Mann gegen Wal

Movie-Kritik: In The Heart Of The Sea
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Das Walfängerschiff «Essex» sank 1820 im Pazifik. Es rangen sich viele Geschichten über diese Tragödie und keine davon scheint die Wahrheit gänzlich widerzuspiegeln. Der Schriftsteller Herman Melville (Ben Whishaw, «Spectre») ist getrieben von den Gedanken, die Geschichte der «Essex» zu schreiben und die Wahrheit zu erfahren. Er sucht Thomas Nickerson (Brendan Gleeson, Mad-Eye-Moody aus den «Harry Potter»-Filmen) auf, den damaligen Schiffsjungen. Er soll ihm berichten, was genau mit dem «Essex» passiert ist und wie die Walfänger nach dem Untergang des Schiffes drei Monate auf offenem Meer überlebten. Nickerson ist innerlich zerfressen und geprägt von den Geschehnissen auf offener See. Über Dreissig Jahren hat er dieses Geheimnis für sich behalten, doch Melville tastet sich sorgfältig heran und bringt Nickerson zum Reden.

 

 Die Einsamkeit auf dem Meer und die Enge auf dem Schiff machen den Seemännern zu schaffen. (© Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.)

 

Eine Reise ins Jahr 1819 beginnt, als die Mannschaft der «Essex» unter der Leitung von George Pollard Jr. (Benjamin Walker, «Abraham Lincoln Vampirjäger») Nantucket verlässt und sich in die Weiten des Atlantiks auf die Jagd nach Walen begibt. Die furchtlosen Männer riskieren ihr Leben, um Walöl zu gewinnen, das die Insel und ihre Familien ernährt. Der erste Offizier, Owen Chase (Chris Hemsworth, «Thor»), muss Frust und Stolz herunterschlucken und sich Pollard fügen. Die Schiffsherren hatten Chase versprochen, dass er das Kommando über die Essex bekommen würde und nun muss er erleben, dass ein Name mehr Wert ist als Können. Er träumt von einem besseren Leben für seine Familie und nimmt das Angebot schliesslich zähneknirschend an.

 

Nach Monaten auf See und ohne grösseren Erfolgen, werden Frust und Gier immer grösser. Von spanischen Walfängern erfahren der Kapitän und sein erster Offizier, dass es weit aussen im Pazifik Wale gibt, soweit das Auge reicht. Aber ein Wal, grösser als alle anderen, hat sie angegriffen und vielen von ihnen Leben oder Gliedmassen gekostet. Pollard und Chase belächeln die Geschichte. Sie werfen alle Vorsicht und die Warnungen der Spanier über Bord und begeben sich weit hinaus in den Pazifik, Meilen weit von der Küste weg. Das der Wal kein Spinnerei war, stellen sie schnell fest, als sie ihm persönlich und schutzlos gegenüber stehen. Ein Kampf ums nackte Überleben beginnt.

 

Chris Hemswort als Seeman, der über den Tisch gezogen wurde. Für die Rolle hat er stark gehungert und Gewicht verloren. (© Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.)

 

Der Plot für den Film lieferte der Schriftsteller Nathaniel Philbrick in seinem 2000 erschienenes Buch «In the Heart of the Sea: The Tragedy of the Whaleship Essex». Die Geschichte entsprang aber keineswegs der Phantasie eines Mannes. Sie basiert auf wahren Begebenheiten. Nantucket war einst die Hauptstadt der amerikanischen Walfangindustrie und das Schiff stach im Jahr 1819 in See ohne jemals wieder an ihren Heimathafen zurückzukehren. Diese Geschichte war auch die Inspiration hinter Herman Melvilles berühmten Roman «Moby Dick».

 

 

Zumal viele Berichte und Bücher über die Geschichte der «Essex» existieren, kann der Zuschauer zum grössten Teil davon ausgehen, dass die Handlung im Film dem sehr nahe kommen muss, was der Mannschaft auf hoher See widerfahren ist. Es erfüllt den Zuschauer mit Ehrfurcht, wenn die Walfänger in winzigen Booten mit kleinen Harpunen Jagd auf die Wale machen. Der Walfang wird hierbei weder verherrlicht, noch vollkommen kritisiert. Er wird im historischen Kontext dargestellt, mit allen Aspekten und den Reaktionen der Männer während und nach der Jagd.

 

Regisseur Ron Howard («A Beautiful Mind») hat es geschafft, dass die Schauspieler die Psyche der Walfänger und die Geschichte hinter der Geschichte nicht nur verstehen. Sie machen die Zerrissenheit dieser Männer greifbar, die einerseits nur ihre Arbeit erledigen, um ihre Familien zu ernähren und andererseits ein Stück von sich selbst töten, wenn sie einen Wal erlegen. Kameramann Anthony Dod Mantle («Slumdog Millionär») sorgte dann für die visuelle Inszenierung des Films. Er fängt die Enge auf den Schiffen und die unendliche Weite des Meeres ein, aber auch die Verwundbarkeit der Walfänger und deren Mut, sich schutzlos ins offene Meer zu stürzen und Jagd auf tonnenschweren Tiere zu machen, die sie mit einem Hieb ihrer Flosse töten könnten. Ein waghalsiges und wahnsinniges Unterfangen, der im Film sehr gut dargestellt wird.

 

Mensch vs. das Meer beziehungsweise den Wal. Der Kampf ging in die Literaturgeschichte ein. (© Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.)

 

Die treibende Rolle der Geschichte, der Wal, ist eine respekteinflössende Kreatur, aber keineswegs eine, die man im Reich der Fabelwesen angliedern sollte. Das Special-Effects-Team wollte den enormen Meeressäuger so authentisch wie möglich gestalten und haben dafür mit Meeresbiologen und Walspezialisten Hand in Hand gearbeitet. Verhalten und Psyche des Tieres, das einen Rachegelüst zu entwickeln scheint und die Männer traktiert, sollten so nahe wie möglich der Realität entsprechen.

  

Der Trailer verspricht grosses Kino und der Film hält das Versprechen. Der Schauspielstab ist überzeugend und gut ausgewählt. Benjamin Walker mit seinen weichen Gesichtszügen als der Schnösel aus reichem Haus, dem der Posten als Kapitän in den Schoss gelegt wird. Und Chris Hemsworth, der kantige Australier, als ehrgeiziger erster Offizier, der eigentlich qualifizierter für den Posten wäre, aber aus der Gosse kommt und nicht aus reichen Familien stammt. Der Theoretiker gegen den Praktischen. Zwei Egos, die aufeinander treffen. Der Film lebt von starken Bildern, aber allen voran von Zurückhaltung. Denn die Action ist weder überrissen, noch unrealistisch, sondern einfach ein Teil der Handlung. Bei «In The Heart Of The Sea» steht die Geschichte im Vordergrund und das macht den Film sehenswert.

 

«In The Heart Of The Sea» ist einer der gelungesten Filme 2015. Grossartige Szenen, guter Schauspielstab und eine packende Story. Was brauchts mehr? Popcorn und eine Eintrittskarte ins Kino, denn der Film ist echt sehenswert.

 

 

  • In The Heart Of The Sea (USA 2015)
  • Regie: Ron Howard
  • Darsteller: Chris Hemsworth, Benjamin Walker, Cillian Murphy, Tom Holland, Ben Whishaw, Charotte Riley
  • Laufzeit: 122 Minuten
  • Kinostart: 3. Dezember 2015

 

 

catarina martins / Di, 01. Dez 2015