Ueli Schmezer: Man müsste es ja besser als Matter können.

Interview mit Ueli Schmezer (Matter Live)
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Bäckstage / © Patrick Holenstein

Schlieren liegt in der Agglomeration von Zürich und hat sich im September zehn Tage Stadtfäscht geschenkt. Für das musikalische Programm waren, neben vielen Acts aus allen Genres, auch «Matter Live» gebucht. Hinter dem Projekt stehen Ueli Schmezer, der nebenbei als Moderator der Sendung «Kassensturz» bekannt ist, und drei Musikerkollegen. Wir haben Ueli Schmezer und die Band kurz beim Znacht stören dürfen und konnten Schmezer ein paar Fragen zu «Matter Live» stellen.  Die Band beschäftigt sich ausgiebig und sehr liebevoll mit dem Material, das der Berner Songwriter Mani Matter geschaffen hat, und versucht neue Facetten zu entdecken. Mani Matter ist 1972 bei einem Autounfall gestorben und bis heute ist er in der Schweiz ein sehr beliebter Künstler und seine Songs gelten als Kulturgut. Wir wollten wissen, wie vorsichtig man sich als Musiker mit den Liedern, die in der Schweiz so hochangesehen sind, beschäftigt, und was Ueli Schmezer für eine Beziehung zu Matter hat. 

 

Mani Matter ist in der Schweiz doch sehr bekannt. Hatten sie Berührungsängste, als Sie das Projekt «Matter Live» starteten?

Wir sind natürlich mit sehr grossem Respekt an die Sache gegangen, weil viele Leute die  Sachen kennen und finden «Mani Matter hat das so gemacht, wie er es wollte, und eigentlich ist das ok». Diese Meinung finde ich absolut legitim. Wir haben uns aber trotzdem gedacht, und das sagen wir jeweils sehr deutlich, dass musikalisch mehr drin liegen würde, als er daraus gemacht hat. Vielleicht hätte er mit der Zeit ja auch noch mehr daraus gemacht. Wir versuchen jeweils ein wenig herauszuspüren, wohin die Reise musikalisch geht. Aber wir respektieren total, wenn jemand findet, dass Matter, wie er ist, in seiner minimalistischen Version, genial sei. Das ist natürlich auch so. 

Wie schwierig war es denn für Sie, die Interpretation zu finden, die zu «Matter Live» passt?

Es hat Songs gegeben, bei denen es sehr einfach war, weil man es sehr schnell spürt. Man merkt, ob es in Richtung Ländler geht oder dass es beispielsweise eine Gypsy-Geschichte werden wird. Aber es gibt auch Songs, die wir Jahre mit uns «herumgetragen» haben und nicht wussten, was daraus wird. Natürlich probiert man dann herum und wir haben viele Versionen verworfen, weil wir fanden, dass sie nicht den Songs entsprachen und den Geist nicht erfassen konnten. Aber nach ein paar Jahren hat es plötzlich klick gemacht und wir wussten: «Genau so machen wir es.»

 

Die Texte von Mani Matter sind ziemlich genau vorgegeben und dort lässt sich kaum etwas ändern. Wie schwierig ist es als Künstler, sich an diese Texte zu halten? Und daran gekoppelt, wie schwierig ist es, diese Texte auswendig zu lernen?

(Gelächter am Tisch) Das ist eine sehr fiese Frage. Natürlich ist Matter enorm «textlastig». Aber ich habe jeweils ein Buch mit den Texten dabei. Ich finde es blöd, wenn ich rausfallen würde, weil der Text plötzlich weg ist. Das wäre idiotisch und ich stehe dazu. Es ist auch für jeden sichtbar, dass ich die Texte dabei habe. In der Regel brauche ich sie nicht, aber ich habe jeweils ein Ringbuch dabei. Das hat auch den Vorteil, dass wir das Repertoire variieren können und mal kurzfristig einen Song nach vorne nehmen oder  nach hinten schieben können, wenn es passt. Aber, und das ist extrem wichtig: Es wird kein Satz, es wird keine Silbe verändert. Weil das erstens jenseits und zweitens völlig unnötig wäre. Man müsste es dann ja besser als Mani Matter können und da gibt es wahrscheinlich nicht viele, die Matter verbessern könnten. 

Was für eine Bedeutung hat Mani Matter für Sie persönlich? 

Ich habe wie einen persönlichen Zugang zur ganzen Geschichte. Mani Matter war ein sehr guter Freund meines Vaters. Aber das war nicht der Beweggrund, sondern nur eine Rahmengeschichte. Es waren sehr viele Zufälle, die zu «Matter Live» geführt haben. Es hat mit dem 30. Todestag von Mani Matter zu tun. Damals hatten wir in Bern Veranstaltungen und ich war im Organisationskomitee. So habe ich die drei Typen kennengelernt, die selbst auch eine sehr gute Band haben, und so haben wir uns zusammen getan. Ich habe Mani Matter auch 1:1 als kleiner Bub erlebt. Ich war dann noch sehr klein, habe aber noch immer ein Bild von ihm in mir. 

 

Haben Sie einen Lieblingssong von Mani Matter?

Im Moment ist mein Lieblingssong «Dene wos guet geit». Für mich passt es zum ganzen Elend der jetzigen Welt, inklusive der Flüchtlingstragik, die wir aktuell erleben. Alle schauen mit grossen Augen zu und probieren irgendwelche Rezepte, aber keiner weiss, was man machen soll. Trotzdem tun alle so, als ob sie wüssten, was zu tun ist. Dabei sind wir ehrlich gesagt alle hilflos. Und das hat etwas mit dem Reichtum dieser Welt zu tun und es hat auch mit Krieg zu tun. Matter hat geschrieben: «dene wos guet geit, giengs besser, giengs dene besser, wos weniger guet geit, was aber nid geit, ohni dass es dene weniger guet geit, wos guet geit». Absoluter Hammer und darum ist das im Moment mein Lieblingslied. 

 

Wir sind hier am Schlierefäscht. Was verbinden Sie mit Schlieren?

Ich weiss jetzt den Namen nicht mehr, aber hier gab es einen sehr berühmten Musikladen. «Musik Burkhart»? Das könnte sein. Der war jedenfalls sehr gross und hatte ein riesiges Gitarrensortiment. Somit habe ich in Schlieren meine allererste elektrische Gitarre gekauft. Viel gebraucht habe ich sie zwar nicht, das gebe ich ehrlich zu. Und sonst sehe ich den Bahnhof natürlich jeweils, wenn ich mit dem Zug in Richtung des beliebten Farbfernsehens fahre, wo ich dann meiner Arbeit nachgehe. 

 

 

Patrick Holenstein / Fr, 25. Sep 2015