«Rapper sind nicht für besonders gutes Küssen bekannt»

Interview mit Fettes Brot
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Sie haben am Zurich Openair steil die Flagge des Hip Hop in die Höhe gehalten und den Indie-Zirkus um eine Facette bereichert. Fettes Brot sind seit zwanzig Jahren im Business und noch immer kein bisschen müde. So erzählen sie entspannt im Backstagebereich von Fehldrucken auf Fussballschals, geplatzen Beuteln und natürlich vom neuen Album. Doktor Renz, König Boris und Björn Beton freuen sich schon auf ihr neues Baby. 

 

Ich habe gedacht, ihr hättet auf unbestimmte Zeit Pause. Was ist passiert? Könnt ihr nicht ohne einander leben?

 

Doktor Renz: Ein bisschen so ist es. Wir haben uns ja tatsächlich eine längere Pause gegönnt. Unser letztes Studioalbum war 2008. Dazwischen haben wir noch Live-Platten veröffentlicht und dann ab Ende 2010 haben wir uns eine berufliche Auszeit voneinander genommen. Teilweise haben wir auf anderen Ebenen gearbeitet, aber jeder hat das gemacht, wofür sonst manchmal die Zeit fehlte. Das war sehr schön, aber am Schluss dieser Zeit habe ich eine gewisse Sehnsucht nach den beiden Kindsköpfen gehabt. 

 

Auf der ersten Single «KussKussKuss» singt ihr davon, dass der Kuss eines Rappers lebensverändernd sein kann. Basiert der Text auf Feedback, dass ihr selbst bekommen habt?

 

Björn Beton: Ehrlich gesagt: nein. Also wir drei haben natürlich schon mal Rapper geküsst, aber es gibt ja nicht so viele Beispiele. Rapper sind nicht für besonders gutes Küssen bekannt. Oftmals geht es in Rap-Texten ja auch um etwas Anderes als Küssen. Es könnte ja ein Anfang sein, dass man das mal wieder zurückbringt, denn auch Rapper küssen. Vielleicht können das junge Leute mal ausprobieren, sich beispielsweise Briefe schreiben, in denen steht «Ich würde dich gerne mal küssen» oder so. 

König Boris: Aber es ist auch ein Bild dafür, dass die Dinge, die man vielleicht in seinem Leben vermisst, manchmal ganz woanderes liegen, als man es vermuten mag.

 

 

König Boris: Wir sind immer noch glühende Fussballanhänger und gehen gemeinsam ins Stadion in Hamburg. Und Fussball ist immer noch wichtig.

 

 

Seit gut zwanzig Jahren macht ihr als Fettes Brot Musik. Gibt es ein Highlight aus der Zeit? Vielleicht einen ganz besonderen Auftritt?

 

König Boris: Das Schöne ist, unser gemeinsames musikalisches Leben ist gespickt mit Highlights. Ob das Auslandsreisen waren wie eine Tour durch Russland oder die Ukraine, ein Videodreh in Mexiko für «Jein» oder wenn man einen Preis wie den MTV European Music Award gewinnt. Wenn man ein tolles Lied geschrieben hat, ist das auch ein Highlight. Das sind wirklich ganz verschiedene Dinge, die man da positiv herausheben kann. 

Björn Beton: Mir fällt gerade ein Fernsehauftritt zur 2005er Single «Tage wie dieser» ein, wo wir beim Viva Comet aufgetreten sind. An dem Abend haben wir, glaube ich, auch einen Preis gewonnen. Damals war ich wirklich aufgeregt, weil es eine Live-Show war und wir natürlich live gerappt haben. Zusätzlich mussten wir dabei noch auf die Show achten, weil wir eine theatermässige Inszenierung gewählt hatten und alle weisse Klamotten trugen. Mir ist einer der Farbbeutel, die später als Blut auf unseren Kleidern erscheinen sollten, schon vor der Show in meinem Rücken geplatzt. Ich hatte das furchtbare Gefühl, dass jetzt die ganze Show inhaltlich zusammenbricht. 

König Boris: Ein bisschen war es auch so. 

Björn Beton: Ja, ein bisschen. Das war schon ein sehr fantastischer Moment, weil da Spannung in der Luft lag und es wurde ein guter Fernsehauftritt. 

Anderes Thema. Fussball. Ist Fussball immer noch wichtig?

König Boris: Auf jeden Fall. Wir haben vorhin noch das Auswärtsspiel von St. Pauli gegen Union Berlin geschaut, das wir leider mit 3:2 verloren haben, obwohl wir in der ersten Halbzeit noch 2:0 geführt haben. Was für ein trauriges Spiel. Aber ja, wir sind immer noch glühende Fussballanhänger und gehen gemeinsam ins Stadion in Hamburg. Und Fussball ist immer noch wichtig.

 

 

Doktor Renz: Haltet Augen und Ohren offen, wenn ihr irgendwo auf einem Plakat Klaus, Klaus und Klaus begegnet, könnte es eventuell sein, dass wir das sind. Oder ihr bekommt «An der Nordseeküste».

 

 

 

Ist die Geschichte wahr, dass ihr mit verschiedenen Leuten wie Bela B oder Superpunks Carsten Friedrichs einen Fussball-Song geschrieben habt und Carsten Friedrichs sich geweigert hat, den Song im Stadion zu spielen?

