Ispansi und Carlos Iglesias

Interview mit Carlos Iglesias
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Planet-bpm.com

Gastbeitrag von Stefanie Müller, www.planet-bpm.com

 

Der spanische Schauspieler Carlos Iglesias gab in “Un Franco, 14 Pesetas” sein Debüt als Filmregisseur. Es handelt sich dabei um eine Komödie über die Unterschiede der Arbeitsmentalität und des Alltagslebens in der Schweiz und in Spanien. Iglesias erzählt die Geschichte seiner Eltern, die Geschichte spanischer Einwanderer, die während der Franco-Diktatur in die Schweiz gehen. Der zweite Teil soll schon folgen sobald die Finanzierung steht.

 

Und das kann dauern, glaubt Iglesias, denn das spanische Kino erlebt nicht seinen besten Moment. Auch die Filmindustrie leidet unter der Rezession und der hohen Arbeitslosigkeit im Lande. Dem spanischen Fernsehen geht es nicht viel besser. Für José Manuel Lorenzo, Chef des Branchenverbandes Productoras Asociadas de Televisión de  España (PATE) und Produzent von “Un Franco, 14 Pesetas”, liegt es auch daran, dass Spanien über keine Infrastruktur im Ausland verfügt, um seine  erfolgreich produzierten Serien, Filme, Programme und Shows zu verkaufen, so wie es andere Länder wie England, Frankreich und Italien erfolgreich in der ganzen Welt machen: “Es liegt nicht an besseren Produkten, sondern daran, dass dort nicht jeder Produzent alleine agieren muss. Es gibt eine bestehende Exportstruktur. Anderswo fördert der Staat die Film-Industrie beim Verkauf seiner Produkte im Ausland. Das fehlt hier.”

 

Planet-bpm.com befragte Carlos Iglesias dazu. Der Schauspieler mischt jetzt auch mit seinem zweiten Werk “Ispansi” (Spanisch auf Russisch) immer stärker als Filmregisseur und Produzent in der Branche mit. Der Film handelt von den Folgen des Spanischen Bürgerkriegs. Er zeigt die Realität der Kinder, die zu Opfern von zwei gegensätzlichen Ideologien wurden. „Ispansi“ erzählt die Geschichte der Verschickung von Tausenden von Kindern in die Sowjetunion.

 

Stefanie Müller: “Ispansi” wie auch “Un Franco, 14 Pesetas” sind auf ihre Art sehr dramatisch, zeichnen aber auch ein romantisches Bild von den Spaniern. Glauben Sie nicht, dass Spanien mehr Aufwand betreiben sollte, diese Originalität und Romantik der spanischen Kultur den Menschen außerhalb des Landes näher zu bringen?

 

Carlos Iglesias: Beim Tourismus verkauft Spanien dieses Bild bereits sehr gut, vor allem die Sonne und der Strand gefallen den Ausländern. Der Film ist komplizierter zu verkaufen, aber ich finde, dass schon einige unserer Sachen international bekannt werden. Wir stehen auch nicht viel schlechter da als der deutsche Film in Spanien.

 

Sie sagten in einem Gespräch mit dem Publikum, dass die Franzosen mehr an sich glaubten als die Spanier und auch stärker unterstützt werden von der Regierung. Dem stimme ich so nicht zu. Ich denke, es ist vielmehr so, dass Spanien aus dem Baskenland, Katalonien, den Kanaren und Madrid besteht und es kein „Made in Spain“-Gefühl gibt und deswegen auch keine gemeinsame Exportaktionen.

 

Die Vereinheitlichung der Zivil-, Kultur-und Sprachbarrieren in Frankreich fand im sechzehnten Jahrhundert statt. Dass wir in Spanien das in diesem Maße nicht getan haben ist gut und schlecht zugleich.

 

Sollte Spaniens Kino nicht versuchen, mehr europäische Festivals auszurichten, um international stärker das Interesse für Ihre Arbeit zu wecken? Vielleicht sollten auch mehr internationale Stars auf die Goya-Verleihung oder andere Kino-Events kommen, mehr internationale Preise verliehen werden.

 

Ich glaube nicht, dass Prominente aus anderen Ländern zu unseren Filmfestivals kommen würden. Für die Ausrichtung internationaler Festivals und die Einladung von Stars braucht man Geld, das haben wir derzeit nicht.

 

Ihren Film „Ispansi“ sehe ich als einen Versuch an, die beiden Spanien in Einklang zu bringen. Glauben Sie, dass der geringe kommerzielle Erfolg dieser sehr gut erzählten Filmgeschichte immer noch damit zu tun hat, dass ein Teil der Spanier nicht über die Vergangenheit sprechen möchte? Vielleicht ist der Film der Schlüssel zu einer Debatte.

 

Ich glaube nicht, dass das Kino der Schlüssel ist, eher eine Art Selbsthilfe. Der Erfolg der Filme hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, auch von Glück. Das Wichtigste ist das nötige Geld zu haben, welches man für Werbung und Werbemaßnahmen im eigenen Land benötigt, vom Ausland gar nicht zu sprechen.

 

Sie haben in zwei Kulturen, der Schweiz und Spanien, gelebt. Ich denke es ist sehr schwer, zwischen zwei so verschiedenen Lebenskonzepten  zu leben, oder hat Sie dies nur flexibler und leistungsfähiger gemacht?

 

Es hat mich nicht stärker gemacht, aber ich habe gelernt, die Wirklichkeit aus verschiedenen Perspektiven zu sehen.

 

Es wird gesagt, dass die Schweizer ganz anders als die Spanier sind. Es spiegelt sich auch in “Un Franco, 14 Pesetas” wider. Stimmt es, dass die Spanier Muttersöhnchen sind?

 

Die Qualitäten beider Länder sind abhängig von zahlreichen Faktoren. Wenn spanische Kinder die gleiche staatliche Unterstützung wie die Schweizer bekämen, um alleine leben zu können, würden Sie es wahrscheinlich auch machen und umgekehrt. Alles ist eine Frage des Geldes.


 

In Spanien wirft man den Menschen immer vor, nicht weiter als an ihre eigene Familie zu denken. Was denken Sie darüber?

 

Alle Familienmitglieder sind normalerweise freundlich und liebevoll zueinander in Spanien. Ich halte das für eine unserer großen Stärken. Der Wolf ist draußen, in der Familie beschützen wir uns. Vielleicht ist dies das beste Erfolgsrezept, das wir an die nördlichen Länder verkaufen können.

 

Wenn Ihre Kinder das Elternhaus verlassen möchten, werden Sie sie dazu ermutigen, dies zu tun?

 

Ja, obwohl es mir weh tun würde.

 

Welchen Film würden Sie gerne machen, wenn Sie keine finanziellen Sorgen hätten?

 

Den zweiten Teil von Ben-Hur … nur ein Scherz.

 

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Bäckstage wird regelmässig Texte mit der europaweit tätigen Agentur Planet-BPM tauschen. Planet-BPM schreibt über kulturelle Strömungen in verschiedenen Städten Europas. Darunter auch Zürich. www.planet.bpm.com

 

 

Patrick Holenstein / Sa, 24. Mär 2012