Neue Systeme, echte Pornos und klare Gewinner

Festivalbericht: Shnit 2015
Bildquelle: 
Bäckstage / © Tanja Lipak

Der Herbstbeginn stimmt viele Berner melancholisch. Insbesondere dieses Jahr nach einem legendären Aare-Sommer. Doch wie alles besitzt auch der Herbstanfang seine gute Seite: Die Bärenstadt ist einmal mehr Austragungsstätte des internationalen Kurzfilmfestivals shnit. Die Organisatoren hatten zwecks der 13ten Ausgabe einige Überraschungen parat. So gab es ein überarbeitetes Reservierungssystem, welches ohne Probleme und Störungen funktionierte. Die nervende Rosine kam hier mal nicht von der Technik, sondern von den Veranstaltern selbst: Lediglich 4 Blöcke konnte ein Festivalspassbesitzer pro Tag buchen. 6 Blöcke wären die normale, verdaubare Menge. An diese Grundversorgung kamen zum Glück alle technisch visierten Besucher durch einen kleinen Mogeltrick heran.

 

 

Neu war dieses Jahr auch das Brunch-System. Endloses Schlangestehen war gestern. Im Progr erfreuten sich die Besucher eines Brunch-Pakets (Bild oben). Lediglich für den Kaffee musste man dann doch den Schlange-Ansteh-Tod sterben. Aber wahre Kaffeejunkies holten sich ihre Dosis sowieso vor dem Eintritt in die Progr-Aula. Ebenfalls erfreulich war dieses Jahr das neue Bewertungssystem. Alle Filme im Wettbewerb kämpften neben dem Jury-Preis auch um den Publikumspreis.  Die Stimme gab man neu nur für einen Film pro Block ab, was das Ganze einfacher machte. Wobei hier fairerweise auch erwähnt werden muss, dass es einfach gewesen wäre, einen Gewinner hervorzumanipulieren, wenn die paar guten Filme mit jeweils schlechteren in einem Block vermischt worden wären. Doch dem war nicht so. Dies bewiesen Block Nr. 2 & Block Nr. 9, die mit guten Fillmen grösszügig bedacht wurden. Aus dem üblichen Rahmen platzte dieses Jahr auch das Peeping-Shnit Programm. Bekannt für seine erotischen (nicht pornographischen) Filme, zieht der Spezialblock Jahr für Jahr die ganze Ausgangsmeute um Mitternacht in die Kinosäle. Doch dieses Jahr war Peeping wortwörtlich Programm, es wurden 2 echte Pornos gezeigt, was dem einen oder anderen Besucher kurzfristig vor die Ratslosigkeit stellte, die sich rasch in breites Grinsen verwandelte. Beide Filme stammten aus der «Feder» von Erika Lust, die -  so zeigt es Google – bekannt ist für ihre anspruchsvolle Filmkunst.

 

 

 

Der Inhalt von Peeping-Shnit machte in Bern kurzerhand die Runde und so waren die Schlangen extatisch lang. Dies wiederum führte dazu, dass einige Besucher das 2-Reihenprinzip (im Bild oben) pragmatisch in Frage stellen mussten. Wäre es nicht logischer, wenn die Einteilung in eine Reihe mit Einzeltickets und reservierten Pässeplätzen (garantierte Sitzplätze für beide Besuchergruppen) und in eine Reihe mit Pässen ohne Reservation (kein garantierter Sitzplatz, Einlass falls Plätze von anderer Gruppe noch nicht ausgeschöpft) aufgegleist wäre? Kommen wir nun aber zum eigentlichen Herzstück des Festivals, sprich den Wettbewerbsfilmen. Diese waren grösstenteils eher pessimistischer Natur, was sich mit den Langspielfilmen des ZFF deckte. So war es keine Überraschung, konnte der fröhliche, lustige und sehr pointierte Beziehungsfilm «Love is blind» in der Kategorie «bis  10 Minuten» punkten. In der Mitte, also «bis 20 Minuten», gewann der Animationsstreifen «Yul et le serpent» über einen Jungen und dessen Freundschaft mit einer Schlange unter dem altbekannten Motto «Das Hirn ist stärker, als alle Muskeln zusammen». Der «Long John», für «bis 40 Minuten», ging schliesslich an «Alles wird gut», ein Familiendrama, in dem der Vater versucht, seine ahnungslose Tochter nach Indonesien zu entführen. Den Publikumspreis holte sich «Reality +», ein französischer Sci-Fi-Streifen der unsere Oberflächlichkeit in Frage stellt. Neben den Gewinnern sind noch folgende 3 Filme äusserst erwähnungswert:

 

  • «Herman the German» für seine Schnitzeltorte (www.schnitzeltorte .com)

  • «A trunk full of carrots» für seine David-Lynch-Hommage 

  • «Coffee To Go» für seine bitter-bitter-bittersüsse Pointe (Taschentücher!)

 

Tanja Lipak / So, 25. Okt 2015