Magische Kinonächte am Zürihorn

Bäckstage: Allianz Cinema am Zürihorn
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Pressebild / © Cinerent AG / Allianz Cinema

Wenn sich im Juli und August die Leinwand über dem See am Zürihorn gegen Himmel hebt, begleitet von beliebten Filmmelodien, glänzenden Augen im Publikum und manchem singenden Schiffshorn, dann sorgt das Allianz Cinema während 31 Tagen für cineastische Stunden.

 

Das Openairkino am malerischen Zürcher Seeufer gehört längst zum festen und beliebten Teil im Zürcher Kulturjahr. Seit über 30 Jahren wird es durchgeführt und es sei jeweils zu rund 95 - 100% ausgelastet, erklärt Peter Hürlimann, CEO der Firma Cinerent, die das Allianz Cinema veranstaltet. «Rund 60% aller Tickets werden von Frauen gekauft», betont Hürlimann und ergänzt: «Das liegt daran, dass bei uns keine Gefahr besteht, blöd angemacht zu werden.» Tatsächlich ist das Publikum sehr entspannt und friedlich. So hat es in 30 Jahren nie Probleme gegeben. Nur in jenem Jahr als die Filmmelodien beim Erheben der Leinwand geändert wurden. «Auf das Drängen von einigen Mitarbeiterinnen habe ich nachgegeben und vielleicht drei Stücke ausgetauscht. An diesem Abend sind viele Leute zu uns gekommen und haben gefragt, wieso wir das geändert hätten. Sie haben reklamiert», sagt er mit einem Lächeln. Seither ist es wieder die bekannte Zusammenstellung und die ist inzwischen heilig.

 

Rund elf Tage für den Auffbau

 

Bevor die erste Sekunde Film über die Leinwand flackert, braucht es einiges an Vorbereitungszeit. Rund elf Tage benötigt das Team, um die Infrastruktur auf dem relativ kleinen Platz am Zürihorn zu errichten. Das geht von der Tribüne mit Filmtechnik über die sanitären Anlagen bis zur Gastronomie. Dabei sei die grösste Herausforderung der Publikumsverkehr, erklärt Peter Hürlimann. Der Bereich um das Zürihorn ist öffentlich und man versucht, so zu planen, dass sich niemand gestört fühlt. Trotzdem wird jeweils mit Security gearbeitet, weil immer wieder Interessierte in die Baustelle schlendern. Das Material wird jedoch inzwischen nicht mehr auf dem Parkplatz ausgeladen, sondern in Containern geliefert und erst im Areal ausgepackt. So ist die Logistik besser planbar und die Bevölkerung wird weniger gestört.

 

Damit ein Openairkino mit 1750 Personen pro Vorführung problemlos ablaufen kann, sind sehr viele Menschen im Einsatz. Exakt wurden sie von Cinerent nie gezählt. «Man sieht aber am letzten Abend, wenn sich das Team vor der Leinwand versammelt, wie viele Menschen für das Allianz Cinema im Einsatz sind. Ich erschrecke jeweils selbst», sagt Peter Hürlimann mit einem Lachen. Er schätze die Zahl auf ungefähr 60 Personen.

 

Am Allianz Cinema wird ein sorgfältig gestaltetes Programm gezeigt. Das hat einen Grund. «Im Gegensatz zum Kinosaal ist man bei uns nicht so anonym. Es ist hell genug, um andere Menschen zu erkennen. Daher funktionieren gewisse Szenen nicht», erklärt Peter Hürlimann. Er meint beispielweise besonders freizügige oder brutale Szenen. Schaut man aber auf die letzten 30 Jahre, hat sich die Mischung gut bewährt und manche werden am Zürihorn schon magische Kinonächte erlebt haben. «Im ersten Jahr haben wir «Amadeus» von Milos Forman gezeigt. Im Film gibt es eine Friedhofsszene, die etwas düster ist und in der es regnet. In dem Moment hat es angefangen zu tröpfeln und die Leute haben das gemerkt», erzählt Hürlimann als Beispiel und meint, dass man eigentlich eine Anlage für solche Effekte hinter die Tribüne bauen sollte. Die Ideen gehen dem Openairkino-Pionier also nicht aus.

