Michael

Moviekritik: Michael
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Michael (gespielt von Michael Fuith, bekannt durch «Mono» und «Rammbock») ist ein Durchschnittstyp. Im Büro gibt er sich unnahbar und interagiert kaum mit seinen Kollegen. Er führt ein routiniertes Leben und fällt in der Gesellschaft weder positiv noch negativ auf. Doch in seinem Einfamilienhaus in Österreich hält er im Keller, hinter einer mit Schallabdichtung gepolsterten Türe, den 10-jährigen Wolfgang gefangen. Michael vergewaltigt den kleinen Jungen systematisch. Das Putzritual danach, das Reinwaschen von Schuld und Sünde, wirkt verstörend, genauso auch die Gefühllosigkeit dieses Mannes, der ein Kind als Sexsklaven hält und sich seiner Taten nicht bewusst zu sein scheint oder diese gar ausblendet.

 

Die Frage, wer der Junge ist, woher er kommt, wie lange er schon bei Michael ist und wie Michael ihn entführt hat, bleibt während des ganzen Filmes immer in der Luft hängen, denn nur kurz lässt Regisseur Markus Schleinzer erahnen, wie es sich zugetragen haben könnte. Ebenfalls beängstigend ist der Fakt, dass kein Mensch in Michaels Umfeld von seiner Tat ahnt. Auch wenn Michael unterkühlt und seltsam wirkt, in der Gesellschaft funktioniert er normal und hat intakte soziale Kontakte. Frauen fühlen sich zu ihm hingezogen und ab und zu lässt er sich auch auf Bettgeschichten ein.

 

 

Mit seinem Erstlingswerk «Michael» spricht Regisseur Markus Schleinzer, der als Casting Director in über 60 Spielfilmen mitgewirkt hat (unter anderem in Shirin Neshats «Women without men» und Michael Hanekes «Die Klavierspielerin») das Thema Pädophilie an. Der Film wird aus der Sicht des Täters erzählt. Schleinzer hat bewusst keinen bekannten Fall, wie zum Beispiel der Fall Natascha Kampusch, gewählt, sondern eine fiktive Personenkonstellation ausgesucht. Auch auf Rührseligkeiten wird verzichtet und kein Opferfilm daraus gemacht. Die sexuellen Übergriffe werden nur angedeutet, zweideutige Berührungen werden keine gezeigt. In den Köpfen der Zuschauer wirken die Bilder allerdings brutal.

 

Markus Schleinzer hat sich akribisch mit dem Thema auseinandergesetzt und seine Darsteller mit Bedacht ausgesucht, allen voran den 12-jährigen David Rauchenberger, der den Part des misshandelten Wolfgang spielt. David Rauchenberger verdient für seine Leistung und seinen Mut, die komplexe Rolle des Wolfgang zu mimen, grossen Respekt. Er spielt intuitiv, aber dennoch intelligent und weiss die Rolle zu entwickeln.

Wolfgang versucht sein Kindsein zu bewahren, malt, bastelt, spielt und verdrängt somit die Geschehnisse. Er lässt die sexuellen Überfälle scheinbar wortlos über sich ergehen und unternimmt nie einen Fluchtversuch. Generell wirkt er sehr apathisch. Es scheint auch, als ob er sein Gegenüber analysiert und seine Schwächen sucht. Im Laufe der letzten fünf Monaten, die er mit Michael zusammenlebt, wehrt er sich dann immer mehr. Wolfgang wird mutiger und zeigt das auch. Er startet verzweifelte Versuche, Michaels Herz zu erweichen und schenkt diesem zum Beispiel zu Weihnachten ein selbstgemaltes Bild, das Michael danach aber verbrennt.

 

 

Schauspieler Michael Fuith haucht der Rolle des Kinderschänders die nötige Kälte und Unberechenbarkeit ein. Der eiskalte Blick, sein steriles Auftreten, die Pausen, die zwischen seinen Handlungen und Worten entstehen und der Ekel, den er beim Zuschauer auslöst - all das spielt er glaubhaft.

 

Die wenigen Dialoge und die beklemmende Stille zwischen den beiden Hauptfiguren geben dem Film etwas Lethargisches. Regisseur Markus Schleinzer verzichtet auch auf aufwendige Schnitte, was zusätzlich zur Trägheit der Handlungen beiträgt. Dennoch bleibt die Geschichte bis zum Schluss spannend und hält den Zuschauer in Atem. Ein kleiner Minuspunkt könnte der österreichische Dialekt sein, der teilweise schwer zu verstehen ist, doch dies ist reine Ansichtssache.

Polarisiert hat «Michael» schon bei den Filmfestspielen in Cannes und auch hier zu Lande wird Schleinzers Werk wahrscheinlich für Gesprächsstoff sorgen.

 

 

  • Michael (AT 2011)
  • Regie: Markus Schleinzer
  • Darsteller: Michael Fuith (Michael), David Rauchenberger (Wolfgang)
  • Laufzeit: 96 Min
  • Kinostart: 29. Februar 2012
 
 
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catarina martins / Mi, 22. Feb 2012