 

(Alle lachen). Björn Beton: Geweigert ist jetzt etwas zu viel gesagt. Er hat uns vorsichtig beigebracht, dass er das nicht so gerne möchte. Es ging tatsächlich um eine Veranstaltung zum 100. Geburtstag unseres Lieblingsvereins St. Pauli. Da er selbst glühender Anhänger des HSV, also des Konkurrenzvereins aus der gleichen Stadt, ist, hat er gesagt, das würde für ihn nicht gehen. Das haben wir ihm direkt auch verziehen, diese eigentümliche Geisteshaltung. 

König Boris: Wir haben es dann halt ohne ihn gespielt. 

Björn Beton: Unser Freund Pascal Finkenauer hat seinen Part dann übernommen. Was ich auch sehr lustig fand. In dem Text kommt ja vor: «Du gehst niemals allein, steht auf unserem Schal». Irgendwann hat er uns zur Seite genommen und gesagt: „Auf meinem Schal steht übrigens nicht «Du gehst niemals allein», denn das ist ein St. Pauli-Spruch, sondern da steht «Die Macht vom Elbe». Anscheinend hat er einen Schal, der von einem Hersteller, der der deutschen Sprache nicht ganz mächtig war, produziert worden ist. 

Ihr spielt gerne mit Pseudonymen und geht unter fremden Namen auf Tour. Habt ihr ein Lieblings-Pseudonym?

 

Doktor Renz: Klaus, Klaus und Klaus ist im Moment schwer angesagt. Wir waren als Sven, Sven und Sven unterwegs, aber die Band ist inzwischen abgeschrieben, die gibt es nicht mehr. Also, wer weiss, haltet Augen und Ohren offen, wenn ihr irgendwo auf einem Plakat Klaus, Klaus und Klaus begegnet, könnte es eventuell sein, dass wir das sind. Oder ihr bekommt «An der Nordseeküste».

 

König Boris: So lautet übrigens auch ein Titel auf dem neuen Album «3 is ne Party», das Stück heisst tatsächlich «Klaus, Klaus und Klaus» und ist fantastisch geworden.

 

Was ist mit Schreck Pistols. Stimmt es, dass ihr unter diesem Namen euren eigenen Support gemacht habt? Was habt ihr denn da für Songs gespielt?

Doktor Renz: Punksongs haben wir da gespielt. 

Covers oder eigene Songs?

Doktor Renz: Ja, das waren hauptsächlich Covers, aber wir hatten auch ein oder zwei eigene Songs. «Kein Luxus für die Pistols» hiess einer, wenn ich mich richtig erinnere. Das war auch ein kleines Sideprojekt. Wir haben mit den Schreck Pistols aber noch nie in der Schweiz gespielt, vielleicht müssen wir das irgendwann mal noch machen. 

König Boris: Unser Programm ist halt relativ kurz. Insofern müssen wir die Songs entweder doppelt spielen oder doch nochmals als Fettes Brot auf die Bühne kommen. Wir haben das bei einem Konzert in der O2-Arena in Hamburg gemacht. Das ist eine sehr grosse Halle und wir haben uns die Freiheit genommen, unsere eigene Vorband zu machen. Eigentümlicherweise war es sehr aufregend und die Leute in der Halle haben zum grossen Teil gar nicht gemerkt, dass wir das waren. Was mich aber gefreut hat, ist, dass wir trotzdem Applaus bekommen haben, obwohl sie nicht wussten, dass wir das sind.

 

 

Björn Beton: Wir drei haben natürlich schon mal Rapper geküsst, aber es gibt ja nicht so viele Beispiele. Rapper sind nicht für besonders gutes Küssen bekannt.

 

 

Du hast eben das Album angesprochen. Es kommt am 1. November. Was darf man erwarten?

 

König Boris: Es ist Fettes-Brot-Musik, so viel steht schon mal fest. Es wird dreizehn Songs lang sein und eine Prise Wahnsinn haben wir  noch über die Suppe drübergestreut. Es werden schöne Songs dabei sein, «KussKussKuss» war ja vor ein paar Wochen schon ein Vorgeschmack, und jetzt gibt es die neue Single «Echo», die seit neuestem im Radio zu hören ist. Zwischen diesen beiden Songs oszilliert das Album hin und her. Wir sind sehr stolz auf unser neues Baby. 

Eine Bettina hat mir kürzlich erzählt, dass sie wegen eures Liedes immer geärgert wird. Wollt ihr euch bei all den Bettinas und Emanuelas da draussen entschuldigen?

 

Doktor Renz: Nein, auf keinen Fall. Es gibt keinen Grund, sich zu entschuldigen. Wir wollen den Menschen, den Bettinas und den Emanuelas, den Jasmins und den Josephines nichts Böses tun, wir wollen sie stolz machen mit diesen Liedern. Sie sollen sich nichts anhaben lassen von ihren bösen Kollegen. Sie sollen sagen, wenn sie noch einmal etwas Fieses zu ihnen sagen, dann holt sie Fettes Brot und wir polieren ihnen richtig die Fresse. 

 

König Boris: Und wenn sie uns irgendwann privat treffen und sie ihren Ausweis dabei haben und beweisen können, dass sie entweder Bettina, Emanuela, Jasmin oder Josephine heissen, dann geben wir ihnen Einen aus.

 

Fettes Brot - «KussKussKuss» 

 

Das neue Album von Fettes Brot erscheint am 1. November. 

Patrick Holenstein / Mo, 09. Sep 2013