A storm is coming

Filmkritik: James Bond 23: Skyfall
Bildquelle: 
© 2012 Sony Pictures Releasing GmbH

Es gibt keine andere Filmreihe, die derart lange existiert wie jene über James Bond. Gesellschaftliche, politische und technologische Entwicklungen prägen, Jahrzehnt für Jahrzehnt, die Handlung und Machart dieser Filme. Die Folgerung aus der neuesten Bond-Episode lautet: Wir sind im Dezennium des Recyclings angelangt. Da die kreativen Ressourcen knapp geworden sind, muss sich das Publikum nun mit Wiedererwärmten zufriedenstellen.

 

Bild 1: Raoul Silva hinter Glas. Bruchsicher? / Bild 2: Bond im Einsatz. (Mit Maus über Bild fahren)

 

Recyclingopfer Nr. 1: James Bond, lustlos verkörpert von Daniel Craig («The Girl with the Dragon Tattoo»). Abgesehen von den gegebenen biografischen Parallelen der Figuren (wie Bruce Wayne wuchs Bond auf dem grossen Anwesen seiner Eltern auf, bis diese durch einen Unfall starben und den kleinen Jungen zum Waisen machten. Skyfall ist übrigens das Äquivalent zur Wayne Mansion), verbindet James Bond und Bruce Wayne («The Dark Knight Rises») aktuell das Thema der Auferstehung. Von einem Schuss schwer getroffen, fällt Bond in reissende Gewässer und wird asap für tot erklärt. In Wahrheit aber wollte sich der Geheimagent nur eine Auszeit in einem Ferienparadies à la Jason Bourne gönnen. Weil seine Strandbar jedoch ausgerechnet die CNN Nachrichten überträgt, erfährt Bond vom Anschlag auf MI6 und eilt nach London zurück. Dort unterzieht er sich, ungeachtet der Verletzungsschmerzen, einem nervenzerreissenden Aufbau-, respektive Auferstehungstraining, à la Bruce Wayne.

 

Silva: «What’s your hobby?»

Bond: «Resurrection»

 

 

Recyclingopfer Nr. 2: Raoul Silva, perfekt gespielt von Javier Bardem. Silva ist eine Mischung aus Bane, dem Joker und Harvey Dent aka Double Face (allesamt Bösewichte in der «Dark Knight»-Filmreihe). Mit Bane teilt Silva das grosse Netzwerk von Verbündeten, Kenntnisse über unterirdische Tunnel- und Kanalsysteme, sowie den verletzten Mundbereich. Letzteres erinnert mit dem entstellten Gesicht und dem kranken Geist stark an den Joker. Die Geschichte von Silva gleicht am meisten aber derjenigen von Dent: Der einst erfolgreiche und beliebte MI6 Agent Silva wechselte die Seiten, als MI6 ihn, nach einem missglückten Einsatz, im Stich liess.

 

Bild 1: Bond, wie man ihn kennt. / Bild 2: Eve und Bond im Nahkampf.

 

Der 23. Bondfilm ist Mittelmass. Nach den Turbulenzen um die Finanzierung der Produktion entstanden augenscheinlich auch Probleme kreativer Natur. Die Actionszenen lösen nach 2 Minuten lautes Gähnen aus und die abgedroschenen Sprüche erzeugen höchstens ein müdes Lächeln. Die Frauen sind einmal mehr lebendig gewordene Konsumgüter, die weder Auto fahren noch eine Schusswaffe bedienen können. In der Bettakrobatik sind sie aber allesamt Goldmedaillen-Gewinnerinnen. Regisseur Sam Mendes («American Beauty») schenkt uns schöne Bildkompositionen. Aber wer wollte die schon? Drehbuchtechnisch erhielten Bonds Schreiber Unterstützung von John Logan («Gladiator», «The last Samurai»). Vermutlich um eine epochale Grundstimmung zu erschaffen, schliesslich tauchen wir - wie es der Titel verrät - in Bonds Vergangenheit ein. Rausgekommen ist dabei nicht mehr als ein Nolan-Verschnitt. Besonders deutlich wird dies in einer Szene, in der Silva (samt Komplizen) als Polizist verkleidet, in ein öffentliches Gebäude stürmt. Gleichzeitig sehen wir Bond herbeieilen. In Zeitlupe. Begleitet im Off von der Bondchefin M (Judi Dench, «Shakespeare in Love»), die ein Gedicht rezitiert.

 

Aber, in der mit Abstand unerfreulichsten Szene, lässt Bond folgenden Satz fallen, um Silvas kommenden Angriff zu kommentieren: «A storm is coming» (so hiess auch eine Tagline zum letzten Batman-Abenteuer). Der Sturm an neuen Filmhelden ist aber bereits eingetroffen. Bond wurde dabei vernichtend geschlagen. Jetzt sucht der berühmteste Spion der Welt verzweifelt nach einer neuen Identität. Hoffen wir, dass er sie bis zur nächsten Mission auch findet.

 

 

  • James Bond 23: Skyfall (UK/ USA 2012)
  • Regie: Sam Mendes
  • Drehbuch: Neal Purvis, Robert Wade, John Logan
  • Besetzung: Daniel Craig, Javier Bardem, Ralph Fiennes, Judi Dench, Naomie Harris
  • Dauer: 143 Minuten
  • Start: 1. November 2012

 

Bilder: © 2012 Sony Pictures Releasing GmbH

Tanja Lipak / Mi, 24. Okt 2012