«Stage Call! – Das Musical»: Ein Leben wie du und ich

Musical-Kritik: Stage Call!

Das Schweizer Musical «Stage Call!» überzeugt durch eine ungewohnt emotionale Authentizität und der Professionalität seiner unbekannten Darsteller. Als Grundlage dient die wahre Lebensgeschichte des jungen Hauptprotagonisten Arno Leon. Eine Geschichte über Courage und Selbstvertrauen.

 

Am Anfang steht wie immer ein unvollendetes Märchen. Ein Traum, der sich in Luft auflöst oder ein Drama, das weder Anfang noch Ende hat. Es ist die Geschichte eines elfjährigen Knaben, dem scheinbar alle Türen offenstehen. Und zwar auf den sogenannten Brettern, die die Welt bedeuten. Doch dieser Traum endet, bevor er überhaupt richtig begonnen hat. Für Arno Leon (31), dem Hauptprotagonisten des Musicals, ist das ein fester Bestandteil seines Lebens. Seine Geschichte liest sich selbst wie eine hochdramatische Arie Puccinis: Als Knabensopran stand der Halbwüchsige regelmässig auf den renommiertesten Opernbühnen Frankreichs und begeisterte Tausende von Zuschauern mit seiner drei Oktaven umfassenden Stimme. Zeitgleich wird er zudem am «Centre de musique baroque» in Versailles bei Paris aufgenommen, der wohl bedeutendsten nationalen Ausbildungsstätte für zukünftige Tenöre. Selbst Plácido Domingo bekundete grosses Interesse an einer Zusammenarbeit mit diesem vielversprechenden Ausnahmetalent.  

 

Doch das Schicksal will es anders. An Dramatik kaum zu übertreffen, ereilt ihn auf der Bühne der Stimmbruch, die Stimme versagt vollends – und das vor einem Massenpublikum. Im Alter von dreizehn Jahren endet hier auf einen Schlag einfach alles, was für Arno Leon bis dahin eine Bedeutung hatte: seine Ziele, sein Glaube – und auch sein Lebenswille. «Ich war verloren» sinniert er rückblickend. «In diesem Alter ist es praktisch unmöglich, damit sachlich umzugehen, das Ganze zu verstehen oder einzuordnen» 

 

 

Zurück in der Schweiz holt ihn die harte Realität des Alltags ein: Abseits der Bühne bestehen die Eltern auf eine solide Ausbildung, der Weg zurück auf die Bühne erscheint ferner denn je. Nach einem abgebrochenen Studium der Betriebsökonomie und diversen kurzfristigen Jobs verliert er seinen letzten Halt, und verfällt in eine tiefe Lethargie. 

 

Inmitten dieser dunklen Phase seines Lebens liest er eher beiläufig die Ausschreibung zu einem Casting. Er überwindet seine Selbstzweifel, geht dorthin und bekommt nicht nur eine Zusage, sondern gleich die Hauptrolle. Der Rest ist Geschichte - oder eben «Stage Call - Das Musical». Und nicht nur musikalisch setzt er zu einem erneuten Höhenflug an, sondern auch auf beruflicher Ebene: Mittlerweile ist er erfolgreich als Key Account Manager in der Privatwirtschaft tätig.

 

Der Initiant und Produzent des Stücks, Benjamin Stückelberger, sieht darin mehr als nur einen Zufall, sondern eine göttliche Fügung. Als reformierter Pfarrer ist er überzeugt davon, dass diese Geschichte stellvertretend für viele andere junge Menschen steht, die ebenfalls von ihrem Weg abgekommen sind. Mit seiner eigenen Produktionsfirma «BeSt Productions» hat er es sich zu seiner Mission gemacht, die Botschaften aus der Bibel auf eine ganz unkonventionelle Art und Weise einem breiteren, vielleicht auch weniger religiösen Publikum durch Musicals näher zu bringen.

 

 

«Stage Call! - Das Musical» überzeugt auf ganzer Linie. Es handelt nicht nur von den alltäglichen Höhen und Tiefen im Werdegang eines Menschen, sondern beinhaltet auch eine grundlegende Botschaft: der Macht des positiven Denkens und davon, nicht den Glauben an sich und seine Träume zu verlieren. Das klingt nach einem esoterischen Ratgeber für ein glücklicheres Leben, doch am Beispiel des Hauptdarstellers sieht man, wie sich scheinbar ausweglose Situationen ändern, Chancen entstehen und Möglichkeiten eröffnen, wenn man sie nur ergreift. Seine ganz besondere Stärke bezieht das Musical jedoch vom Charisma seiner Darsteller. Allen voran Arno Leon, der teilweise in einer unglaublichen Emotionalität, die einzelnen Stationen seines Lebens schauspielerisch und gesanglich Revue passieren lässt. Und dabei den Zuschauern tiefe Einblicke in seine Seele gewährt. Absolut sehenswert – nicht nur für Liebhaber von Musicals.

 

 

 

 

Tenzin Khangsar / Fr, 23. Nov 2018