AVA: Ein Schluck Wein für 6.5 Mitsinglieder
Am Freitag, 20. September 2019, war es soweit und die ostschweizerische Band AVA taufte ihre neue Extended Play (EP) in der Grabenhalle in St. Gallen. «Es ist unsere erste EP, nicht unsere neue», erklärt Nicola in der ersten Folge der Dokumentationsreihe zur Debüt-EP auf YouTube. «Unsere neue, erste EP», ergänzt Andi und Kim und Nicola werfen ihm einen vielsagenden Blick zu. Dann sind wir mal gespannt auf das Resultat.
Eine namenlose Taufe mit Wein
Der EP-Taufe voran ging ein einstündiges Konzertprogramm und Andis lange Danksagung. Bedankt hat sich die dreiköpfige Band bei allen erdenklichen Leuten: bei Familie, Freunden Verwandten, Bekannten, beim Publikum, der Grabenhalle und allen anderen für die Hilfe und Unterstützung auf der bisherigen AVA-Reise. Andi übergab Kim das Mikrofon. Korken wurden keine geknallt und auch die Champagnerdusche blieb aus. Dafür gab es eine Welle vom Publikum und einen guten Schluck vom AVA(vi)-Wein aus Mallorca. Einen Schluck über die EP, einen für Kim und ihre Band. Gefolgt von einer festen Umarmung und tosendem Applaus von allen, die sich für diesen speziellen Moment vor der Bühne versammelt haben. Doch wie heisst denn diese frisch getaufte EP eigentlich? Dies zu erwähnen, war wohl aufgrund des ganzen Adrenalins, der Aufregung und Vorfreude untergegangen, was wir der jungen Band jedoch gerne verzeihen. Die drei haben den Release im Vorfeld ausserordentlich gepusht, weshalb wir natürlich schon vor der Taufe wussten, dass die EP den Namen «Feel Them Listening» trägt.
Zu Beginn des Abends befanden sich vereinzelt Leute in der Location, jedoch noch lange nicht genug, um den Saal zu füllen. Die Bar war bereits in Betrieb und auch die Licht- und Tontechniker schienen für den bevorstehenden Konzertabend bereit zu sein. Eröffnet wurde die Show um 20.30 Uhr von Femi Luna, einer jungen Singer-Songwriterin aus Herisau AR. Angesagt wurde sie durch Moderatorin Anik. Hammer – die AVA’s haben sogar eine Moderation für den Abend! Das Publikum hielt einen Abstand von etwa drei Meter zur Bühne, liess sich aber dennoch von Femi in den Bann ziehen. Die Herisauerin mit niederländischen Wurzeln begleitete ihre Songs auf dem Klavier, auf der Ukulele und teilte sich die Bühne mit einem Schlagzeuger und Bassisten. Ihre Lieder sind voller Gefühl, Emotionen und mit ihrer kraftvollen Stimme treffen sie direkt ins Herz. Nach einer halben Stunde bedankte und verabschiedete sie sich, überliess die Bühne wiederum Anik, die eine Pause ansagte, auf ihre Socken deutete und somit auf den Merch am Eingang aufmerksam machte. Dieser bestand aus der frisch veröffentlichten EP, AVA Socken in rosa und weiss/schwarz und dem AVA-Bag.
In der Pause steuerten die meisten Besucher zur Bar oder zur Raucherpause nach draussen. Einige platzierten sich näher an der Bühne und als die Pause vorüber war, war die Halle besser gefüllt als zuvor. Es wurde dunkel im Saal, Nebel breitete sich auf der Bühne aus und die ersten Klänge erfüllten die Grabenhalle. Das Bühnenbild war simpel, aber ziemlich cool; sechs LED-Lichtleisten bildeten das Logo von AVA und leuchteten während des ganzen Konzerts in den verschiedensten Farben. Zwei Drittel von AVA tauchten während dem Intro auf der Bühne auf und nahmen das Schlagzeug und das Keyboard samt Synthesizer in Beschlag. Sängerin Kim erschien zuletzt und somit war die Elektropop-Band komplett. Sie stimmten den ersten Song «Home» an, der ebenfalls die erste Nummer auf der EP ist. Im Refrain heisst es «You should go home right now» (du solltest jetzt nach Hause gehen), aber zu jener Minute dachte niemand ans nach Hause gehen. Bei den ersten Akkorden wippten bereits einige Köpfe im Takt und die ersten Leute tanzten mit. Die überaus gute Laune auf der Bühne färbte innert wenigen Minuten auf das Publikum ab. Kim hüpfte in silbernem Oberteil von einem Ort zum anderen und lachte hin und wieder über ihre Schultern zu den Bandkollegen. Da grinste auch Andi an den Drums vom einen Ohr zum anderen und auch Nicola am Keyboard war die Freude ins Gesicht geschrieben.
Nach dem Lied hielt Kim eine kurze Ansprache, gefolgt von einem eher älteren Song – wie sie erklärt – und performte dann einen Song namens «Blossom», der auf der EP zu finden ist. Dieser Song sei einer ihrer ersten Lieder und bedeute ihnen sehr viel, verrät sie. Was sie damit meint, findet man auf ihrem Youtube-Kanal heraus: «Es gibt Menschen, die haben eigentlich sehr viel zu geben, aber sie können es nicht, weil sie zu wenig Kraft haben», erklärt sie in der zweiten Episode der EP-Dokumentation. AVA’s Keyboarder, Nicola, stellte vor allem bei diesem Stück seine vielfältigen Talente unter Beweis. Das Saxophon wurde gezückt, gespielt, wieder weggelegt und schon unterstützte er Kim mit Background-Gesang während er auf seinem Synthesizer die Tasten bediente.
