«In meinen Augen widersprach sich Diana selbst pausenlos»

Oliver Hirschbiegel im Interview
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© Tanja Lipak

Bäckstage traf Regisseur Oliver Hirschbiegel («The Invasion») am letztjährigen Zürich Film Festival und erfuhr wie die Zusammenarbeit mit Naomi Watts verlief, was ihn an Diana fasziniert und wie er die britische Kritik empfindet.

 

Sie sind eher bekannt für wuchtige Filme wie «Das Experiment» oder «Der Untergang». Was hat Sie an der Biographie von Lady Di gereizt?Ihre Biographie kannte ich noch gar nicht. Als ich die frühe Fassung des Drehbuchs las, war ich völlig überrascht über einige Aspekte von Dianas Charakter, von denen ich keine Ahnung hatte. Dann hat mich natürlich diese Liebesgeschichte sehr berührt und ich wollte immer schon mal eine Liebesgeschichte erzählen. Das war dann die perfekte Kombination. Je tiefer ich in die Recherche getaucht bin und je mehr ich über Diana erfuhr, desto stärker faszinierte sie mich als Person, weil ich in ihr einen hochkomplexen Charakter gefunden hatte, der sich pausenlos auch selbst widersprochen hatte (lacht), und einen zutiefst verletzten Mensch.

 

Welche Facetten von Diana waren Ihnen denn sehr wichtig?

Sie hat für mich etwas von einem altmodischen Filmstar. Nur wenige Menschen besitzen so etwas. Sie betrat einen Raum und lenkte sofort die gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Diese Art von Menschen haben die Fähigkeit, sehr gerade und direkt auf andere Menschen zuzugehen und eine sofortige Wirkung auszuüben. Das wollte ich vermitteln und dann gleichzeitig die tiefe Spiritualität, die Diana besass und worüber ich zuvor nie gelesen hatte. Davon habe ich erst im Gespräch mit sehr engen Vertrauten erfahren. Diesen Teil von ihr wollte ich im Film haben. Dann gibt es natürlich viele andere Aspekte in ihrem Charakter, die ich nur als Metapher oder mit kleinen Hinweisen berühren konnte. Den Aspekt beispielsweise, dass sie auch sehr schneidend sein konnte und ein Problem mit Kritik hatte. Sie konnte sehr enge Freude auch von einem Tag auf den anderen abrasieren und nie wieder mit ihnen sprechen. Solche Facetten waren mir wichtig, aber ich wollte mich nicht zu sehr darauf fokussieren. Der Kernpunkt dieses Films ist nämlich nach wie vor diese wunderbare Liebesgeschichte. Und auch ihre Verlorenheit. Egal welches Foto ich von ihr sehe, oder was ich von ihr höre, alles hat eine tiefe Verlorenheit. Eine Traurigkeit, Unsicherheit und Hilfslosigkeit. All dies wollte ich im Film haben, das sollte sich alles in ihrer Figur widerspiegeln.

 

Wie war die Zusammenarbeit mit Naomi Watts?Über die Spiritualität mussten wir ein wenig diskutieren (lacht). Sie ist ein sehr rationaler Mensch. Sie ist nicht spirituell. Ihr ist das ein bisschen unheimlich. Was durchaus verständlich ist. Der angloamerikanische Raum hat da ein wenig Berührungsprobleme mit Spiritualität. Nicht so sehr die Amis, aber der englische Raum, der ist in dieser Hinsicht sehr empfindlich. Naomi ist eine Ausnahmeschauspielerin, hochgescheit und gleichzeitig wie ein Athlet. Sie hat monatelang technisch von aussen diese Figur erschlossen, um sie dann von innen zu begreifen und rauszulassen.

 

War Naomi ihre erste Wahl für den Film und wie schwer war es sie zu überzeugen mitzumachen?

Sie war meine erste Wahl. Ich habe sie in New York getroffen und gemerkt, dass sie mit sich gekämpft hat und Zweifel hatte. Jedoch spürte ich im Meeting auch, dass sie das machen wollte. Ich wusste, ich hab sie eigentlich an Bord, obwohl es dann doch noch ein wenig gedauert hatte, bis sie zusagte (lacht). Aber ich war mir immer sicher, dass sie es machen wollte. Als Regisseur lernt man ja auch ein wenig die Schauspieler zu lesen.

 

Diana (Naomi Watts) und der Herzchirurg (Naveen Andrews). Quelle: Im Verleih von Ascot Elite. 

