Das Massaker vermag nicht zu packen

Besuch: Filmpremiere «Das Missen Massaker»
Bildquelle: 
Filmcoopi

Einladung zur Zürcher Gala Premiere vom 22.8.2012 lautet die Überschrift der E-Mail. Mein Interesse ist geweckt. Premiere feiert der Film mit dem klangvollen Namen «Das Missen Massaker». Verantwortlich ist der Schweizer Regisseur Michael Steiner, der auch Macher der Filme «Grounding», «Mein Namen ist Eugen» und «Sennentuntschi» ist – also kein Unbekannter in der Schweizer Filmwelt. Die Akkreditierung wird rasch bestätigt und wir machen uns zu zweit auf den Weg zum Bellevue.

 

Gut haben wir das Briefing genau durchgelesen. Dort wurde – nebst Anweisungen wie bitte keine Fotos und Interviews während der After-Party im Kaufleuten – auch der Dresscode bekannt gegeben: Cocktail. Nach kurzer Befragung von Google wissen wir, dass wir uns nicht als Cocktail verkleiden sollen, sondern ein «kurzes, chices Kleid» anziehen müssen. Zurechtgemacht und vorbereitet für die Flash-Interviews (nicht länger als eine Minute pro Interviewpartner), holen wir unsere Medien-Bändel im Mascotte ab. Wir rätseln nachher noch ein wenig, was der nette Mann vom Filmbüro gemeint hat mit «aber gäll, ihr tüend denn uf em Pink Carpet scho au chli schaffe und nöd nur umeflirte.»

 

Schlaue Film-Missen

 

Zum Flirten bleibt uns sowieso keine Zeit, denn vor dem Pink Carpet drängen sich schon die Kollegen von TV und Radio. Um 19:30 Uhr fahren die ersten Limousinen vor. Ihnen entsteigen elegant die Film-Missen. Im Medienbereich direkt am Teppich ist das Leben nicht ungefährlich. Öfters entkommen wir nur knapp einer Kollision mit der Kamera, die der Mann vom SF mit grossen Bewegungen direkt neben uns hin- und herschwenkt. Gleichzeitig schaffen wir es, die von den anderen Medienleuten heiss begehrte «Miss Goldküste» (Lisa Maria Bärenbold) zu fragen, was während des Drehs in Thailand das Gesprächsthema Nummer 1 gewesen sei. «Gute Frage. Das Essen? Der Film? Wir sind so schnell enge Freundinnen geworden, dass wir schon bald die typischen Mädchenthemen besprochen haben», erzählt die symphatische Blondine. Wir können uns nicht verkneifen sie noch kurz einem Missen-Intelligenz-Test zu unterziehen und fragen: Was ist die Hauptstadt von Thailand? «Bangkok. Eine tolle Stadt!», antwortet Bärenbold wie aus der Pistole geschossen. Immerhin wurde der Grossteil des Filmes in Thailand gedreht.

 

Michael Steiner: «Locarno war super!»

 

 

                        Michael Steiner mit seiner Frau Minerva

 

Nun ist es kurz vor 20 Uhr und die Aufregung um uns herum verrät: Der wahre Star des Abends ist eingetroffen. Michael Steiner schreitet mit seiner Frau Minerva über den pinken Teppich. Wir stehen in der Ecke am Rande des Pressebereiches. Steiner muss auf dem Weg zu uns schon einige Fragen beantworten. Er wirkt leicht gestresst als er bei uns ankommt.

 

Der geneigte Leser muss an dieser Stelle wissen: Das Missen Massaker wurde nach der Erstaufführung am Filmfestival in Locarno von Filmkritikern regelrecht verrissen. Unsere Frage ist deshalb etwas heikel, wir stellen sie trotzdem: «Herr Steiner, Sie haben letztens in einem Interview gesagt wenn ein Film an der Premiere floppt, wird das schnell zum persönlichen Horror. Was sagen Sie nach Locarno? Horror oder Komödie?»

Der Regisseur verteidigt seinen Film vehement: «Locarno war super. Es haben drei Leute gepfiffen. Einige Journalisten haben das dann natürlich gleich geschrieben. In Locarno sind jeweils 8‘000 Menschen vor Ort – dass da drei pfeifen ist gang und gäbe. Es gibt auch Abende an denen 300 pfeifen. Während der Vorführung gab es dreimal Szenenapplaus - das  wiederum hat fast niemand erwähnt. Die meisten Leute mit einem Premiereticket haben auf jeden Fall gelacht.»

 

                        Anouschka Renzi spielt die Missen-Mutter

 

Jetzt sind wir umso gespannter, den Film zu sehen. Wir schaffen es gerade noch rechtzeitig in den Kinosaal, wo der Ex-«Viva»-Moderator Max Loong die Begrüssungsrede hält. Er wird abgelöst von Michael Steiner, der vom Publikum gefeiert wird wie ein Popstar. Die Zuschauer ereifern sich, rufen  «Michi» und «Steini». Der Filmemacher schmunzelt: «Mit Sennentuntschi haben wir einen schweren Film gemacht, deshalb wurde es nun Zeit für etwas Leichtes.» Den nicht enden wollenden Applaus kommentiert er mit: «Vielen Dank. Ich hoffe, es gefällt euch nachher noch genauso gut!»

 

Missen Massacker: Schöne Frauen, langweilige Story

 

Der Film selber hat einige gute Jokes und immer wieder gibt es Lacher aus den Zuschauerrängen. Vor allem «Miss Goldküste» schaut man gerne zu und auch «Miss Röschti» ist nicht schlecht. Im Grossen und Ganzen kommt man aber auch mit viel Goodwill nicht darum herum, den Kritikern Recht zu geben. Die Story ist langweilig und man fragt sich: Wer will das wirklich sehen? Das Klatschen nach dem Film fällt dann auch deutlich verhaltener aus. Die Darsteller kommen nach vorne, Steiner bedankt sich und Loong verabschiedet das Publikum mit: «Wer einen pinken Bändel hat, wird mit einem Spezialtram zum Kaufleuten gefahren. Alle anderen müssen halt laufen.» Wir haben einen grün-weiss karierten Bändel. Wir laufen aber trotzdem nicht, sondern nehmen einfach ein normales Tram, das uns genauso verlässlich an die Sihlstrasse bringt.

 

                        Nadine Vinzens beherrscht den Ost-

                        schweizer Dialekt perfekt.

 

Im Kaufleuten marschiert dann nochmals die ganze Film-Armada auf. Im Saal hat man eine VIP-Zone abgesperrt. Der restliche Raum ist auch dem gemeinen Fussvolk zugänglich. Die Stimmung ist locker, die Nacht aber nicht allzu lange: kurz vor Mitternacht leert sich der Club deutlich. Auch wir machen uns auf den Heimweg und hoffen, dass wir mittlerweile zu müde sind, um heute Nacht von aufgeschlitzten Missen zu träumen.

 

Mitarbeit: Laura Zeller

Linda von Euw / Do, 23. Aug 2012