Rock am See: 23'000 trugen die goldene Kugel zu Grabe

Festivalkritik: Rock am See@Konstanz
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bäckstage.ch / © Dominique Rais

Ein schöneres Ende hätte der Sommer am diesjährigen Rock am See wohl nicht nehmen können. Mit viel Sonne und einem grandiosen Line-up ging vergangenen Samstag der Festival-Sommer 2013 zu Ende. Rund 23.000 Musikbegeisterte enterten das Bodenseestadion und zeigten sich vom Programm begeistert.

 

Broilers haben goldene Kugel zu Grabe getragen

  

«Heute tragen wir die goldene Kugel und die Sonne zu Grabe - hier in Konstanz!», begrüsste Broilers-Frontmann Sammy Amara am späten Nachmittag das zahlreich erschienene Publikum im Bodenseestadion. «Tanzt du noch einmal mit mir?», sang Amara. Die Menge liess sogleich Taten sprechen und pogte als ginge es um ihr Leben. Wie selbstverständlich wurde bei Songs wie «Alles geht weiter», «Wie weit wir gehen» und «Harter Weg» lautstark mitgegrölt. Von der Sonne angestachelt tanzte die Menge als gäbe es kein Morgen mehr.

 

Auch am späteren Nachmittag wollt der Ansturm der feierwütigen Musikbegeisterten nicht abreissen. «Gestern London, heute Konstanz, morgen Bristol», kündigte sich die schottische Band Primal Scream an. Sänger Bobby Gillespie brachte eine Mischung aus Psychedelic-Rock und Dance auf die «Rock am See»-Bühne. Vielen war die Band gänzlich unbekannt, erst mit Liedern wie «It’s Alright It’s Ok» und «Country Girl» kam dann doch noch der Aha-Effekt. Trotzdem blieb der Geheimtipp aus Schottland für den Grossteil der Rock-am-Seeler vorerst eine grossartige Unbekannte.

  

 The Hives gingen baden

 

Ganz anders hingegen erging es dem Publikum mit der nächsten Band – das Publikum wusste, was es erwartete: The Hives. Die schwedische Alternativ-Rock-Band wurde 2006 vom Spin Magazin zur «Best Live Band In The Word» gekürt – zu Recht. In schwarzen, massgeschneiderten Anzügen mit weissen Stickereien betrat die fünfköpfige Band bei Sonnenuntergang die Bühne und sorgte für eine schweisstreibende Show.

 

 

Für Bombenstimmung sorgten The Hives mit ihrem Hit «Tick Tick Boom». Doch die Band erntete nicht nur für ihre grandiose Bühnenpräsenz Beifall, sondern auch für die Deutschkenntnisse von Sänger Per Almqvist. Ein Bad in der Menge? Per Almqvist und Lead-Gitarrist Nicholaus Arson, mit Mikrofon und E-Gitarre bewaffnet, zeigten wie es gemacht wird. Nach gut einer Stunde verabschiedete sich die Gute-Laune-Kanone aus Schweden vom Publikum: «Danke dir, meine Schätze!»

 

 Die Toten Hosen hatten einen Schaden

 

«Das Beste zum Schluss», war der Tenor von vielen. Gemeint waren die Alt-Rocker aus Düsseldorf von den Toten Hosen. Mit «Ballast der Republik» pfiff Campino zur ersten Halbzeit. Gefolgt von «Altes Fieber», das vom Publikum sogleich mit ganzem Herzen mitgesungen wurde. «Sind auch Schweizer hier?» Mit einem Zwinkern begrüsste Campino die Eidgenossen mit «Auswärtsspiel“. Für die Hosen war das «Rock am See»-Festival das Ende einer fast zweijährigen ununterbrochenen Tour.

 

Deutsche Rock-Musik vom Feinsten und Festivalstimmung pur kam mit «Das ist der Moment», «Alles was war» und «Bonnie and Clyde» auf. Wobei Schlagzeuger Vom Ritchie bei Letzterem sein Instrument so energisch bearbeitete, dass er sich kurzerhand durch seine Drums schlug. Der Schaden war aber schnell behoben. Für Lagerfeuerstimmung sorgte hingegen «Heute hier, morgen dort» und brachte ein ganzes Stadion zum Singen.

  

«Eine Band aus der vielleicht mal noch was werden kann»

 

Doch was wäre ein Hosen-Konzert ohne Pyros? – Undenkbar. So gleich wurde das Stadion in eine Wolke aus rotem Rauch getaucht und Campino eröffnete «Schrei nach Liebe» mit den Worten: «Ein Lied von einer Band, aus der vielleicht mal noch was werden kann.» Seine ganz persönliche Art und Weise über die Zwistigkeiten zwischen Den Toten Hosen und den Ärzten in der Vergangenheit zu scherzen.

 

«Steh auf wenn du am Boden bist» widmeten die Hosen daraufhin dem Konstanzer Fussball Club, dessen Erfolgquote sich wohl am ehesten mit unterirdisch beschreiben lässt. Trotz der klaren Ansage hatte Campino stets die Lacher auf seiner Seite. Mit «Hier kommt Alex» und einem rot-weissen Schnipsel-Regen zu «Tage wie diese» ging die erste Halbzeit zu Ende.

 

«Ich kann’s besser!» 

 

Über die vergangenen 30 Jahre hinweg und mit 15 veröffentlichten Studio-Alben hat sich sehr viel Songmaterial angesammelt, sodass aus einem stattlichen Katalog ausgewählt werden konnte. Unter anderem fanden Songs wie «Alles aus Liebe» und, wie Campino meint, das äussert komplexe Lied «Eisgekühlter Bommerlunder» ihren Weg auf die Setliste. Nicht minder hochwertig war auch die Zugabe «10 kleine Jägermeister» in der ersten Hälfte der Verlängerung.

 

Zuvor strauchelte Campino jedoch und kam nach nur ein paar Takten aus «Paradies» zu Fall. Grund dafür, ein übergrosses Plakat auf dem die Worte «Ich kann’s besser!» prangerten. Entschlossen rief der Frontmann zum Zweikampf auf und holte die junge Schweizerin Pascale zu sich auf die Bühne. Sie bewies sich im Duell als durchaus textsicher, was von Campino mit einem Kuss honoriert wurde. Nach zehn Stunden und sieben Bands beendeten die Hosen das 28. Rock am See mit der inofiziellen Fussballhymne des FC Liverpool «You’ll never walk alone» und liessen ein elektrisiertes Publikum zurück.

 

Bilder: Bäckstage.ch © Dominique Rais / Text: Dominique Rais und Alexandra Leu

Dominique Rais / So, 22. Sep 2013