Ein leidenschaftliches Vorsprechen

Movie-Kritik: Venus im Pelz
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Im Verleih von Ascot Elite

Nach «Gott des Gemetzels» («Carnage») legt Roman Polanski mit VENUS IM PELZ die filmische Adaption eines erfolgreichen Broadwayhits vor. Sein mit Spannung erwarteter Film - eine erotische Komödie mit Mathieu Amalric und Emmanuelle Seigner (Polanskis Ehefrau seit 1989) in den Hauptrollen - feierte im Frühjahr Premiere bei den Filmfestspielen in Cannes. Seit seiner Verhaftung in der Schweiz im Jahre 2009 wurde es ruhiger um Roman Polanski. Schön, dass dieser bedeutende Regisseur nun wieder voller Tatendrang zu sein scheint. 

 

Bild 1: Der Regisseur Thomas und seine neue Muse Vanda. Bild 2: Schauspiel oder echte Leidenschaft? (Mit Maus über Bild fahren)

 

Das Theaterstück «Venus im Pelz» des amerikanischen Bühnenautors David Ives, das Polanskis Film zugrunde liegt, basiert auf der 1870 erschienenen gleichnamigen Novelle von Leopold von Sacher-Masoch (auf welchen auch der Begriff des Sadomasochismus zurückgeht), und thematisiert ein von lustvoller Selbstunterwerfung und sadistischer Dominanz geprägtes Liebesverhältnis. 

 

Die Grenze zwischen Realität und Phantasie verwischt. 

 

Der Theaterregisseur Thomas und die erfolglose Schauspielerin Vanda treffen bei einem Vorsprechen für die weibliche Hauptrolle von Thomas’ Adaption der Novelle von Sacher-Masoch aufeinander. Zunächst sieht es so aus, als wäre Vanda völlig chancenlos; sie ist Thomas in ihrer lauten, polternden Art zuwider, und ausserdem ist das Vorsprechen offiziell längst zu Ende. Doch nach und nach verwickelt sie Thomas in einen Dialog, der sich rasch zu einer spannenden Mischung aus Vorsprechen mit verteilten Rollen und beissender Stückkritik entwickelt. Die beiden liefern sich ein zuweilen hinreissend komisches, erotisch gefärbtes Katz- und Mausspiel, bei dem sich das unausgesprochene Machtverhältnis zwischen Regisseur und Darstellerin unmerklich immer weiter verschiebt und die Grenzen zwischen ihren wahren und ihren fiktiven Rollen, zwischen Phantasie und Realität, verwischt. 

 

Dieser Film ist ein Genuss für Cinéasten. Die Originalsprache ist französisch, es wird viel und schnell gesprochen, geraucht und der männliche Hauptdarsteller erinnert schwer an Serge Gainsbourg. Zudem spielt der ganze Film in einem einzigen Raum (einem Theater) und ist mit nur zwei Schauspielern besetzt: Dieser Film versteht sich (mit grossem Ausrufezeichen) als Kunst und nicht als Kommerz. Französische Haute Cuisine als Pièce de Résistance gegen die Dominanzstellung der mächtigen «Entertainment-Fabriken» Hollywoods. 

 

Bild 1: Vanda legt viel Emotion in ihr Vorsprechen und genau so viel Energie steckt sie (Bild 2) in das erotische Spiel mit dem Regisseur.  

 

In der Tat ist der Aufbau und die Entwicklung der Interaktion der beiden Hauptdarsteller interessant, die Dialoge witzig und frech, Vanda und Thomas zwei Menschen aus Fleisch und Blut, mit viel Energie, Leidenschaft und Wortwitz. Doch nach einer halben Stunde wird klar, dass dieser Film ein langer Dialog wird – und dies bricht die Spannung und die Neugier etwas. Nach einer Stunde hat sich das Thema erschöpft. Der Film behandelt dasselbe Thema wie die Bestseller-Trilogie «Fifty Shades of Grey» und mir geht es gleich wie mit diesen Büchern: Das erste Buch war fesselnd und ich hab die Bände 2 und 3 auch gleich kaufen müssen – aber dann doch nie gelesen. Das Thema der sexuellen Unterwerfung und Schmerz als Lust lebt vor allem vom Initialschock der Andersartigkeit und Novität für uns Normalos. Und das ausführliche Ausreizen des Themas nimmt ihm diese Spannung. Ausser natürlich, man steht voll auf Sado-Maso und hofft, dass man durch diese offizielle Art des Voyeurismus neue Anreize und Techniken lernt!  

 

  • Venus im Pelz (Frankreich/Polen 2013)
  • Regie: Roman Polanski
  • Darsteller: Emmanuelle Seigner, Mathieu Amalric
  • Laufzeit: 96 Minuten
  • Kinostart: 14. November 2013
markusfreiwillis / Di, 12. Nov 2013