritisiert, die aus westlicher Sicht durchaus kritisch gesehen werden könnten. Beispielweise die eng strukturierten Rollen im Dorf oder der brachiale Zwang Kinder – am besten männliche Nachkommen – in die Welt zu setzen. Dass Ramata-Toulaye Sy darauf verzichtet, zeigt eindrücklich, dass sie sich wahnsinnig viele Gedanken zum Drehbuch gemacht hat.

 

Das Ehepaar im Gegenlicht als Beispiel für den visuellen Stil des Films. (©trigon-film.org)

 

So gelingt der jungen Filmemacherin ein bemerkenswertes Kunststück. «Banel & Adama» ist ein ruhiger Film, in dem wenig passiert. Man folgt der täglichen Normalität, beobachtet die Menschen, folgt Gesprächen. Man darf Gast im Leben der Fulbe sein, den Gesprächen folgen, den Ritualen beiwohnen und bekommt so viele Eindrücke. Dadurch öffnet der Film viel Platz für Gedanken. Wieso verhält sich Banel so fordernd? Liegt das in ihrer Natur? Hat sie ihren ersten Mann ermordet, um freie Bann für ihre grosse Liebe Adama zu bekommen? Und wie sehr unterscheiden sich die alltäglichen Differenzen von jenen in anderen Teilen der Welt?

 

Weiter nutzt die Regisseurin die Storyline mit der hartnäckigen Dürre und den Gedanken Adamas, ob er durch sein Verhalten verantwortlich sein könnte, als geschicktes Symbol für den Klimawandel, ohne diese Thematik mit dem Dampfhammer auf das Parkett zu prügeln. Dass es so glaubhaft funktioniert, liegt nicht zuletzt daran, dass man wirklich mit unerfahrenen Menschen im Senegal gearbeitet hat. Der gesamte Cast hat noch nie in einem Spielfilm mitgespielt.

 

Wettbewerbsbeitrag in Cannes

 

Es ist die Geschichte einer Frau, die für sich ein erfülltes Leben möchte, aber durch die schwierige Situation im Grunde keine Chance auf ihr Glück hat. Folgerichtig kann das sandverschüttete Haus als Metapher für das Beerdigen von Träumen verstanden werden. Nach knapp 90 Minuten bleibt ein eindrückliches Stück Film, das voller Symbolik steckt, die einen einlädt, selbst zu interpretieren. Genau darum bleibt der Film lange im Gedächtnis. Diesen Punkt zu erreichen, ist nicht einfach, umso mehr spricht das für die Qualität von Ramata-Toulaye Sy. Dass ihr Film im Wettbewerb von Cannes lief, kann man unter diesen Gesichtspunkten getrost als Wertschätzung für genau diesen Ansatz stehen lassen.

 

«Banel & Adama» ist ein menschlicher Film, in allen Facetten, und darum so glaubwürdig. Letztlich lebt er aber von den feinen Tönen auf der Meta-Ebene, von der leisen Symbolik und cleveren visuellen Elementen.

 

  • Banel & Adama (Senegal, 2023)
  • Regie und Drehbuch: Ramata-Toulaye Sy
  • Besetzung: Khady Mane (Banel), Mamadou Diallo (Adama), Binta Racine Sy (Die Mutter), Moussa Sow (Racine)
  • Laufzeit: 87 Minuten
  • Kinostart: 21. März 2024

 

Bäckstage Redaktion / Mi, 20. Mär 2024