Voller Nichts

Filmkritik: The Woman in the Septic Tank
Bildquelle: 
www.trigon-film.ch

Die Filmbranche ist ein hartes Geschäft und hat häufig sehr wenig mit Kunst zu tun. So könnte das Fazit dieser philippinischen Satire lauten. Doch es steckt weitaus mehr im bitterbösen Filmjuwel, das die Augen und Ohren der Zuschauer zu sensibilisieren versucht. Kein Wunder, wurde der Film zum erfolgreichsten unabhängigen Film in der Geschichte des philippinischen Kinos.

 

Ein Regisseur, eine Regieassistentin und ein Produzent träumen von Ruhm und Ehre, die ihnen ihr Film «Wala Wala» (Deutsch: Diejenigen mit Nichts) einbringen soll. Ihre Story handelt von der alleinerziehenden Mutter Mila (Eugene Domingo), die mit ihren Kindern in den Slums lebt. Um ihre Sprösslinge ernähren zu können, verkauft Mila sogar eines der Kinder an einen alten Pädophilen. Eine traurige Geschichte, die aufgrund ihres Realitätsbezugs die Augen der europäischen und amerikanischen Zuschauer und Kritiker zum Weinen bringen soll. Melodramatische Armutsdramen kommen schliesslich in der Welt gut an und werden in Venedig, Cannes oder am Sundance-Festival als kritisches künstlerisches Schaffen gefeiert, das die Missstände in der Welt anprangert.

 

Milas Kinder

Die Kinder in den Slums.

 

Unter grossen Missständen haben auch die Frappuccinoschlürfenden Filmemacher zu leiden. Ein Teammitglied hat sein i-Phone-Ladegerät Zuhause liegen lassen und dann treffen sie noch ihren eingebildeten Kollegen, der gerade von den Filmfestspielen in Venedig zurück ist und den Amateuren von seinem «ach sooo Hollywood»- Leben erzählt. Von diesen Strapazen halbwegs erholt, müssen sie sich mit dem zukünftigen Star ihres Filmes, Eugene Domingo (spielt sich selbst und ist auch in der Realität ein Superstar im philippinischen Kino), für eine erste Besprechung treffen. Das Wort Diva scheint dabei wie für Domingo gemacht. Sie ist am Gipfel ihrer Karriere und möchte nun mit jungen, wilden und unabhängigen Filmemachern arbeiten, um dann in Utah am Sundance-Festival das gemeinsame Werk zu promoten.

 

Gefühlskalt und schockierend

 

Dass es den involvierten Personen überhaupt nicht um die wahren Missstände in den Slums geht, wird schnell klar. Gefühlskalt wird darüber diskutiert, ob Mila nun 4 oder doch besser 7 Kinder haben soll, um ihre Situation so ausweglos wie möglich erscheinen zu lassen. Oder ob das Publikum schockierter wäre, wenn sie anstatt eines Mädchens einen Jungen an den Pädophilen verkaufen würde und ob dieser nun britisch, afroamerikanisch oder doch lieber asiatisch sein sollte. Die neuen Ideen sehen wir als Film umgesetzt, während die drei Filmemacher im Off darüber streiten, was den jetzt einen grösseren Effekt oder Skandal hervorrufen würde.

 

Locationsuche im Müll.

 

Diese Szenen beeindrucken stark und zeigen, wie das Einsetzen von bestimmten Stilmitteln uns Zuschauer bewusst dieselbe Geschichte anders erleben lässt. In einer der Versionen singen die Slumbewohner sogar sehr «Les Misérables»-mässig von ihren Sorgen und Ängsten. Dabei werden übergewichtige Menschen gezeigt, die vom bevorstehenden Hungertod singen. Zynische Szenen wie diese ecken an und regen zum Nachdenken an. Denn ob wir es wollen oder nicht, der Konsum von kritischen Filmen allein bewirkt noch keine Veränderung für diejenigen, die Hilfe benötigen. Eine traurige, aber ernstzunehmende Botschaft.

 

 

  • The Woman in the Septic Tank (Philippinen 2012)
  • Regie: Marlon N. Rivera
  • Drehbuch: Chris Martinez
  • Besetzung: Eugene Domingo, Cai Cortez, Kean Cipriano, JM De Guzman
  • Laufzeit:  87 Minuten
  • Kinostart: 3. Januar 2013

 

Tanja Lipak / Mi, 02. Jan 2013