Die Rolling Stones bleiben im Letzigrund trocken

Konzertkritik: Rolling Stones in Zürich
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Bäckstage / © Patrick Holenstein

Es ist halb elf, als Mick Jagger seine Jacke locker über die Schulter wirft, langsam und offenbar zufrieden den Steg in Richtung Bühne schlendert, während am Himmel Feuerwerk verglüht. Zwei Stunden Show stecken dem Rolling Stone in den Gliedern. Zwei Stunden, die gehalten haben, was der Tourtitel verspricht, «No Filter». Quasi zurück den Wurzeln wollte die Band. Das also, was das letzte Album «Blue & Lonesome», das voller Blues-Songs der Helden der Stones ist, eindrücklich angekündigt hat. Drummer Charlie Watts, Gitarrist Ron Wood, der irgendwo in den Wolken zu schweben scheinende Keith Richards und Mick Jagger haben sich das offenbar zu Herzen genommen und direkt auf die Bühne übertragen. So werden «Ride’ Em Down» von Jimmy Reed und die Live-Premiere von «Hate To See You Go» von Little Walter zu frühen Highlight im Set. Schon nach vier Songs ist klar: die Band ist in bester Spiellaune und wenn Keith und Ron sich über eigene Fehler diebisch amüsieren können, beweist das nur, die Stones nehmen sich nicht mehr zu ernst, geniessen es auf der Bühne zu sein und die Musik steht im Vordergrund. Viele Klassiker sind natürlich im Set, von Opener «Sympathy For The Devil» über «Paint It Black» zu «Start Me Up» und «Gimme Shelter». Über das gesamte Set gesehen, ist im Spiel der Band schon generell mehr Ruhe zu hören, mehr Gelassenheit, aber doch noch die Seriosität von Profi-Musikern. 

 

Fotos: Bäckstage / © Patrick Holenstein

 

Bei den Stones ist die Bühne immer ein Thema. Langjährige Stones-Konzertgänger erinnern sich immer wieder an so spektakuläre Shows wie zu «Bridges To Babylon» Ende der 90er, als eine Brücke aus dem Innern der Bühne erschienen ist und den Weg zur B-Stage ermöglichte. Diese Zeiten sind vorbei, die Überraschung wäre in Zeiten von Youtube & Co. sowieso nicht mehr gross. Dafür ist die Band heute bestrebt, dem Zuschauer ein optimales Konzerterlebnis zu bieten. Die vier eindrücklichen Türme, die das Bühnenbild darstellen, erreichen das, verschwinden irgendwann scheinbar in den Visuals und verschmelzen zu einem Screen. Was daran liegen könnte, dass auch die Seitenleisten, ähnlich wie bei Smartphones, genutzt werden. Mit geschicktem Winkel arrangiert, erlauben die Türme zudem von allen Seiten ideale Sicht. So ist bei «Miss You» die neonfarbene Schriften gut zu sehen, wenn sie über die Wand schlingert. Den Kreativen aus der Visual-Werkstatt ist sowieso ein Lob auszusprechen, denn die vier Wände als Leinwand funktionieren bei dezenten Projektionen genauso wie bei quietsch-bunten Momenten und untermalen so jeden Song. Natürlich funktioniert das auch gekonnt bei «Like A Rolling Stone», dem Wunschsong der Zürcher - im Vorfeld konnte via App gewählt werden. Mick Jagger nutzt die Gelegenheit und bedankt sich bei Bob Dylan dafür, dass dieser den Song geschrieben habe. 

 

Sieben Musiker (Von Bass bis Keyboard und Backing Vocals) sind neben den vier Stones auf der Bühne und da sind Profis am Werk, denn der Sound ist satt und angenehm zu hören - auch was die Lautstärke angeht. Um noch einmal in die Vergangenheit zu reisen: früher wurde den Stones gelegentlich vorgeworfen, sie würden nicht live spielen. In Zürich ist das definitiv kein Thema. Alles ist live, was man gerade an nicht so optimal gespielten Passagen gut hört. Macht aber nichts, darf sogar sein, ist ja eben live. Die Stones beherrschen das noch immer meisterlich, auch nach 50 Jahren auf den Bühnen der Welt. Und wenn am Ende, nach «Jumpin’ Jack Flash» und den Raketen im Zürcher Nachthimmel, auf den Screens «Bis bald» steht, weiss man nicht so recht, ob damit die Rückkehr der Stones gemeint ist, oder einfach das nächste Konzert im Letzigrund. Eins ist sicher, ein Wunsch der Stones wurde in Zürich erfüllt. Am Tag vor dem Konzert hat uns Production Direktor Dale verraten, dass die Band Regen gar nicht mag. Im Letzigrund bleibt die Band trocken. 

 

Die Gelassenheit und die Selbstironie stehen den Rolling Stones ausgezeichnet. Das Konzert der «NoFilter»-Tour war um einiges besser als die Show vor drei Jahren. Damals gab es schon etwas desillusionierte Stimmen. Die Stones gehen Back to the Root, erinnern sich an die bluesigen Zeiten und begeistern in Zürich auch bei etwas kühleren Temperaturen. Schön, dass die Band noch so viel Spass an der Musik hat. 

 

Patrick Holenstein / Do, 21. Sep 2017