 

Warum fokussiert sich Ihr Film auf die letzten Jahre in Dianas Leben? Die Zeit mit Charles wird ausgeblendet…

Die letzten zwei Jahre sind deshalb spannend, weil sie endlich der Liebe begegnet, nach der sie sich ein Leben lang gesehnt hat. Diese Liebe gibt ihr dann die Kraft und Energie sich nochmals komplett neu zu erfinden. Ihr Leben ist nach der Trennung von Charles quasi stagniert. Sie sind noch nicht geschieden, hat aber trotzdem keine offizielle Funktion mehr. Der Palast weiss nicht genau, wie mit ihr umgehen und sie selber weiss gar nicht, was sie mit ihrem Leben anstellen will. Dann trifft sie diesen Mann und es beginnt ein völlig neuer Aspekt einer starken, zielgerichteten, fast politisch denkenden Frau, die plötzlich das Landminenprogramm zu ihrer Sache macht. So schafft sie in drei Tagen das, was von der Uno nicht einmal in 20 Jahren erreicht wurde, mit einem Trip nach Angola. Das ist bemerkenswert und total in Vergessenheit geraten. Die Paparazzi, Playboys und Jachten blieben in Erinnerung. Dies ist aber in meinen Augen nicht gerecht. Dies war eine Sache, die ich im Film ebenfalls ansprechen wollte, ihr Geschichtsbild zu korrigieren.

 

Wo war Ihnen Akkurität wichtig und wo nahmen Sie sich künstlerische Freiheit?Dort wo ich durfte (lacht).

 

Das wurde vorgegeben (lacht)?

Naja, das wird vorgegeben durch die Elemente, die zu erzählen sind. Eine sehr intime Liebesgeschichte, die spielt halt in Schlafzimmern und Küchen und Salons. Und da kann man sich nur versuchen im Geiste der Figur so nah anzunähern, dass das authentisch wirkt, aber es hat natürlich immer eine künstlerische Interpretation an sich. Andererseits geht es um die Wahrhaftigkeit der Liebe, das ist wiederum ein universales Gefühl, das kann ich dann wieder ganz gut handlen, weil ich die Liebe kenne, die Liebe habe ich. Das ist dann vielleicht meine Version, trotzdem ist es ein sehr universales Thema. In den Dingen, die wir darstellen und rekonstruieren, können wir so nah an der Wirklichkeit sein wie es geht, weil wir mit Dokumentationen, Fotos und Beschreibungen arbeiten können. Da wissen wir genau wie das war.

 

Wie lange hat die Recherche für diesen Film gedauert?Die Recherchearbeit hört natürlich während der Dreharbeiten nicht auf. Aber bevor der Dreh gestartet ist, habe ich mich ein Jahr lang mit Recherche und Drehbucharbeit beschäftigt. Es ist schon ein relativer Aufwand. Ich hab alles gelesen an Büchern, was über sie geschrieben wurde. Auch diese eigenartigen Theorien über ihren Tod. Ebenfalls nützlich waren die Aufzeichnungen der Vernehmungsprotokolle von Scotland Yard, nach dem Unfall, weil auch Hasnat Khan zu Wort kommt. Er beschreibt sehr umfangreich wie die Beziehung sich gestaltet hat. Was die Konflikte waren und wie sie miteinander umgegangen sind.

Hatten Sie auch die Gelegenheit mit Hasnat Khan zu sprechen?

Nein. Hasnat Khan wusste immer, dass wir diesen Film machen würden, weil wir über seine Familie mit ihm in Verbindung waren. Er war aber immer ein wahnsinnig privater Mensch und wollte deshalb nie etwas mit dem Film zu tun haben. Natürlich ist er intelligent genug zu wissen, dass das früher oder später passieren würde. Diana war die wahrscheinlich berühmteste Frau der Welt in den letzten 200 Jahren. Mir hätte dies aber auch nicht gut getan mit ihm zu sprechen. In dem Moment, in dem man jemanden persönlich kennenlernt, wird man emotional so involviert, dass es schwierig ist, weiterhin mit einem unverstellten Blick draufzuschauen. Und das ist gerade mein Vorteil als Deutscher, dass ich das nüchterner tun kann. Ich versuche das eben nicht britisch zu tun. Da ist kein Sarkasmus in dem Film und da ist keine Ironie in dem Film. Und das ist es, was die Engländer komplett irritiert. Eine direkte Emotion. Im Prinzip ist der Film eigentlich eine sehr authentische Wiedergabe der Energie, für die Diana stand. Die hat keinen Sarkasmus in sich gehabt oder Ironie. Sie war sehr gradlinig, offen, fast unschuldig, aber in einem guten Sinne. Das sind alles rote Tücher für die Briten. Dafür ist sie damals schon geprügelt worden und dafür werden wir jetzt geprügelt. Das macht alles Sinn.

 

 

Die Filmkritik findet ihr hier.

Tanja Lipak / Mi, 08. Jan 2014