Ein Mann des Friedens

Buchkritik: Shantaram
Shantaram
Bildquelle: 
Goldmann Verlag

Das Buch ist fast 1000 Seiten dick. Kein Wunder, erzählt der Autor Gregory David Roberts doch seine eigene, abenteuerliche Geschichte. Roberts verfiel dem Heroin und begang in seiner Heimatstadt Melbourne - mit Spielzeugpistole - mehrere Raubüberfälle. Da er seine Opfer stets freundlich behandelte, betitelten ihn die Medien schon bald als „Gentleman Bandit“. 1978 verurteilte ihn das Gericht zu einer langjährigen Gefängnisstrafe. Der heute 61-Jährige hatte schon bald die Nase voll vom Gefängnis und den Prügeleien darin. Er schmiedete Fluchtpläne.

 

”Shantaram” ist die Geschichte von Lindsay, der einen bewaffneten Raubüberfall in Australien begeht und dabei verhaftet wird. Auf spektakuläre Art und Weise gelingt ihm die Flucht aus dem Hochsicherheitsgefängnis. Daraufhin wird er zum meist gesuchten Mann Australiens und beschafft sich eine neue Identität, um damit als Neuseeländer nach Mumbai auszureisen. Dort wartet ein neues Leben auf ihn; aus Lindsay wird Shantaram.

 

Was du auch immer tust im Leben, tu es mit Mut, dann kann es nicht ganz misslingen

 

Angekommen in Mumbai engagiert Lindsay Prabaker. Er soll ihn durch den Grossstadtdschungel führen. Schon nach kurzer Zeit wächst Prabaker mit seinem unglaublich fröhlichen Lachen und seiner aufrichtigen Ehrlichkeit dem Australier ans Herz. Prabaker zeigt Linbaba, wie der Inder seinen weissen Freund liebevoll nennt, die Grossstadt mit ihren Märkten, Slums und Touristenfallen.

 

Im Leopolds, einer illustren Bar, lernt Lindsay neue Freunde kennen. Didier, den schwulen Franzosen mit Hang zum Alkohol und vielen Weisheiten; Karla, die atemberaubende europäische Schönheit, in die sich Lindsay vom ersten Moment an verliebt und Modena. Das Leopolds` wird zum Mittelpunkt von Lindsays sozialen Kreisen in der indischen Metropole.

 

Um seiner Karla näher zu kommen, lädt Lindsay sie zu einem Ausflug ein. Er will zu den Höhlen der stehenden Buddhas fahren um dort, das besonders gute Jarras - das indische Haschisch - zu besorgen. Die Höhlen liegen ausserhalb von Mumbai und sind berühmt für die Mönche, die sich einer lebenslagen Meditation des Stehens widmen. Was Lindsay nicht ahnt: Karla wird heimlich bewacht, von Abdullah, und wie sich herausstellt nicht ohne Grund. Kaum in der Höhle, wird Lindsay brutal von einem durchgedrehten Inder angegriffen. Nur in letzter Sekunde eilt Abdullah ihm zur Hilfe. Daraufhin verschwindet der geheimnisvolle Mann vorerst wieder. Im Verlauf der Geschichte wird Abdullah zu Lindsays besten Freund.

 

Nach einigen Monaten in Indien lädt Prabaker seinen neuen Freund ein, sein Heimatdorf Sunder im Norden zu besuchen. Lindsay geht mit und verbringt wunderbare Monate in Prabakers Heimatort. Der Australier lernt die Sprache der indischen Bauern, genannt Marathi. Er wird offiziell in die Familie aufgenommen und erhält den Namen Shantaram, was soviel wie Mann des Friedens bedeutet.

 

Das Falsche aus den richtigen Gründen tun

 

 

Auf dem Rückweg nach Mumbai wird Lindsay brutal überfallen und ausgeraubt. All seiner Besitztümer beraubt, ist er auf die Hilfe Prabakers angewiesen. Dieser organisiert ihm eine Hütte in den Slums. Lindsay sieht es als Wink des Schicksals, das ihm als Räuber auch einmal alles geklaut wurde. Widerwillig zieht Lindsay in sein neues Zuhause. Schon nach kurzer Zeit spricht sich herum, dass der weisse Mann Grundkenntnisse der Medizin besitzt. Genug jedenfalls, um als Slumarzt zu helfen. Innert kurzer Zeit bilden sich lange Schlangen vor seiner Hütte. Der Slumlord Abdel Kader Khan wird auf Lindsay aufmerksam und organisiert ein Treffen mit ihm. Das Treffen wir eingeleitet durch Abdullah, der unbekannte Retter aus den Höhlen.

 

Abdel Kader Khan ist einer der Warlords in Mumbai und ein hohes Tier in der Mafia. Er verschafft Lindsay Medikamente und eröffnet ihm neue Kreise und Möglichkeiten in Mumbai. Nach und nach weiht Abdel ihn in die Geschäfte der Mafia ein. Shantaram lebt weiterhin in seiner bescheidenen Hütte im Slum und dient als Slumdoktor. Seine Liebe zu Karla liegt auf Eis, bis sie ihn besuchen kommt und ihn im Kampf gegen einen Choleraausbruch in seinem Slum unterstützt.

 

Alles scheint sich zum Guten zu wenden, bis Shantaram während einer wunderschönen Liebesnacht mit Karla verhaftet wird und ins Arthur Road Gefängnis gebracht wird. Dort folgen Monate voller Folter, Qualen und Leiden. Kader Khan schafft es, Lindsay aus dem Gefängnis zu befreien. Seine Zeit im Slum ist vorbei. Lindsay wird von Abdullah gesund gepflegt und fit gemacht. Denn auf Lindsay wartet eine weitere Mission - will er sich doch an seinem Verräter rächen, der ihn ins Gefängnis gebracht hat.

 

“Shantaram” ist ein wundervolles Buch, voller Abenteuer und Philosophie. Für alle, die nach einer Lektüre suchen, in die man voll und ganz eintauchen kann. Das Buch fesselt und entführt einem in eine fremde Welt, authentisch, brutal und voller Liebe.

 

Text: Marionna Wellinger

Linda von Euw / Do, 04. Apr 2013