Stefanie Heinzmann: Ich trage mein Instrument im Körper.

Interview: Stefanie Heinzmann
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Bäckstage / © Alessia Munoz

Vor dem ausverkauften Konzert in der Schüür in Luzern nahm sich Stefanie Heinzmann Zeit für ein Gespräch über Musik, den Entstehungsprozess eines Albums, über Unsicherheiten und Selbstwahrnehmung und die Bedeutung von #1-Alben geredet. 

 

Die Tour hat ja schon begonnen. Wie lief es bis jetzt so?

Ja, eigentlich sind wir noch am Anfang. Wir sind jetzt bei Woche eins von vier. Bis jetzt ist es mega schön. Es macht viel Spass mit den Jungs, die Band ist super. Auf der Bühne stehen, ist das, was ich am liebsten mache.

 

Gibt es schon ein Highlight?

Das würde ich nie wagen zu sagen, bei sechs von 22 Shows.

 

In dem Lied «Mother’s Heart» bist zu zum Teil selbstkritisch? Fällt es dir leicht darüber zu schreiben?

Ja, mir fällt das erstaunlich leicht. Ich empfinde dies gar nicht als Schwäche, sondern als Teil von mir. Und ich glaube, dass genau hier das Problem liegt, dass wir es als Schwäche ansehen, wenn man Unsicherheiten hat. Dabei sind diese doch einfach wahnsinnig menschlich. Genau deshalb, möchte ich gerne so viel darüber sprechen, um den Leuten zu sagen, dass es jedem so geht. Egal, ob es eine Mutter, du oder ich, die Jungs aus meiner Band oder der Banker, der erwachsen ist und 3 Kinder hat. Es ist egal wer, jeder kennt Unsicherheiten, das macht uns menschlich.

 

Deshalb auch das Positive in «Mother’s Heart»?

Total, ich bin der Meinung, dass dies wichtig und genau der Punkt ist. Die Unsicherheiten bringen uns dazu, auch über Sachen nachzudenken und Sachen zu hinterfragen und ich glaube daran, dass man daran immer wachsen kann.

 

 

Wenn ein Album in den Charts kommt, ist das natürlich toll. Es ist ein Zeichen, dass es die Leute kaufen und hören. Das ist ja auch das Ziel. Im Umkehrschluss ist es so, wenn ich ein Album mache und das landet nicht auf Platz 1 in den Charts, finde ich dies nicht schlimm. Es mindert für mich das Album nicht.

 

Die Veröffentlichung des neuen Albums «All We Need Is Love» hat 4 Jahre gebraucht. Hat es diesen Prozess gebraucht, um zufrieden mit dem Album zu sein?

Das letzte Album ist vor 4 Jahren erschienen. Dann haben wir zuerst mal 1 ½ Jahre gespielt. Man beginnt nicht gerade wieder zu schreiben. Schlussendlich haben wir für das Album 2 ½ bis 3 Jahre gebraucht. Es sind viele Prozesse. Zum Teil habe ich auch aufgegeben, da ich den Anfang nicht richtig gefunden habe, unsicher oder müde geworden bin. Auf jeden Fall war es der längste Arbeitsprozess bis jetzt.

 

Hast du immer wieder an den gleichen Liedern aufgehört oder Lieder rausgenommen?

Gut, dass ist ein ganz anderer Prozess. Schlussendlich haben wir in den drei Jahren über 50 Songs gesammelt. Das ist ganz selten, dass man Lieder schon am Anfang bestimmt. Das ist wirklich erst am Schluss, wenn man alle Songs zusammen hat. Dann schaut man, an welche Songs man nochmals ran geht oder welche Songs doch nicht in Frage kommen. Aber es war nicht  auf Songs bezogen, dass ich gedacht habe, ich mag nicht mehr. Die Songentscheidung ist mehr nebenbei gelaufen.

 

Wie wichtig war für dich als Künstlerin dieser Prozess vom Aufhören und wieder anfangen?

Das ist sehr wichtig. Nur aus diesem Grund ist das Album so geworden, wie es ist. Ich bin megastolz auf das Album und hatte viel Spass daran. Es hat mir gezeigt, dass es diesen Prozess einfach braucht. Dass es Momente braucht, in denen man aufhört, um sich Zeit zu geben und dass es in Ordnung ist, mal aufzugeben und zu sagen, dass man nicht mehr mag. Danach sieht man, was man wirklich will und was doch eher nicht.

 

Der Name des Album ist «All We Need Is Love». Ist dies dein Lebensmotto?

Ja, dass kann man schon sagen. Ich bin der Meinung, dass wir mehr Liebe brauchen. Diese Aussage ist mir wirklich ernst. Das Wort Liebe beinhaltet für mich so viel: die Freundlichkeit im Alltag, aufmerksam zu sein und Hilfsbereitschaft. Einfach füreinander zu sorgen. Aber auch die Liebe zu sich selber. Das Bewusstsein für sich und seine Mitmenschen. Wir brauchen viel mehr davon, auch für den eigenen Seelenfrieden. Meiner Meinung nach, ist dies für einen selbst gut, wenn man versucht, positiv und freundlich und liebevoll zu sein.

 

Gibt es für dich ein «Lieblingslied» auf «All We Need Is Love»?

Das ist, als würdest du mich fragen, was mein Lieblingskind wäre. Es ist sehr schwierig zu sagen. Aber Lieder wie «Mother’s Heart», aber auch «Brave» sind sehr persönlich. Genauso «All We Need Is Love». Dies ist der Song, der dies alles zusammenbringt und ist für mich nicht ohne Grund der Titelsong des Albums. Um das geht es, das ist die Essenz.

