Das Leben im Hochhaus

Movie-Kritik: High-Rise
Bildquelle: 
© DCM Film Distribution GmbH. All Rights Reserved.

«High-Rise» spielt in einem luxuriösen Hochhaus in den 70er-Jahren. Dr. Robert Laing (Tom Hiddleston) zieht nach dem Tod seiner Mutter in das Wohnhaus. Er beginnt eine Beziehung mit der alleinerziehenden Charlotte (Sienna Miller) und freundet sich mit Richard Wilder (Luke Evans) und seiner hochschwangeren Frau Helen (Elisabeth Moss) an, die in den unteren Stockwerken wohnen. Generell sind die Menschen nach Schichten getrennt: Oben wohnen die reicheren, unten die ärmeren. Das Leben der Menschen im Wohnblock beschränkt sich immer mehr auf das Hochhaus, das von Architekt Royal (Jeremy Irons) entworfen wurde, welcher selbst zuoberst im Wolkenkratzer wohnt. Die Diskrepanz im Lebensstil zwischen den Stockwerken zeigt sich und führt schliesslich zu anarchischen Ausschreitungen.

 

Die Geschichte des Hochhauses, das den Schutz eines Heims bietet, aber auch zum Gefängnis wird, wurde ursprünglich vom englischen Schriftsteller James Graham Ballard 1975 herausgegeben. Es handelt sich um eine surreale, auf das Hochhaus beschränkte Utopie, in der das Gebäude die Grenzen der darin wohnenden Menschen darstellt. Neben offensichtlicher Gesellschaftskritik – die wohlhabenderen, kinderlosen Leute wohnen weiter oben als die ärmere Mehrheit – beschreibt der Film auch universell menschliche Eigenschaften, die sich durch die Bewohner aller Stockwerke durchziehen: Die Verwendung von Genussmitteln und Exzess generell, um Problemen zu entfliehen, körperliche Lust und existentielle Ängste.

 

Ästhetische Bilder zeichnen den Film aus. (© DCM Film Distribution GmbH. All Rights Reserved.)

 

Neuankömmling Laing braucht einen Moment, um sich an das Leben im Wohnhaus zu gewöhnen. Wie der Zuschauer auch fühlt er von Beginn an, dass etwas mit dem Ort nicht ganz stimmt, erkennt aber gleichzeitig – ob bewusst oder unbewusst – dass die Triebe, welche die restlichen Bewohner motivieren, auch in ihm selbst zu finden sind. Er bleibt keineswegs von den Konsequenzen des Lebens im Gebäude verschont. Das Hochhaus steht als Allegorie für die moderne Gesellschaft, die noch heute grösstenteils aufgeht. Das einzige Mittel, die Grenzen innerhalb des Hochhauses zu transzendieren, ist am Ende die Waffe, die als eine Art göttlicher – oder teuflischer – Schlüssel gepriesen wird.

 

Chaos auf spannende Art

 

Die Gesellschaftskritik, welche im Film vorgenommen wird, regt zum Nachdenken an. Dabei sind genug verwirrende Elemente gestreut, dass einen die Geschichte auch nach Verlassen des Kinos nicht ganz loslässt. Teils wirken diese Elemente aber auch verwirrend, scheinbar ohne Sinn zu machen, oder den Plot in irgendeiner Weise zu lenken. Das führt dazu, dass man als Zuschauer nicht knapp zwei Stunden lang an der Leinwand klebt, sondern immer wieder abschweift und auf negative Weise überwältigt ist. Die exzellenten Schauspielleistungen von Hiddleston (Loki in «Thor»), Irons, Miller, Moss und speziell Evans holen einen dann für gewöhnlich wieder zurück auf den unebenen Boden des Films. Die dargestellte Umwelt und die Bilder überzeugen ebenfalls, die Filmmusik ist auf ungewöhnliche Weise umgesetzt. Sie unterstreicht mal Ordnung, mal Chaos auf spannende Art.

 

Zwischen den Welten. Wo gehört der Doktor hin? (© DCM Film Distribution GmbH. All Rights Reserved.)

 

Ein weiterer Grund, weshalb sich der Film etwas lange anfühlt ist, dass sich die Figur von Hiddleston nicht gross entwickelt. Tatsächlich bleibt er ganz der gleiche und nimmt nur sehr selten sein Schicksal in die Hand. Als passive Figur ist er nicht sehr interessant, weshalb es einen auch nicht wirklich kümmert, was mit ihm geschieht.

 

Wie in einigen anderen Filmen (z.B. John Wick) stört aber auch hier, dass der Anfang das Ende der Geschichte vorweg nimmt, nur um fast am selben Punkt aufzuhören. Der Effekt ist bestenfalls fragwürdig und trägt zum Verständnis der Geschichte und der Stimmung wenig bei.

 

Obwohl der Film auf die Länge anstrengend werden kann, wird man zum Nachdenken angeregt. Eine mutig umgesetzte Geschichte!

 

  • High-Rise (UK 2015)   
  • Regie: Ben Wheatley 
  • Darsteller: Tom Hiddleston, Jeremy Irons, Sienna Miller, Luke Evans 
  • Laufzeit: ca. 112 Minuten
  • Kinostart: 30. Juni 2016

 

Jonas Stetter / Fr, 01. Jul 2016