Die begrenzte Freiheit

Filmkritik: Die Wand
Bildquelle: 
www.filmcoopi.ch

Der Roman «Die Wand» von Marlen Haushofer galt lange Zeit als unverfilmbar. Dies liegt zum einen am schwer vorführbaren Innenleben der Protagonistin und zum anderen an den hohen Ansprüchen an die Natur- und Tierwelt. Regisseur und Drehbuchautor Roman Pölsler («Anna und der Prinz», «Polterabend») - bereits seit 25 Jahren von Haushofers Bestseller fasziniert – bringt die abenteuerliche Geschichte einer einsamen Frau in den Bergen Österreichs nun in die Kinos.

 

 Bild 1 + 2: Die Hauptfigur und ihr treuer Begleiter «Luchs». (Mit Maus über Bild fahren)

 

Eine im Film namentliche nicht genannte Frau (Martina Gedeck, «Das Leben der Anderen», «Der Baader Meinhof Komplex») schreibt in einer Berghütte ihre Memoiren nieder. Diese handeln aber nicht von Beziehungen zu Mitmenschen oder beruflichen Erfolgen, sondern erzählen vom täglichen Überlebenskampf in der Natur. Vor Jahren kam die Frau in Begleitung eines älteren Ehepaares in die Berghütte. Nachdem das Paar nicht wie vereinbart am nächsten Tag wieder in die Hütte zurückkehrte, begab sich die Frau auf den Weg ins Dorf, um nach ihnen zu suchen. Sie stiess dabei auf eine unsichtbare Wand, welche sie zwang zurück zur Hütte zu gehen. Im neuen, begrenzten Lebensraum musste die Frau schliesslich lernen für sich selbst und den Hund des Paares - Luchs - zu sorgen. Die innere und äussere Anpassung an die neuen Begebenheiten verläuft dabei schleichend und mit der Zeit freundet sich die Frau nicht nur mit Luchs und einer Katze sowie einer Kuh an, sondern findet in der räumlichen Begrenzung eine innere Ruhe und Freiheit, welche sie in der Zivilisation nie finden konnte.

 

Die Wandlung im Zentrum 

 

Die Berge und Wälder Oberösterreichs in allen vier Jahreszeiten bieten eine malerische Kulisse für Martina Gedecks starke One-Woman-Show. Begleitet von philosophischen Abhandlungen aus dem Off, durch welche wir die innere Veränderung der namenlosen Protagonistin mitverfolgen können, sehen wir in beindruckenden Bildern, welchen Strapazen und Mühen das Überleben fernab der gewohnten Lebensart fordert. Parallelen zu Robinson Crusoe werden dabei deutlich, wenn die Frau jagen geht, Heu erntet, Kartoffeln anbaut und in Luchs ihren Freitag findet. Die Wandlung von der Grossstadtdame zur hart anpackenden Selbsternährerin nimmt man Gedeck zweifelslos ab.

 

 Bild 1: Die Schönheit der österreichischen Kulissen sind ein Teil des Films… (Bild 2) … der andere ist die Darstellung von Martina Gedeck. 

 

Der einst gefährliche und bedrohlich wirkende Wald gewinnt, aufgrund der sich verändernden Wahrnehmung der Frau, an Friedlichkeit und entwickelt  sich mit der Zeit zu einem gemütlichen und sicheren Lebensraum. Die Wand ist zwar omnipräsent, aber zugleich auch schnell vergessen in Pölslers Adaption. Den Schwerpunkt legt der Filmemacher auf den Prozess der Wandlung und Akzeptanz inmitten eines mystischen Spielplatzes. Der Mix aus Natur- und Tierfilm, Suspense-Thriller und Philosophiestunde kommt überraschend harmonisch daher und bietet eine interessante Abwechslung zur gebräuchlichen Lektüre während der kalten Jahreszeit. Ein Märchen für Erwachsene sozusagen.

 

  • Die Wand (DE/ AU 2012)
  • Regie & Drehbuch: Julian Roman Pölsler
  • Besetzung: Martina Gedeck
  • Buchvorlage: Marlen Haushofer
  • Dauer: 108 Minuten
  • Ab dem 3. Januar 2013 im Kino.

 

Tanja Lipak / Mi, 02. Jan 2013