König Schlüsselloch

Moviekritik: The Look Of Love
Bildquelle: 
Rialto Film

Es ist die Geschichte eines sozialen Aufstiegs, wie er nur selten gelingt. Auch für den kleinen Geoffrey Quinn (Steve Coogan, «Tropic Thunder») stehen die Chancen zunächst eher schlecht. Doch gerade weil er früh vom Herrn Papa verlassen wurde, brennt er darauf, der Welt seinen Wert zu beweisen. Er entflieht dem Liverpooler Mief der Vierziger und versucht sich als Gaukler. Unter dem klingenden Namen Paul Raymond liest er gegen Geld Gedanken und steigt bald ins serbelnde Varieté-Geschäft ein, wo er sich dank List und Schläue durchzusetzen weiss. Mit halbnackten Damen lockt er sein Publikum in die leeren Säle, und weil drakonische Nachkriegs-Gesetze den Mädchen jegliche Körperregung explizit verbieten, stellt er sie kurzerhand auf Drehbühnen. Sein Angebot trifft nicht nur den verklemmten Nerv der Zeit, sondern auch jene der Sittenwächter. So wendet Raymond einen Trick aus Paris an und verlegt seine Darbietungen hinter die Tore eines Privatclubs, wo er sich mehr Freizügigkeit erlauben kann. Beflügelt vom Zeitgeist feiert er frenetische Erfolge als Clubbesitzer, Partyveranstalter und Verleger. Doch gerade als er sich anschickt, zum reichsten Mann Englands aufzusteigen, stirbt seine geliebte Tochter Debbie (Imogen Poots, «Fright Night») an einer Überdosis …

 

Bild 1: Quinn inmitten seiner Tänzerinnen. So sieht er sich am liebsten und merkt nicht, wie seine Tochter (Bild 2) an Drogen zerbricht. (Mit Maus über Bild fahren)

 

Beim Abspann ist man verblüfft, noch nie von dem umtriebigen und über alle Massen erfolgreichen Lebemann gehört zu haben. Man möchte mehr erfahren, denn die erneute Zusammenarbeit von Regisseur Winterbottom und Hauptakteur Coogan förderte einen reichen und pulsierenden Streifen, der weit über die übliche Film-Biographie hinausgeht. Man spürt deutlich, dass tief in den Archiven gewühlt und an Originalschauplätzen gedreht wurde. Souverän pendelt Coogan zwischen weltmännischem Charmbolzen und kleinbürgerlichem Kotzbrocken, lässt die Hauptfigur mit ihren unfassbaren Abgründen zu einer greifbaren Persona werden. Wohl aus künstlerischem Anspruch wurde die thematisierte Erotik eher züchtig und bisweilen sogar augenzwinkernd umgesetzt, was den Zuschauern angesichts des überall lauernden Schwermuts sehr zugute kommt. Raymond selbst hätte es gefallen. Schliesslich verstand er sich zeitlebens als Entertainer.  

 

«The Look of Love» ist eine Dramödie über eine vertrackte, weil enge Vater-Tochter-Beziehung. Es ist ausserdem eine stimmige, liebevoll gemachte Hommage an einen Mann, der sein Leben lang nach Bestätigung strebte und trotz allem Beifall erkennen musste, dass man mit Geld nicht alles kaufen kann. Schon gar nicht gesellschaftliche Akzeptanz. Möglicherweise ein Grund, weshalb viele noch nie von ihm gehört haben. Eigentlich zu Unrecht, denn womöglich hatte er die sexuelle Revolution der 60er und 70er im selben Masse vorangetrieben wie er von ihr profitierte.  

 

 

  • The Look of Love – UK / USA / 2013
  • Regie: Michael Winterbottom
  • Darsteller: Steve Coogan, Imogen Poots, Anna Friel, Stephen Fry, Tamsin Egerton
  • Drehbuch: Matt Greenhalgh
  • Laufzeit: 101 Minuten
  • Kinostart Deutschschweiz: 28. August 2013
Mike Mateescu / Mo, 26. Aug 2013