 

Streitigkeiten und «Mafia-Steuer»

 

Das war schon immer so. Als Peter Hürlimann die Idee zum Openairkino hatte, stiess er zuerst auf Widerstand. «Damals gab es ein Kartell aus dem Kinobesitzer-Verband und dem Verleiher-Verband. Dieses ist aus der Nazi-Zeit hervorgegangen, weil man verhindern wollte, dass deutsche Filme in der Schweiz gezeigt werden», erzählt Hürlimann. Als Konsequenz konnte er keine Filme lizensieren und ein Beitritt zum Verband war ebenfalls kein Thema, da er kein Kinobesitzer war. Hürlimann blieb hartnäckig. «Also musste eine Einigung her, was zu grossem Streit führte. Der Streit hat damit geendet, dass der Verband 20% der Einnahmen bekommen hat. Das fanden sie gut, weil sie diese Einnahmen bekamen, ohne etwas dafür zu tun», sagt er. Das Openairkino wurde ein grosser Erfolg und plötzlich erkannte der Verband, dass sich eine Möglichkeit bietet, Filme nach der Kinoauswertung nochmals zu zeigen. «Also hiess es plötzlich, dass die Kinobesitzer nicht den Rest der Schweiz sperren dürfen. Entweder mussten die Kinos selbst Openairkinos veranstalten oder andere machen lassen», erzählt Hürlimann. Das wollten die Kinobesitzer aber nicht. So haben die Kinobesitzer und die Verleiher gestritten und sich schlussendlich zu Gunsten des heutigen Allianz Cinema bzw. aller Openairkinos geeinigt. «Aber ich habe den Kinobesitzern 550‘000 Franken gezahlt. Ich nenne das gerne Mafia-Steuer», ergänzt er mit einem Schmunzeln.

 

Ein festes Highlight im Programm ist immer die Surprise Night, bei der eine Vorpremiere gezeigt wird, deren Titel bis zum Filmstart geheim bleibt. Das diesjährige Programm hat daneben einige Perlen zu entdecken bzw. wiedersehen. Arthouse-Leckerbissen wie «Drunk» mit Mad Mikkelsen, «Official Competition» oder «Madres Paralelas», beide mit Penélope Cruz, werden genauso gezeigt wie Blockbuster wie «The 355», «Dune» oder «Tod auf dem Nil». Sogar «Gray Man», auf den Netflix grosse Stücke hält, kann man sehen. «Elvis» singt, Tom Cruise fliegt in «Top Gun: Maverick» über die Leinwand, Brad Pitt gibt in «Bullet Train» einen Auftragskiller und Nicolas Cage spielt in «Massive Talent» quasi sich selbst. Aus Schweizer Sicht ist «Soul of a Beast» zu erwähnen. Wer den subtilen Horror von Jordan Peele mag, kann sein neues Werk «Nope» sehen und mit «House of Gucci» und «The French Dispatch» sind zwei Filme von Kultregisseuren dabei, nämlich von Ridley Scott bzw. Wes Anderson. Das ganze Programm findet sich auf allianzcinema.ch.

 

Bei Klassikern fehlen oft Lizenzen

 

Bei der Zusammenstellung des Programms wird darauf geachtet, welche Filme kürzlich im Kino gelaufen sind und noch Potential haben. Klassiker sind dabei zunehmend weniger im Programm. Das liegt einerseits an den veränderten Sehgewohnheiten. «Wenn ich heute einen jungen Menschen nach Fellini frage, hat der oft keine Ahnung, wovon ich spreche», erzählt Filmliebhaber Peter Hürlimann und bedauert diese Entwicklung. Andererseits sind schlicht weniger Klassiker verfügbar. «Ich hätte zum Beispiel gerne im letzten Jahre «Pink Floyd: The Wall» gezeigt, aber den bekommt man nicht», sagt er. Damit ein Film im Kino gezeigt werden kann, muss man eine Lizenz besitzen. Heute sind diese Lizenzen aber bei vielen Verleihern gar nicht mehr verfügbar, weil sie die Rechte an einem Film nur für kurze Zeit oder einzelne Bereiche kaufen. «Also muss man weltweit schauen, wer die Lizenz hat und ob diese freigegeben wird. Bei «The Wall» ist diese schlicht nirgends zu finden und so kann ich den Film nicht einfach zeigen», erzählt Peter Hürlimann. Zudem kommt es vor, dass alte Filme teilweise gesperrt sind, weil etwa ein Relaunch auf Blu-Ray geplant ist oder eine Fortsetzung in die Kinos kommt. «Wir wollten irgendwann «Star Wars» zeigen und durften nicht, weil gerade ein neuer Teil der Saga herauskam», unterstreicht Peter Hürlimann diesen Aspekt.

