Sogar unsere Gitarren bekamen im Flugzeug Sitzplätze

Interview: Dry the River
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Dry the River on Facebook

 Ihr habt dieses Jahr schon eine grosse Festivaltour hinter euch gebracht und noch viele Auftritte warten. Hat der Gurten eine spezielle Bedeutung für euch?Peter: Wir haben bislang erst einmal in der Schweiz gespielt. Damals sind wir nur hingefahren, haben den Auftritt gemacht und sind gleich wieder abgereist. Dies ist das erste Mal, dass wir die Schweiz richtig erleben. Beim Anflug auf Bern hatten wir schon eine herrliche Aussicht auf die Stadt.Scott: Sie haben uns über die Hügel auf den Gurten gefahren. Wir konnten kaum glauben, was wir sahen. Die schönen Berge…P: Ja, die Festival-Besucher haben echt Glück – sie kommen morgens aus dem Zelt und haben diesen fantastischen Ausblick! S: Obschon die Wettervorhersage schlecht war, sieht es jetzt trotzdem nach Sonnenschein und blauem Himmel aus.
Stimmt. Gestern spielte das Wetter ziemlich verrückt. Ihr habt also den perfekten Tag ausgewählt, um hier zu spielen. S&P (grinsend): Wir haben euch das super Wetter gebracht!
Genau. Lasst es bitte hier, wenn ihr wieder geht. Ihr habt sicherlich schon die Aare unten gesehen? Da ihr ja den Ausblick so schätzt, habt ihr euch schon überlegt, euren Namen in «Dry the Aare» zu ändern?P: Das wäre cool! Meine Mutter hat mir gemailt, dass sie drei Jahre lang in Bern gewohnt hat. Darum habe ich ihr eine von diesen Gratis-Postkarten geschickt, die man bei den Kaffee-Zelten bekommt.

 

 

Peter: Die anderen haben mich aus der WG geschmissen.

 

 

Was gefällt euch sonst noch an der Schweiz? Ausser, dass ihr hier keine Probleme hattet, euren Drummer zu importieren - also keine Visaprobleme und so. (Anm. d. Red.: Die Band musste in den USA einmal einige Konzerte ohne Drummer spielen, da dieser aus oben genannten Gründen nicht einreisen durfte.)S: Richtig, zum Glück hatten wir dieses Mal keine Visa-Probleme. In der Schweiz scheint alles sehr gut organisiert zu sein. Nur schon das Aus-dem-Flieger-steigen und die Fahrt zum Festivalgelände liefen wie am Schnürchen.

P: Die SkyWork Airline war unglaublich! Während des Fluges bekamen alle ein Ipad, um zu spielen, ganz zu Schweigen von den Süssigkeiten, die sie dir beim Verlassen des Flugzeuges in die Hand drücken. Sogar unsere Gitarren erhielten eigene Sitze, das war grossartig! Wir sind beeindruckt.
Die Kombination eurer Instrumente ist ungewöhnlich. Wer ist der Boss, wenn es um Musik geht?
(Scott deutet sofort auf Peter) P: Ursprünglich hatte ich ein paar akustische Songs geschrieben und wollte nur, dass ein paar Jungs zusammen kommen, um Musik zu machen. Diese Jungs waren jedoch zuvor alle in Punk- & Metalbands. Darum musste ich ziemlich kämpfen, dass sie ruhiger spielten. Nach einer Weile merkten wir, dass sich das falsch anfühlte. Wir zwangen uns eine Folkband zu sein, obwohl wir von Natur aus nicht diese Art von Musiker sind. Daraufhin haben alle begonnen, ihre Ideen und Interessen einzubringen. Die Band bekam mehr Gewicht. Mittlerweile sind wir musikalisch in der Mitte zwischen Folk und Rockcore beheimatet.
Und in eurer WG, bist du dort auch der Boss?(lachen beide) P: Wir wohnen nicht mehr zusammen. Die Jungs haben mich rausgeworfen. Ich war zu sehr Boss.

 

 

Scott: In den Lyrics sind verborgene Bedeutungen, die nicht einmal wir kennen.

