«Ich versuch die Dinge nach Drehschluss loszulassen.»
Jennifer Connelly verkörpert in «American Pastoral» eine ehemalige Schönheitskönigin mit einer rebellischen Teenagertochter. Als eine Poststelle in die Luft geht, wird ihre spurlos verschwundene Tochter verdächtigt. Regie führt Ewan McGregor, der zugleich das Familienoberhaupt spielt. Er und Jennifer Connolly waren anlässlich der Premiere am Zurich Film Festival und Bäckstage konnte mit beiden sprechen. Das Interview mit Ewan McGregor gibt es hier: Ewan-Interview.
Jennifer Connelly erzählte im Gespräch vom Dreh mit Ewan McGregor und Co-Darstellerin Dakota Fannig, erklärte wie sie ihre Rollen aussucht, wie ihre Kinder beim Abschalten helfen und was sie von den Regiearbeiten mit ihrem Mann gelernt hat.
Wie waren die Dreharbeiten? Wie hat sich Ewan McGregor als Regisseur gemacht?
Er hat das gut umgesetzt. Wir haben viel geprobt und gingen die Szenen aus vielen unterschiedlichen Blickwinkeln an. Es war uns wichtig, alle Möglichkeiten auszukosten, bevor wir drehten. Dies alles in Ruhe und auch ohne die restliche Crew. Das brachte Gelassenheit und Vertrauen. Häufig ist ein Dreh hektischer, du musst nur zum Set und deine Lines sagen.
Wie war es mit Dakota Fanning zu drehen? Die Beziehung zwischen euren Figuren ist keine leichte.
Ich habe Dakota schon seit Jahren beobachtet und bewundert. Deshalb war ich überwältigt von der Idee, endlich auch mit ihr drehen zu können. Sie ist eine sehr solide und professionelle Darstellerin. Wir haben zwar eine schwierige und schlechte Beziehung auf der Leinwand, hatten aber eine umso bessere und herzlichere auf dem Set. (lacht)
Du spielst die Mutter einer jungen Frau, die politisch radikalisiert wird. Wie aktuell ist der politische Radikalismus?
Politischer Radikalismus immer noch wichtig. Der Film thematisiert eine gewichtige Zeit in der amerikanischen Geschichte. Als sich alles auf den Kopf stellte. Aber ich denke, dass die Geschichte mehr hergibt, sie thematisiert die oberflächliche Sicht, die wir voneinander haben und die es uns vereinfacht, uns voneinander zu entfernen. Und dies ist heute auch noch sehr präsent. Und die Wut und der Ärger, den wir in uns tragen, wenn wir das Gegenüber nicht verstehen können.
Ein politischer, sozialkritikscher Film ist auch immer Geschichtsstunde. Wie wichtig ist dir Geschichte?
Ich liebe Geschichte und bin sehr interessiert daran. Aber das war nicht immer so. Leider hatte ich als Kind wohl sehr Pech mit meinen Lehrern, aber ich konnte mich nie wirklich für Geschichte faszinieren. Ich verstand den Wert von Geschichtsunterricht nicht. Für mich ging es nur darum Jahreszahlen auswendig zu lernen, nicht die Zusammenhänge, des ganze Weltgeschehen, zu verstehen. Wenn ich heute Zeit habe, lese ich gerne Geschichtsbücher. Aber ich habe da noch Kinder zuhause, um dich ich mich aus kümmern muss. (lacht)
Ich versuche immer zu verstehen, was die Absicht meiner Charaktere ist, warum sie sich so verhalten, wie sie sich verhalten, was sie antreibt. Woher sie kommen, wohin sie wollen.
Kannst du nach einem solchen Dreh abschalten oder begleitet dich die Geschichte nach Hause?
Ich denke viel darüber nach, das kann ich nicht einfach abstellen. Aber es ist schwieriger vor dem Dreh, weil ich nicht weiss, wie sehr mich einige Szenen beschäftigen werden. Nach dem Dreh habe ich es «hinter mir». Aber ich versuch die Dinge nach Drehschluss loszulassen. Meine Familie hilft mir dabei, dann ändert sich wieder mein Fokus. Meine Kinder erzählen mir von ihrem Tag und dann sind sie in meinem Fokus.
Die Romanvorlage erhielt den Pulitzerpreis. Steigt der Druck beim Dreh deshalb?
Ich fand den Lesern des Buches gegenüber eine Verantwortung, Dawn so nah wie möglich zu kommen, die Essenz ihrer Persönlichkeit einzufangen. Aber es handelt sich schlussendlich um eine Buchadaption und es gibt immer noch Drehbuchautoren, Produzenten, Regisseure, die bei allen Filmen mitreden. Ich habe da nur einen kleinen Teil und schlussendlich geringen Einfluss, ob ich den Vorstellungen der Leser gerecht werde oder nicht, aber ich versuche mein Bestes.
Wie wählst du deine Rollen aus?
Ich suche mir Dinge aus, die mich interessieren. Bei denen ich das Gefühl habe, sie machen zu müssen, wo ich einen Sinn dahinter sehen. Auch wenn das jetzt so daher gesagt komisch klingt. (lacht) Ich verausgabe mich stark, bei dem was ich tue, also muss sich die Mühe lohnen. Es muss mich inspirieren. Manchmal ist es die Geschichte, dann die Figur oder ein Schauspieler oder Regisseur. In einer idealen Situation sind es alle diese Aspekte.
Wirst du mal Regie führen?
Ja, doch, aber ich habe zur Zeit keine konkreten Pläne. Ich sah wie viel es von einem abverlangt, als mein Mann die Regie von «Shelter» übernahm. Ich denke, für eine solche Verantwortung bin ich noch nicht bereit. Mein Beruf als Schauspielerin vereinnahmt mich heute schon stark. Und wir haben noch Kinder zuhause.
Das Regiedebüt deines Mannes Paul Bettany ist in der Schweiz gerade als DVD erschienen. Du spielt die Hauptrolle, eine obdachlose Heroinsüchtige. Wie bist du an die Rolle herangegangen?
Ich versuche so viele Informationen wie möglich über meine Figur in Erfahrung zu bringen. Bei ihr waren das zunähst einfach mal die offensichtlichen Dinge. Die Rahmenbedingungen, also das schwere Leben. Ich habe viel Zeit mit Leuten verbracht, die eine ähnliche Geschichte erlebt haben. Ich habe ausserdem viel Zeit in Nadelumtauschprogrammen und den dort arbeitenden Ärzten verbracht. Ich habe viel Wert darauf gelegt. Dann habe ich auch mit einer Obdachlosenorganisation gearbeitet. Ich wollte die Situation im Leben dieser Menschen verstehen, wollte verstehen wie es sich in solch einer Situation lebt. Ich versuche immer zu verstehen, was die Absicht meiner Charaktere ist, warum sie sich so verhalten, wie sie sich verhalten, was sie antreibt. Woher sie kommen, wohin sie wollen.
- Unsere Kritik zum Film «American Pastoral» gibt es hier: «American Pastoral».
- Unsere Kritik zum Film «Shelter» gibt es hier: «Shelter».