Amor ist eigentlich ein Mädchen aus England

Konzertkritik: Birdy @ X-tra Zürich
Birdy
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Birdy Facebook

Vergangenen Mittwoch gingen in der Londoner O2 Arena die 34.Brit Awards über die Bühne – zeitgleich zum Zürcher Konzert von Birdy im X-tra. Der prestigeträchtige Musik-Preis ist quasi das Pendant zum US-amerikanischen Grammy. Unter den Nominierten für einen Brit Award war dieses Jahr auch Birdy. Ein Ziel, dass sich Billy Lockett, Birdys Support Act, für die nächsten Brit Awards vorgenommen hat, wie er am gleichen Abend auf Facebook schrieb: «It’s the Brits tonight, next year I wanna see my name on this, with your help.»

 

Zweifellos kann man sagen, dass Locketts Wunsch nach einer Nominierung gar nicht mal so abwegig ist. Denn genau auf dieser Zürcher Bühne stand vor gut einem Jahr der Singer-/Songwriter Passenger. Damals noch gänzlich unbekannt für das breite Publikum schaffte der britische Strassen-Musiker genau das, wovon Billy Locket noch träumt: die Nominierung für die Brit Awards.

 

 Intim in der Menge

 

Billy Lockett: strubbeliges, braunes Haar und ein breites Grinsen. Genau so betrat der junge Musiker die Bühne und schnell wurde klar, für einen Teil des Publikum ist er längst kein Unbekannter mehr. Gute Voraussetzungen also für seinen 30-minütigen Gig. Ob an der Gitarre oder am Keyboard, Billy Lockett bewies einmal mehr, dass es für einen gelungenen Auftritt nicht viel braucht.

 

«Pathways», ein eingängiger Song über die Überbewertung von Recordlabels und die Dankbarkeit gegenüber seiner Fans, wurde vom Publikum bejubelt. Immer wieder gingen «We love you, Billy!»-Rufe durchs Publikum, die er mit einem «I love you, too!» erwiderte. Die Tatsache, dass Cover-Songs nicht immer das Gelbe vom Ei sind, konnten Billy Lockett wie auch Birdy gekonnt entkräften. So verabschiedete sich Lockett mit einer gelungenen Cover-Version vom The Lumineers Hit «Ho Hey».

 

Keine 20 Minuten später war es ebenfalls ein Cover-Song, der das Publikum in Euphorie versetzte. «Shelter» von The XX, von Birdy in ein neues musikalisches Gewand gehüllt, setzte den Startschuss für die kommenden 80 Minuten. Bei manchen Konzerten braucht man Ohrstöpsel wegen der Lautstärke, bei anderen wegen der schrägen Töne. Bei Birdy waren sie schlicht überflüssig. Trotz der rund 2’500 Konzertbesucher waren es die leisen Töne, die das Konzert durchweg intim machten.

 

Amor ist ein Mädchen

 

Zurzeit ist Birdy unterwegs mit ihrem zweiten Album «Fire Within», doch auf der Setlist durften natürlich Songs wie «People Help The People» oder die lautstark mitgesungene Zugabe «Skinny Love» nicht fehlen. Birdy, gerademal 17 Jahre alt, mit einer Stimme und Piano-Melodien, die ohne Umweg direkt ins Herz treffen. Trotz ihres riesigen Erfolgs im vergangenen Jahr ist von Abgehobenheit keine Spur. Sie wirkte viel eher zurückhaltend, natürlich und etwas schüchtern, doch genau das macht sie vielleicht so sympathisch.

 

Wer nicht von Anfang an von Birdy verzaubert war – was definitiv nicht nachvollziehbar wäre – muss es spätestens bei «Wings» gewesen sein. Denn irgendwie kam man sich wie ein verliebter Teenager vor, der seiner Angebeteten förmlich an den Lippen hängt und dessen Herz sie mit jeder gesungenen Silbe immer höher schlagen lässt. Birdy hat schlicht müden Herzen Flügel verliehen. Und als der letzte Takt gespielt und die letzte Silbe verklungen war, war klar: Amor ist eigentlich ein 17-jähriges Mädchen aus England und schiesst nicht mit Pfeilen, sondern mit zur Vollkommenheit ausgefeilten Melodien.

Dominique Rais / So, 23. Feb 2014