Robin und der Fall von China Girl

DVD-Kritik: Top of the Lake: China Girl
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© Impuls Film

Robin Griffin (Elisabeth Moss) kehrt fünf Jahre nach dem kräftezerrenden Fall in Neuseeland, den Staffel 1 behandelt, nach Sydney zurück. Seelisch kaputt, emotional von einer starken Mauer geschützt, stolpert sie in den Fall einer jungen Thailänderin, die in einem Koffer am Bondi Beach angespült wird. Schnell ermitteln Robin und ihre Assistentin Miranda Hilmarson (Gwendolyn Christie, «Game of Thrones»), dass die Frau als Leihmutter gearbeitet hat. Eine zweite Baustelle ist für Robin ihre Tochter Mary (Alice Englert, die Tochter von Regisseurin Jane Campion), die sie knapp 18 Jahre zuvor zur Adoption freigegeben hat und die durch den Umzug plötzlich wieder ein Teil von Robins Leben ist. Aber wie geht man damit um, die leibliche Mutter nicht zu kennen? Dazu sind noch die rechtlichen Eltern, gespielt von Nicole Kidman und Ewan Leslie. Die haben eh schon mit Mary Schwierigkeiten, weil sich der Teenager in einen dubiosen Typen verknallt hat. Deutlich älter und in einem Bordell hausend, erfüllt er alle Kriterien, die Eltern so gar nicht haben wollen. 

 

Hervorragend gecastet 

 

In der zweiten Staffel von «Top of the Lake» bleiben einzelne Ansätze offen. Aber die Oscar®-Preisträgerin Jane Campion zeigt über die gesamte Laufzeit von fast sechs Stunden kaum Schwächen. So wird beispielsweise angedeutet, dass Mary gesundheitliche Probleme hat, als sie am Strand in einer Stresssituation einen Anfall bekommt. Das wird später aber nie mehr aufgegriffen, könnte aber durchaus auch als Moment der Einsicht des Teenagers verstanden werden. Lassen wir mal so stehen. 

 

Die Besetzung zeigt sich durchwegs als hervorragend gecastet. Von Elisabeth Moss ist man das inzwischen gewohnt, ist sie doch nicht nur für «Top of the Lake: China Girl» gelobt worden, sondern hat sich auch mit der Serie «The Handmaid’s Tale» als variantenreiche Charakterdarstellerin etabliert. Die grösse Überraschung ist Gwendolyn Christie. Sie wurde bekannt als blonde Kämpferin Brienne von Tarth aus «Game of Thrones». Ihre Rolle hier ist komplett anders, unsicher, aber mit dem Herz am rechten Fleck. Sie dient Robin oft als Ventil für deren Frust, aber mit der Zeit verbrüdern sich die beiden Frauen. Das Ermittler-Duo ist klar das Herz der zweiten Staffel, vielleicht neben Mary. 

 

Ungleiches Ermittlerteam. Robin (Elisabeth Moss, links) und Miranda (Gwendolyn Christie). © Polyband. 

 

Da Jane Campion bei der zweiten Staffel erneut Regie führte und die Geschichte geschrieben hat, waren die Erwartungen gross. Aber die Australierin hat sich nochmals selbst übertroffen. Geschickt webt sie ein spannendes Netz aus Emotionen um ihren Cast. Zentrales Thema sind Beziehungen. Zwischen Kollegen, Müttern und Töchtern und Vätern, zu Freunden, die schlecht für einen sind, aber nicht zuletzt auch zu sich selbst. Die zweite Staffel von «Top of the Lake» zeigt neben der Thematik der Leihmütter, dass das Leben manchmal schwer ist und es Verzweiflung auf allen sozialen Stufen gibt. Aber so lässt Jane Campion eben auch das Leben an sich erstrahlen, weil manchmal eine Geste im richtigen Moment oder ein offenes Ohr viel bewirken können. Dazu inszeniert Campion ohne grosse Umschweife, erzählt ihre Geschichte zügig. Gerade die innere Zerrissenheit von Robin ist mit wenigen Mitteln umgesetzt, mal ein verlangender Blick auf ihre Tochter, mal ein ein stummes Seufzen in den Augen. Elisabeth Moss ist brillant und verleiht Robin viel Tiefe. Schliesslich geht es im Kern um elementare Themen wie Mutterschaft, den unerfüllten Kinderwunsch und das Verarbeiten einer Adoption, auch wenn der Kriminalfall eher zweitrangig ist und mehr der rote Faden, an dem sich die Figuren entlanghangeln. Wichtiger sind die universelle Themen, die «Top of the Lake» rund den Kriminalfall so arrangiert, dass eine ideale Mischung entsteht. 

 

 

Spannend und mit Empathie für die Figuren

 

Weiter darf man Jane Campion und ihrem Team ein Kränzchen für die stylischen Bilder winden. Die Bilder sind klar und scharf, aber oft in erdigen Farben gehalten. Selbst Sex-Szenen wirken bei Campion elegant und durch Weichzeichner hochwertig. In der Karriere von Campion waren oft die Menschen der zentrale Faktor, etwa bei «Das Piano», das ihr den Oscar® für das Beste Drehbuch einbrachte. Jane Campion führt nicht oft Regie, aber wenn sie auf einem Set die Zügel in die Hand nimmt, macht sie das konsequent. So ist «Top of the Lake» zwar die Fortsetzung, die aber leicht ohne Vorkenntnisse gesehen werden kann. Immer wieder sind Hintergrundfakten geschickt und dezent eingefügt. «Top of the Lake: China Girl» kann die Erwartungen mühelos erfüllen, über die sechs Episoden à knapp 60 Minuten spannend bleiben und - fast noch wichtiger - Empathie für die Figuren wecken. 

 

Redaktionskollegin Lena Imboden hat zu Staffel 1 kürzlich geschrieben: «Die Macher von «Top of the Lake» haben keine Angst vor Hässlichkeit und zeigen die Figuren mit ihren Ecken und Kanten.» Das lässt sich 1:1 übernehmen, aber die Macher sind nicht so bequem, den einfachen Weg zu gehen und  die erste Staffel zu kopieren. 

 

Hauptfigur Robin ist seelisch geschunden zurück in Sydney. «Top of the Lake: China Girl» erzählt auch ihre Geschichte weiter. Spannend, emotional und aufwühlend.

 

  • Top of the Lake: China Girl (Australien 2017)
  • Regie: Jane Campion, Ariel Kleiman
  • Drehbuch: Jane Campion
  • Darsteller: Elisabeth Moss, Gwendoline Christie, David Dencik, Alice Englert, Ewen Leslie, Nicole Kidman
  • Laufzeit: 6 Episoden à circa 60 Minuten
  • Im Handel: 20. Dezember 2017

 

Bäckstage Redaktion / Sa, 30. Dez 2017