The old stuff, the new stuff and the very new stuff

Konzertkritik: Delain im Kofmehl

Die Lichter sind gedimmt, die Musik spielt nur noch hintergründig, und eine Frau singt etwa 30 mal die Worte «Goodbye my Lullaby». Und doch sind die Menschen vor der Bühne wie gebannt und kein Stück gelangweilt, denn Sängerin Charlotte Wessels hat eine unglaubliche Bühnenpräsenz und eine Ausstrahlung, die beinahe alles verzeiht. 

 

Delain befinden sich gerade mal im vierten Song ihrer Setlist, und haben bereits jetzt Stücke aus drei verschiedenen Alben geboten. «We present you some old stuff, some new stuff and some very new stuff!» – und die Niederländer haben nicht zu viel versprochen. Die «very new stuff» folgt etwa in der Halbzeit mit «Turn the Lights Out», und ist ein zum Träumen anregender Song mit eingängiger Melodie, wie man es von Delain kennt. 2016 wird er auf dem neuen Album zu hören sein. 

 

Das Publikum ist gut gelaunt im Solothurner Kofmehl versammelt, und bereits zwei Bands haben Lust auf mehr gemacht. Zunächst Amberian Dawn, deren Sängerin das erste mal auf Tour ist und für die es der zweiter Auftritt war. Angemerkt hat man dies der Finnin überhaupt nicht. Sie wirkte nicht nervös oder gar schüchtern, spielte mit dem Publikum und sang einwandfrei. Darauf scheint es die Symphonic Metal Band auch angelegt zu haben, denn instrumental war wenig Eigenmelodie zu hören, die einem bleiben würde. Bei der Sängerin aber auch nicht unbedingt notwendig. 

 

The Gentle Storm als Special Guest von Delain – und auch deren Landsgenossen – spielten mit verschiedenen Einflüssen. Da war mal Folk, mal etwas Orientalisches, aber auf jeden Fall war da immer Anneke van Giersbergen, die charismatische Frontfrau mit dem Fifties-Look. Sie flirtete mit den jubelnden Zuschauern, und man musste sie irgendwie einfach mögen. Musikalisch schienen sich The Gentle Storm mit jedem Song zu steigern, und die zweistimmigkeit durch eine talentierte Background-Sängerin ergab einen interessanten Effekt. Das Publikum liebte die Holländer, und auch nach 40 Minuten hätten sie am liebsten noch weiter zugehört und -geschaut. 

 

Ist da nicht jemand zu viel auf der Bühne? War die nicht vorher schon da? Tatsächlich hat die Gitarristin Merel Bechtold noch nicht genug gehabt, denn auch Delain wird nun von ihr verstärkt. Die auffallend kleine und zierliche Blondine mit der grossen Gitarre hat anscheinend mehr Power als in ihrem Körper Platz zu haben scheint, und lässt diese mit mit viel Spielfreude heraus. Auch den anderen Musikern sieht man den Spass sofort an. «The Gathering» wird ohne Nightwishs Marco Hietala gespielt, er wird vom erst 23-jährigen Gitarristen Timo Somers vertreten. Übrigens hat er auch schon am Projekt The Gentle Storm mitgearbeitet.

Passend zu «Not enough» treten Delain von der Bühne, ehe sie für die Zugaben – ganz zum Schluss natürlich mit «We Are the Others» – wieder erscheinen. 

 

Delain haben einmal mehr gezeigt, was sie drauf haben. Man könnte fast schon versucht sein zu sagen: Besser als ab Platte. 

 

Delain präsentierte sich als geniale Live-Band mit dem richtigen Riecher für ihre Support-Acts und Special Guests. Charmante Charaktere treffen auf musikalische Top-Qualität. 

 

 

 

 

 

Seraina Schöpfer / Mi, 28. Okt 2015