Die Band ohne Gitarre und es fehlt nichts
Kim sagte nach dem Stück einige Worte zum darauf folgenden Song. Es war ein Cover der norwegischen Sängerin Sigrid. Die junge Sängerin spiele eine inspirierende Rolle für AVA, erklärt Kim, was der Grund ist, warum das Cover Teil der EP-Taufe sei: «Am heutigen Abend ist alles erlaubt und das nutzen wir aus». So erklang wieder ihre warme, kraftvolle Stimme in der Halle und das Publikum durfte weiter geniessen. Nach einem Applaus verkündete Kim Verstärkung und die Band begrüsste kurzerhand einen Gitarristen für die nächsten beiden Songs. Dass die Band normalerweise keinen Gitarristen hat, sei Absicht, erklärt Kim. «Aber heute ist ja alles erlaubt», lächelt die sympathische Brünette ins Publikum. Die Vielfältigkeit der EP-Taufe nahm kein Ende, denn nach dem Stück mit Gitarre holte Kim einen ihrer langjährigen Freunde auf die Bühne und performte mit ihm ein Duett. Nach einer Umarmung verschwand er wieder und AVA setzten das Set mit dem Song «Feel Them Listening» fort. Bei diesem Stück kam vor allem Schlagzeuger Andi auf seine Kosten, denn er lieferte ein beeindruckendes Solo. Das Publikum klatschte begeistert und Pfiffe erklangen in der Grabenhalle. Nach dieser Einlage war das Grinsen auf seinem Gesicht noch breiter.
Und dann kam der Moment, auf den das ganze Publikum, die Licht- und Tontechniker, die Leute hinter der Bar und an der Abendkasse, Familie und Freunde und allen voran Kim, Andi und Nicola schon längst gewartet haben: die Taufe. Die EP ist gefüllt mit 6.5 Songs – Intro zählt die Band als halben Song – die sich in der Grabenhalle als richtige Mitsinglieder erwiesen haben. Wie happy die drei waren, war deutlich zu erkennen. Nach einer Gruppenumarmung ging das Abendprogramm weiter.
Junge Musiker auf dem richtigen Weg
Auf der Setlist stand «Doubts» und somit auch ein eineinhalbminütiges Saxophon-Solo von Nicola. Kim stellte sich in der Zwischenzeit auf eine Seite der Bühne und tanzte voller Begeisterung mit. Andi begleitete ihn mit den passenden Drum Beats und natürlich seinem anhaltenden Grinsen. Kurz darauf griff Kim wieder zum Mikrofon, performte einen Matt Corby-Song und ein Stück, bei dem sie sich am Piano begleitet. In der Halle wurde es leiser und jeder im gefüllten Raum lauschte der gefühlsvollen Stimme der aufgestellten Sängerin. Kim verschwand danach und erschien kurz darauf nach ihren Bandkollegen und mit neuem Top auf der Bühne. Es war wieder Zeit, sich zu bewegen und mitzusingen, denn die drei Energiebündel zogen die Masse ein weiteres Mal in ihren Bann. Dass der Abend bald vorbei sein sollte, darauf wies nur der plötzliche Abgang hin. Doch was wäre eine Plattentaufe ohne Zugabe? Genau: unvollständig. So schnell, wie sie verschwunden waren, kamen AVA unter Pfiffen und Applaus wieder auf die Bühne und performten weitere zwei Songs. «Leider ist dies nun wirklich der letzte Song», verkündete Kim. Der letzte Song des überaus gelungenen Konzertabends ist auch der letzte Song auf der EP: «Unique». «Ein völliges Mitsinglied», wie Andi im dritten Teil der EP-Dokumentation erklärt. Die Zeile «I don’t wanna be unique» (ich will nicht einzigartig sein) wiederholt sich im Stück öfters und entpuppt sich als kleiner Ohrwurm. Kim ergänzt in der Dokumentation: «Man möchte selbstständig sein, etwas Individuelles, aber man möchte auch irgendwie dazu gehören. Da ist diese Schnittstelle zwischen «ein Teil davon sein» und «selbstständig sein und mein eigenes Ding machen» und sich dann dazwischen irgendwie wohl zu fühlen – das ist ein schwieriges Thema für die meisten Menschen. Wir mussten aber auch feststellen, dass man es einfach so machen sollte, wie man Lust hat und wie man es selbst für richtig hält.»
Grosse Worte für junge Künstler und der Abschluss einer gelungenen Releaseshow hätte besser nicht sein können.
Die drei jungen Künstler beweisen, dass sie alles haben, was eine Band braucht. Auch ohne Gitarre – oder genau deswegen – begeistern sie Jung und Alt und bleiben ihrem Stil treu. AVA sprüht vor Energie und Freude auf der Bühne, was schnell auf das Publikum abfärbt und ein Konzert zum Erlebnis macht.