Rock the Ring überzeugt auch mit der vierten Ausgabe

Festivalkritik: Rock the Ring 2017
Bildquelle: 
rockthering.ch

Zum vierten Mal wurde der Autobahnkreisel Betzholz in Hinwil vom 23. bis 25. Juni in ein Festivalgelände verwandelt. Am Freitag standen Nemo, Dabu Fantastic, Pegasus, Lo & Leduc und die Fantastischen Vier auf dem Programm. «Gerockt» wurde also nur am Samstag und Sonntag - dann aber dafür richtig. 

 

Der Samstag war dabei fest in Schweizer Händen; vier der sechs Bands stammten aus dem Land. Schweizerdeutsche Songtexte gab es dafür nur von Einheizer QL, die mit ihrem Mundart-Punkrock das Publikum in Feststimmung versetzten.  

Diesen Part übernahmen danach auch die Hardrocker von Crystal Ball. Das Publikum war jedoch noch nicht ganz auf der Höhe. Viermal erkundigte sich Sänger Steven Mageney, ob es den Zuschauern auch wirklich gut geht. Angesichts der laschen Reaktionen so verständlich wie nutzlos. An der Band kann es aber auf keinen Fall gelegen haben, die Musiker gaben ihr bestes und boten eine energiegeladene Show.

Auch Fiddlers Green konnte das Publikum noch nicht ganz wecken. Mit ihrem irirschen Folkrock wollten die Deutschen aber auch gar nicht so ins ansonsten Hardrock-lastige Programm passen. 

 

Krokus weckten das Publikum 

 

Erst bei Krokus war das Publikum vollkommen da - trotz Amp-Ausfällen (Überhitzung), die Chris von Rohr mit Witzen zu überbrücken versuchte. Die erfolgreiche Schweizer Truppe ist übrigens die erste Band, die bereits zum zweiten Mal auf der Rock the Ring-Bühne stand. Marc Storace sogar zum dritten Mal: 2015 war er als Moderator tätig. Diese Aufgabe teilten sich dieses Jahr (wie schon 2016) Max Gemperle und Divertimento-Star Manu Burkart. Und, wie man zuerst meinen sollte, ein glücklicher Zuschauer, der die nächste Band ansagen durfte. Was allerdings, wie man schnell merkte, in einen Heiratsantrag «ausartete». Geschickte Werbung für die nächste Rock the Ring-Ausgabe, an der man neuerdings auch heiraten kann? Die Tränen der glücklichen Bald-Braut waren jedenfalls echt. Und, werden wir noch ein bisschen kitschiger, nach dem Antrag kam tatsächlich die Sonne zum Vorschein. 

 

Krokus und Gotthard gehören ja irgendwie fast schon zusammen (besonders seit diesem Jahr, indem die beiden «Swiss Rock Monsters» zusammen auf Tour waren), und so war es keine Überraschung, dass auch die Rock the Ring-Veranstalter die beiden Bands gleich im Doppelpack gebucht hatten. Auch Gotthard, die live um einiges rockiger sind als auf Platte, lieferten eine grosse Show ab, und würdigten in «Heaven» ihren verstorbenen Sänger Steve Lee. 

 

Für Deep Purple, Headliner des Abends, wurde also mächtig vorgelegt, und die Erwartungen waren entsprechen hoch. Leider wurden sie enttäuscht. Sänger Ian Gillan - immerhin schon bald 72 Jahre alt - ist sichtlich kraftlos geworden, und das gilt auch für seine Stimme. Das ist natürlich verständlich, aber anstatt dem Umstand mit Backgroundsängern oder kleinen technischen Tricks entgegenzuwirken, hat man sich entschieden, eine viel zu starke Bassspur über alles zu legen. Was wirklich schade war, denn musikalisch wäre die Band stark gewesen, was die Soli an Gitarre und Hammond-Orgel bewiesen. Immerhin, die Briten schienen grosse Freude an ihrem Schaffen zu haben, und auch wenn Gillans Bewegungen sehr statisch schienen, das Lächeln verschwand fast nie von seinem Gesicht.

 

Die Überraschung: Bonnie Tyler 

 

Am Sonntag ging es sehr früh weiter. Zu früh für viele, die nach der Aftershowparty am Abend zuvor noch ihren Rausch ausschlafen mussten. So spielten Toni Vescoli, Danko Jones und auch noch die Black Star Riders vor sehr wenig Publikum, was etwas frustrierend sein muss für Künstler, die normalerweise mittelgrosse Hallen füllen. 

 

Die positivste Überraschung des ganzen Festivals kam mit der einzigen Frau, die an diesen drei Tagen auf der Bühne spielte: Bonnie Tyler. Wo andere Bands zu Beginn mit der Qualität haderten (der Tontechniker hatte wohl etwas Mühe), sass bei Frau Tyler bereits der erste Ton. Und so ging es auch weiter. Nicht nur musikalisch vermochte die Sängerin überzeugen, sondern auch mit Authentizität und Persönlichkeit. Zu jedem einzelnen Song erzählte sie eine kleine Anekdote, aber was bei anderen Interpreten irgendwann nervig und überflüssig wird, wirkte bei ihr enorm authentisch und unterhaltsam. Und sehr nahbar. Definitiv ein Highlight des Festivals, das sich übrigens auch Polizisten, Sanitäter und Verkehrskadetten nicht entgehen lassen konnten, die sonst bei keinem Act so zahlreich vor der Bühne standen. 

 

Gegen einen solchen Auftritt ist es natürlich schwer, anzukommen. Cheap Trick, ebenfalls Rock-Urgesteine, schienen es aber noch nicht einmal versuchen zu wollen. Nachdem sie das Publikum nach der Ansage durch das Moderations-Team noch eine ganze Weile warten liessen, und danach eher lustlos zu spielen begannen, sank die Stimmung im Publikum rapide. Der fehlende Augenkontakt durch Hüte und Sonnenbrillen half auch nicht gerade. Nach einem Outfitwechsel und dem Hit «I Want You to Want Me» gegen Ende wurde es ein bisschen besser, trotzdem: Prädikat langweilig. 

 

Zum Glück hat man als Sonntags-Headliner John Fogerty verpflichtet, der den Abend zu retten vermochte. Um daran zu erinnern, wer denn der Herr überhaupt ist, wurde im Vorfeld Material seiner Band Creedence Clearwater Revival auf Video gezeigt. Deren Hits wurden dann von ihm auch gespielt. Zwar nicht mit dem Rest der originalen Band, schliesslich hat man sich 1972 schon aufgelöst, dafür aber mit einer talentierten Band, inklusive seinem Sohn Shane (Jahrgang 1991) an der Gitarre, der definitiv das Talent seines Vaters geerbt und die 70er im Blut hat. Was sowohl an der Kleidung als auch an seinen Moves zu sehen war. Die Duette, die Vater und Sohn an der Gitarre schmetterten, waren einfach grossartig. Auch Bonnie Tyler, eine gute Freundin von John Fogerty, schaute vom Bühnenrand zu, und kam für einen gemeinsamen Song auch nochmals auf die Bühne. Es war «Have You Ever Seen the Rain» und - kein Witz - da rissen die Wolken auf, und die Sonne gab noch einmal alles. 

 

Wieder einmal wurde das Rock the Ring-Festival ein voller Erfolg. Wenn das mit dem Line-Up so weiter geht, kann man bald schon unbesorgt die Tickets fürs nächste Jahr kaufen. 

 

 

 

 

Seraina Schöpfer / Do, 29. Jun 2017