 

Vor gut 10 Jahren hast du angefangen. Sind deine Träume in Erfüllung gegangen? Hattest du überhaupt in diesen jungen Jahren schon Träume? Du warst ja doch noch recht jung zu Beginn. International aufzutreten zum Beispiel?

Nein, dies konnte ich mir gar nicht vorstellen, ehrlich gesagt. Die Welle ist gekommen und auf einmal bin ich auf dieser Welle geritten und dachte so: «Ah, cool. Krass». Zwischen Überforderung und Glück. Irgendwie war alles mit dabei. Ich habe nie mit dem Gedanken gespielt, Sängerin zu werden. Ich wollte immer singen, aber ich habe nie gewusst, dass man dies auch beruflich machen kann. Deshalb sind meine Wünsche immer auf persönlicher Ebene gewesen. Gesundheit, Freunde, Eltern, das Zuhause. Das sind so meine Träume. Schlussendlich bin ich unglaublich glücklich und dankbar, wie die letzten 10 Jahre gelaufen sind und bin sehr demütig.

 

Eine Stimme verändert sich ja auch mit der Zeit. Wie hast du dies persönlich wahrgenommen?

Wie man selbst, wird die Stimme älter und erfahrener. Man geht durch Stimmprobleme. Man lernt mit der Stimme umzugehen. Das Bewusstsein, dass man die Stimme nicht einfach ablegen kann. Ich kann nicht wie ein Gitarrist mein Instrument in ein Case legen und nachher feiern gehen. Ich trage mein Instrument in meinem Körper. Das ist eine Herausforderung und Verantwortung. Trotzdem bin ich sehr dankbar für das Geschenk, dass ich bekommen habe und habe mich inzwischen sehr mit meiner Stimme angefreundet.

 

Mit «All We Need Is Love» hast du es seit «Masterplan» wieder auf Platz 1 der Album-Charts geschafft. Wie wichtig ist dir dies?

Das ist schwierig zu sagen. Es bedeutet mir schon etwas und es ist definitiv schön. Es steckt so viel Arbeit in dem Album. All die Promo die wir gemacht haben. Es ist wirklich so viel Arbeit und Herzblut. Wenn ein Album in den Charts kommt, ist das natürlich toll. Es ist ein Zeichen, dass es die Leute kaufen und hören. Das ist ja auch das Ziel. Im Umkehrschluss ist es so, wenn ich ein Album mache und das landet nicht auf Platz 1 in den Charts, finde ich dies nicht schlimm. Es mindert für mich das Album nicht. Ich werde trotzdem arbeiten und alles geben. Aber natürlich ist es schön, wenn man weiss, es kommt gut an.

 

 

Wenn die Promo vorbei ist, fängt mein Ritual langsam an. Bereit machen, einsingen, und bisschen ausruhen vor dem Gig. Mit der Band in den Kreis gehen und etwas sagen.

 

 

Mit dem Streaming hat man die Möglichkeit, auch nur noch vereinzelt Lieder zu hören und nicht mehr nur ganze Alben. Berücksichtigst du dies beim Produzieren eines Albums?

Es geht. Du kannst die Songs auch einzeln hören, da das Album sehr facettenreich ist. So hat es für jede Person einen Song, den diese gut findet. Aber ich bin schon noch im Album-Modus. Es muss schon zusammenpassen. Für mich ist es schon am schönsten, wenn man sich das ganze Album anhört, um auch die Zusammenhänge zu verstehen.

 

Du bist ein grosser Musical Fan. In welche Rolle würdest du gerne mal schlüpfen?

Ah, selber singen (lacht). Das ist noch spannend. Das Musical, dass mir unglaublich gefällt ist «Mary Poppins». Das wäre definitiv cool, dies zu machen. Aber ich muss dir ehrlich sagen, gerade beim Musical, hätte ich auch mal Bock irgendwelche Nebenrollen zu machen, weil dies einfach so toll ist. Ich finde das Musical, das ganze Spektakel so toll.

 

Bei Pets 2 hattest du eine Sprechrolle (Hundebesitzerin Katie). Wie hast du dies erlebt?

Es war sehr schön. Mit seiner Stimme zu arbeiten, ist sehr spannend und auch einmal nicht zu singen und nur zu reden. Das ist eine ganz neue Erfahrung für mich gewesen. Dadurch, dass ich ein Riesen Trickfilm-Fan bin, war dies schon cool, einem Charakter die Stimme zu schenken.

 

Hast du viel dafür geübt, oder einfach mal losgelegt?

Ich habe einfach mal losgelegt. Ich hatte keinen Plan. Ich habe einfach probiert und geschaut, was funktioniert und was nicht.

 

Hast du ein Ritual bevor du auf die Bühne gehst?

Ja, wenn die Promo vorbei ist, fängt mein Ritual langsam an. Bereit machen, einsingen, und bisschen ausruhen vor dem Gig. Mit der Band in den Kreis gehen und etwas sagen. Ich habe definitiv ein paar Rituale.

 

Du bist ja bei «Sing meinen Song Schweiz» mit dabei? Wie war dies, darfst du überhaupt schon etwas verraten?

Das Format ist sehr cool. Leider, darf ich noch nichts darüber sagen. Es war aber sehr schön. Die Zusammensetzung der Künstlerinnen und Künstler ist unglaublich gut. Wir haben uns alle sehr gut verstanden. Das hat es sehr einfach gemacht.

 

Vielen Dank, Stefanie, dass du dir Zeit für uns genommen hast.

Stefanie Heinzmann - «Mother’s Heart»

 

 

Kellin Dalcher / So, 17. Nov 2019