 

Und wenn alle Filme gezeigt wurden, bleibt die Leinwand, die einen Wert von über einer Million Franken hat, nicht im Zürichsee stehen, sondern reist zusammen mit dem Inventar per Schiff nach Sydney, wo Hürlimann und sein Team jeweils im Januar ebenfalls ein Openairkino betreiben. In atemberaubender Kulisse mit Blick auf das Opernhaus und die Harbour Bridge. Wie in Zürich steht die Leinwand, drei Stück besitzt die Cinerent, auch in Australien mitten im Wasser. Bemerkenswert ist, dass die Verankerung im Zürichsee auch nach 30 Jahren keine Schäden aufweist. «Das sind zehn, zwölf Meter lange Rohre, die fest im See verankert wurden», erklärt Hürlimann. Dazu kommen zwei Adapter, einer sechs Meter lang, der andere zwei Meter, die an den Rohren angebracht sind. Weiter läuft ein Rohr nach vorne, damit die Leinwand wie ein Tisch über dem Wasser hängt und weniger dem Wetter ausgeliefert ist. «Wenn wir diese Rohre rausnehmen würden, würden die glänzen, wie neu, weil sie versiegelt sind», erklärt Peter Hürlimann. Die Leinwand im Zürichsee kann einer Windgeschwindigkeit von bis zu 96 Km/h standhalten, was viel ist. Darum ist die Idee mit dem Abklappen als Entschärfung entstanden. Die Chance, dass er Wind genau in den zwei bis drei Stunden, in denen die Leinwand aufgerichtet ist, so stark bläst, ist nicht so hoch.

 

Zweimal abgesagt in 30 Jahren 

 

Bis jetzt musste das Allianz Cinema in 30 Jahren nie wegen eines Sturms abgesagt werden. «Vielleicht drei- oder viermal haben wir auf dem Radar gesehen, dass etwas kommt, und haben die Leinwand wieder heruntergefahren, um die Front abzuwarten. Die Leute sind in der Zeit schnell unter die Tribüne und nach einer Viertelstunde konnte der Film fortgesetzt werden», erzählt Hürlimann. Von über 900 Vorstellungen mussten nur zwei abgesagt werden. Einmal drang Wasser vom nahen Hornbach ins Gelände und die Feuerwehr drängte auf eine Absage, weil die Gefahr für einen Stromschlag bestand. Ein anderes Mal wurde die Leinwand beschädigt und kurzfristig war kein Ersatz aufzutreiben.

 

Bleibt als für das Jahre 2022 zu hoffen, dass das Wetter mitspielt. Vielleicht kommt dann auch Freddy, der vermutlich seit der ersten Durchführung in jeder Vorstellung sitzt, wieder ans Zürihorn. «Irgendwann habe wir Freundschaft geschlossen und haben ihm auch mal einen Pass geschenkt», erzählt Peter Hürlimann mit einem Leuchten in den Augen und man spürt, dass das Allianz Cinema für ihn eine Passion ist. «Jemand kommt jedes Jahr und feiert den Geburtstag der Grossmutter bei uns», erzählt er. Andere hätten sich am Zürihorn kennengelernt und geheiratet, fügt er an und bringt damit auch die Magie auf den Punkt: Das Allianz Cinema ist familiär und menschlich.

 

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Dieser Artikel ist Teil einer Contentpartnerschaft mit Zuerich24.ch

 

Bäckstage Redaktion / Do, 30. Jun 2022