Chrissie Hynde etwas blass

Konzertkritik: Chrissie Hynde in Zürich
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Sechs Musiker spielen die Bühne für Chrissie Hynde warm, geniessen entspannt, harmonisch und sanft den ersten Song des Abends. Dann betritt die Chefin des Walve Bone Woe Ensembles das Geschehen. Mit bekannter Wuschelmähne sowie in Jeans und Stieflen. Der Applaus im Volkshaus ist etwas zurückhaltend, aber durchaus neugierig. Schliesslich steht da eine der ganz grossen Rockstimmen auf der Bühne.

 

Wer aber die neue Platte nicht kennt und sich «nur» auf den Namen von Hynde verlassen bzw. einen Abend voller Pretenders erwartet hat, könnte enttäuscht worden sein. Das Projekt mit dem Walve Bone Woe Ensemble ist klar dem Jazz gewidmet. Chrissie konzentriert sich mit dem Album auf ihre Version von Songs, die Leute wie Frank Sinatra, The Kinks, John Coltrane oder Nina Simone geprägt haben. Gerade mit Simone kann Chrissie nicht so richtig mithalten. Aber das ist sich die US-Amerikanerin, die mit den Pretendes eine Weltkarriere gestartet hat, durchaus bewusst, was ihr, so meint man zu erkennen, keine Sorgen bereitet. Ihre raue, leicht dreckige Rockstimme verleiht dem jazzigen Sound dafür durchaus spannende Facetten. Manchmal erinnert sie an Marianne Faithfull, bleibt sich aber dabei trotzdem treu.

 

Neben der charismatischen Stimme von Chrissie glänzen die Musiker, denn sie sind traumhaft sicher, spielen elegant, was die Chefin von ihren erwartet, beweisen ihr Können mit stilvoller Zurückhaltung und bei Soli. Chrissie gibt der Band viel Raum, lehnt sich gelegentlich entspannt an den Flügel und scheint es zu geniessen, der Band zuzuhören.

 

Allerdings sind zwischen den Songs nur wenig Unterschiede zu hören, zu ähnlich sind sie interpretiert. Etwas mehr Leben würde dem Konzert gut tun. Aber diese Empfindung ist subjektiv wie eine Frau auf dem Balkon des Volkshaus beweist, die an Chrissies Lippen hängt, während ihr Begleiter den Kopf nach hinten gelegt hat, vielleicht entspannt er - oder schläft.

 

Der Sound ist sauber gemixt, kein Instrument zu laut, keines zu leise und - merkwürdig - sind Handyfotos ausdrücklich nicht gewollt. Dafür spielt Chrissie Hynde nur 75 Minuten. Definitiv viel zu kurz. Fast macht es den Eindruck als ob sie gar keine Lust hat. Ohne Zugabe und mit nur einem Song aus dem Oeuvre der Pretenders («Hymn To Her») leert sich die Bühne, erhellt der Kronleuchter den Saal. Natürlich, Chrissie Hynde ist mit der Soloplatte auf Tour und man darf nicht automatisch auch Songs der Pretenders erwarten. Nur hat sie bei vergangenen Konzerten mit dem Walve Bone Woe Ensemble einige der Klassiker im Set gehabt. Aber an diesem Abend wirkt die Sängerin lustlos und der schnelle Abgang bestätigt diesen Eindruck leider.

 

Chrissie Hynde wirkte im Volkshaus etwas lustlos. Schade, denn das Projekt hat durchaus Potenzial.

 

Bäckstage Redaktion / So, 24. Nov 2019