 


Was auch immer man über euer Album «Shallow Bed» liest, ihr erwähnt oft, dass ihr KEINE Folkband seid. Ist es nicht beesser, eine Folkband zu sein als eine weitere Indie-Rockband?P: Es ist nicht, dass wir keine Folk-Band sind. Wir sind eben nur auch eine Rockband. Der Begriff Folk ist zwar eine angemessene Beschreibung, aber widerspiegelt nicht das genaue Bild. Unsere Songs haben sicherlich einige folkige Passagen.

S: Wir mögen es nicht, wenn wir in die Kategorie der «sissy-soft» Folkbands eingeordnet werden – nicht, dass mit diesen Bands etwas falsch wäre. (schallendes Gelächter) Aber wir haben auf der Bühne schon Momente, in denen wir umher springen und schreien. Wir wollen verhindern, dass Leute eine ruhige Acoustic-Band erwarten und dann  während des Konzertes enttäuscht sind.
Woher holt ihr euch eure Inspiration und die Ideen für die abstrakten Songtexte?P: Ich verstecke mich irgendwo mit meiner Gitarre und schreibe Entwürfe.

S: Danach spielt er uns seine Ideen vor. Diese nehmen wir anschliessend gründlich auseinander und konstruieren etwas Neues daraus. Vieles ist inspiriert durch wahre Begebenheiten, aber die Lyrics sind keine Dokumentationen davon.

P: Songtexte schreiben ist nicht wie Tagebuchführen. Ich schreibe nicht über Sachen, die mir im Alltag passieren. Mein Leben wäre dazu auch zu langweilig. Für mich ist es viel interessanter, poetische Texte zu schreiben, gerne auch ein bisschen rätselhaft, sodass die Leute individuell darauf reagieren können. Einige Songs vom Album habe ich geschrieben als ich 16 oder 17 Jahre alt war. Andere wiederum in einer Zeit als wir noch eine Teilzeit-Band waren. Damals haben wir nicht darüber nachgedacht, wo die Lieder am Schluss gespielt werden. Heute - nach zwei Jahren Tour-Erfahrung - haben wir ein Gefühl entwickelt, was live gut ankommt. Wenn wir jetzt etwas schreiben, dann mit dem Hintergedanken, dass es Spass machen soll, wenn wir den Song auf einer Festival-Bühne spielen. Wir sind gespannt, wie sich diese Erkenntnis auf ein nächstes Album auswirken wird.
Zu deinen Texten: Kennst du den des Rätsels Lösung?S: Gute Frage. Da sind viele tief verborgene Bedeutungen, die niemand von uns wissen darf. Und die Leute müssen in den Song eintauchen, um Näheres heraus zu finden.P: Stimmt. Oft kenne sogar nicht mal ich die Bedeutung. Manchmal schreibe ich einen Song und die Lyrics sprudeln so richtig aus mir heraus und am Schluss schaue ich es mir an und denke: «Was zur Hölle soll das jetzt heissen? Ich habe keine Ahnung, woher das gerade kam.» Laura Marling sagte einmal, dass sie ab und zu das Gefühl hat, dass Songs darauf warten, geschrieben zu werden.
Deine Bandmitglieder verstehen also selber nicht, um was es geht? Sind sie trotzdem fähig, sich in den Song einzufühlen?P: Nein, es ist ihnen einfach egal. (Scott wiehert schon wieder los). Manchmal fragen die Leute Scott nach den Songtexten und er antwortet, dass er die Texte gar nicht kennt. Dann fragen sie ihn «Aber du singst sie doch» und er «Ja, aber ich weiss trotzdem nicht, wie sie gehen.»S: Ich lerne die Worte einfach, indem ich die Songs immer und immer wieder spiele. Wenn ich auf der Bühne bin, dann kenne ich jeden einzelnen Text auswendig, aber wenn du mich jetzt danach fragen würdest, wäre ich nicht fähig, dir irgendetwas daraus zu sagen.

 

 

Laura Zeller / So, 22. Jul 2012