Ungeschliffener Diamant

Movie-Kritik: La La Land
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Es ist zunächst bunt und laut, dann dahinplätschernd, süss, witzig, amüsant, traurig, traurig, bittersüss, traurig, fertig. Dies ist der erste Eindruck, den «La La Land» hinterlässt. Das ist die Kurzzusammenfassung, die ich mir memoriert habe. Bis der Film beim zweiten Blick offenbart: Es ist einer der besten Filme, die je gedreht wurden. «La La Land» ist ein ungeschliffener Diamant, der mit jedem zusätzlichen Blick geschliffen wird und wahrscheinlich beim zehnten Anblick wie ein tausendkaratiger Diamant erstrahlt. Warum ist das so? «La La Land» fehlt es an jeglicher Ironie, jeglichem Sarkasmus, jeglichem Zynismus. Und das verdaut heutzutage niemand. Jede Faser des Körpers wehrt sich dagegen, kann die dargebotene Süsse nicht zulassen. Ausser man setzt sich ihr immer und immer wieder aus und erkennt: Es tut nicht weh. Erst dann ist man fähig «La La Land» als das zu erkenne, was es ist: Ein bittersüsses Märchen, versehen mit einer Quintessenz, die zu unserer heutigen modernen Welt passt. Und diese Pointe ist es, die weh tut. Nicht die neckische Tanzerei, der naive Gesang oder der romantische Hintergrund. 

 

Music was the first love … doch dann kam die bezaubernde Mia. ( © Ascot Elite Entertainment Group. All Rights Reserved.)

 

«La La Land» dreht sich um den hoffnungslosen Jazz-Pianisten Sebastian (Ryan Gosling) und die erfolglose Schauspielerin Mia (Emma Stone). Beide sind ambitionierte Künstler, wollen hoch hinaus. Doch die Schallplatte ihres Lebens hat einen Sprung. Sie kommen nicht vorwärts. Bis sie sich immer und immer wieder begegnen. Es ist dann auch die quirlige Mia, die den selbstverliebten Sebastian aus der Reserve lockt. Dabei kommt viel Screwball Comedy zum Zug bis sie sich endlich gefunden haben. Und wäre dies nun ein 0815-Musikmärchen, wäre die Story zu dem Zeitpunkt fertigerzält. Boy meets girl, boy loses girl, boy gets girl back. Was aber, wenn die tief verinnerlichten Karriereträume noch nicht erfüllt sind? Wie geht die Geschichte weiter?

 

Umweg über Sundance

 

Regisseur Damien Chazelle schrieb «La La Land» mit 26 Jahren, nachdem er gerade Harvard verliess, um seinen ersten selbstgedrehten Film, das schwarz-weisse Musical «Guy and Madeline on a Park Bench», fertigzustellen. Kein irrer Produzent liess sich finden, der «La La Land» für eine Million Dollar produziert hätte. Damian entschied sich für einen Umweg. Er filmte den Kurzfilm «Whiplash», gewann mehrere Preise am Sundance Film Festival, erhielt den Zuschlag, «Whiplash» in einen Langspielfilm zu verwandeln, der danach 5 Oscarnominierungen erhielt und 3 davon gewann. Darunter jenen für den besten Nebendarsteller für J.K. Simmons als sadistischen Musikprofessor. Jetzt stand ihm und seinem Unifreund, dem Filmkomponisten Justin Hurwitz, nichts mehr im Weg. «La La Land» konnte sogar mit Miles Teller und Emma Watson besetzt werden. Bis Teller absprang, um sich seiner aufblühenden Karriere zu widmen und Watson ihm folgte. An Board kamen neu der begabte Pianist und Sänger Ryan Gosling sowie die «Cabaret»-erprobte Emma Stone. Der Rest ist Geschichte. 

 

«La La Land» nutzt Los Angeles als Bühne. (© Ascot Elite Entertainment Group. All Rights Reserved.)

 

Chazelle muss mit «La La Land» jeden erdenklichen Filmpreis gewinnen, den es zu gewinnen gibt. Weil er die Regeln neu erfindet. Der Film beginnt pompös mit einer der grössten Musikszenen des gesamten Films, noch bevor die Hauptdarsteller zum Zug kommen. Weil er den Rat jeglicher Marketing-Gurus zum «Stand von Filmmusicals in der heutigen Zeit» in den Wind blies. Weil er die Melodie in Ryan Goslings Stimme erkannte ohne ihn goofy-like singen zu lassen (siehe «Blue Valentine»). Weil er sich bei den besten Film-Musicals bediente, um etwas  Neues, Pures, Magisches zu erschaffen. Weil er es kurz gesagt wagte, an seine Vision zu glauben. Weil er wusste, dass es egal sein wird wo wir stehen, wenn der Film rauskommt, die Geschichte wird funktionieren. Und er hatte Recht.

 

Filme wie «La La Land» kommen nur alle Jahrzehnte. Lasst euch deshalb diesen Geniestreich auf keinen Fall entgehen.

 

  • La La Land (USA 2016)
  • Regie: Damien Chazelle 
  • Besetzung: Ryan Gosling, Emma Stone, Sonoya Mizuno, J.K. Simmons, Finn Wittrock 
  • Laufzeit: ca. 129 Minuten
  • Im Kino: ab 12. Januar 2017 

 

 

Tanja Lipak / Do, 12. Jan 2017