Boys on Pills: Wenn der Name zum Programm wird

Konzertkritik: Boys on Pills im Exil
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Wer sich für guten, klischeefernen Schweizer Rap interessiert, dem dürften Namen wie Chlyklass und Wurzel 5 schon länger ein Begriff sein. Das momentan wohl produktivste Mitglied beider Crews ist der Berner Rapper Baze. Dass sich seine Produktivität schon lange nicht mehr nur auf klassische Hip-Hop-Produktionen beschränkt, beweist er seit ein paar Jahren zusammen mit  Rap-Kollege Elwont. Denn der Name ist bei den Boys on Pills Programm: Ein pumpender, elektronisch geprängter Soundteppich und sehr, sehr viel Message in Form von Rap. Boys on Pills eben.

 

Ihre Konzerte im Zürcher Club Exil sind für die Berner mittlerweile so was wie ein Heimspiel. Im Stammpublikum des Clubs gibt es eine ganze Reihe von Leuten, die mit einer solchen Regelmässigkeit an BOP-Konzerte pilgern, dass man eigentlich von einer Fanbase sprechen müsste, wäre das nicht so schrecklich uncool. Also lassen wir das mal und nennen das Publikum so, wie es die Band auch nennt: liebi Mitmöönsche oder einfach Züri. 

 

DJ Anyrock hat zuvor noch ein Set für die Mitmenschen in Fribourg gespielt und kommt spät. So muss sich Züri eine ganze Weile die Zeit mit  sich selbst vertreiben. Aber an diesem Abend ist es entgegen allen Klischees geduldig und sehr entspannt und das kleine, schummrige Exil noch immer rammelvoll, als Anyrock gegen 1:30 mit einem Intro loslegt, das noch die Kellerwände zittern lässt. Die lieben Mitmenschen Zürichs zittern mit, aber vor Freude. Sie wissen, dass die BOP mit drei gemeinsamen Alben (Boys on Pills Vol 1-3) und diversen Soloprojekten genügend Tanz- und Feierbares für drei oder vier Konzerte geschaffen haben. Und die Boys schöpfen aus dem Vollen. Anyrock legt vor, Baze und Elwont rappen über Alltägliches, Nebensächliches, Irrsinniges. «Genial», sagt einer neben mir, «als hätten sie aus meinem Leben abgeschrieben» und drei oder vier andere nicken. Die stark Elektro-geprägten Beats funktionieren gerade live hervorragend mit den eigenwilligen Texten. Wohl auch aus Rücksicht auf die – ähem – Fanbase von Baze schiebt Anyrock aber hie und da auch wieder klassischere Hip-Hop Beats in sein Set ein. 

 

So treiben sie den Abend souverän vor sich her; sie rauchen, schwitzen (Baze trotz gefühlter 40 Grad Celsius ziemlich lange konsequent in Wollpulli und Hemd), heizen weiter an; reissen zwischen den Tracks hie und da einen Spruch. Züri freut sich, wirft die Hände in die Luft, kennt die besten Songtexte auswendig: «Aus het sich verändertet», «das isch Bärn». Veränderung, Stadt hin oder her: die Band nimmt sich Zeit. Routiniert, gut, herzhaft, bisschen Wohnzimmer-Atmosphäre, wie es sich für ein quasi Heimspiel eben gehört. Wer die Boys on Pills an diesem Abend zum ersten Mal live gesehen hat, hätte sich bei diesem Bandnamen vielleicht einen Hauch mehr Euphorie von Seiten der Band vorgestellt, aber, um die Kantönlikleingeist-Klischee-Keule doch noch ganz aus dem Sack zu lassen: die Jungs sind eben Berner. Die sind auch on Pills etwas stressfreier. Züri hat’s auf jeden Fall wieder mal gefreut. Ganz vereinzelt vernahm man gegen Ende des Konzerts Stimmen, das letzte BOP-Konzert im Exil sei noch besser gewesen, aber selbst wenn: Es war ja (hoffentlich) auch nicht das letzte. 

Daniel Meister / Di, 04. Mär 2014