Interview mit Georg Gerster

Interview mit Georg Gerster
Bildquelle: 
© Georg Gerster

Gastbeitrag von Heier Lämmler. 

 

Am Freitag öffnete in Teheran, im Kulturzentrum Niavaran, eine Ausstellung mit 135 grossformatigen Bildern des weltberühmten Fotografen Georg Gerster. In Anwesenheit des 88-jährigen Schweizers. Danach zieht die Ausstellung durch weitere iranische Städte. Seine faszinierenden Bilder von unvergleichlicher Schönheit entstanden in den 70er Jahren. Es sind Perspektiven, welche die meisten Iraner in dieser Form wohl nicht kennen und sie sind sein Geschenk an die Bevölkerung dieses Landes.

 

Heier Lämmler ist Medienmann aus Zürich und hatte die Chance, mit Georg Gerster zu sprechen, bevor dieser nach Teheran gereist ist.

 

 

Herr Gerster, mit 88 Jahren reisen Sie in diesen Tagen noch in den Iran, nach Teheran. So eine Reise ist ja wirklich kein Katzensprung. Wie fühlen Sie sich kurz vor dem Abflug?

 

Georg Gerster: So wie immer, aber etwas nervöser. Zwar hat die Kuratorin, Sylvie Bouny, in Paris, die Ausstellung hervorragend vorbereitet, aber es bleiben mögliche unvorhersehbare Schwierigkeiten bei der Hängung der Bilder im Niavaran Kulturzentrum.

 

Im Vergleich zu früheren Reisen, erscheint die jetzige in ihrem Alter fast mutiger. Ist bei Ihnen in irgend- einer Form das Pionier- und Abenteuer-Gen ihrer jungen Jahre wieder erwacht?

 

Was heisst hier junge Jahre?– Ich habe noch mit 80 meine frühere Reisetätigkeit weiter gepflegt – ohne Rücksicht auf meinen Körper, der in die Jahre kam. Seither antworte ich auf die Frage, wie es mir geht, stets mit: altersbereinigt – gut. Allerdings: der Aufwand für die Bereinigung steigt. Ich werde im Iran meine eigene Spitex sein und meinen operierten Fuss pflegen.

 

Fotograf Georg Gerster im Archiv. (ZVG / pro@motion) 

 

Es heisst, Ihre Bilder und die Ausstellung seien ein Geschenk an das iranische Volk. Konkret gefragt: Worin besteht das Geschenk?

 

Ich schenke die Ausstellung als Ganzes dem iranischen Volk – ein Gegengeschenk. Ich habe seinerzeit, in den Jahren 1976 bis 1978, unglaubliche Privilegien genossen – ein Flugzeug mit Piloten, das mir jederzeit zur Verfügung stand, und eine unbegrenzte Benützung des iranischen Luftraums. Das Geschenk besteht aus 135 Bildern, die auf 127 Gewebestücken aus Polyester gedruckt sind. Die Bilder werden nach dem Ende der Ausstellung in Teheran von dem iranischen Automobil- und Touring-Club, einer halbstaatlichen Organisation, verwaltet und über die nächsten Jahre in allen grösseren iranischen Städten gezeigt. Das Geschenk besteht ausschliesslich aus den Bildern, die in der Schweiz, von ERC in Uster, hergestellt wurden. Die Copyrights bleiben bei mir.

 

Verkaufen Sie dort keine Bilder? 

Wir werden in Teheran eine Galerie beauftragen, mögliche Bildverkäufe zu organisieren. Man kann Bilder auch über die Webseite www.georggerster.com kaufen.

 

Wie kam es überhaupt zu dieser Ausstellung?

Schon während meiner Arbeit 1976 bis1978 waren ein Buch und eine Ausstellung geplant. Das Projekt musste nach der iranischen Revolution 1979 storniert werden. Aber es blieb jahrzehntelang als Fernziel lebendig. Bei Kontakten mit dem iranischen Botschafter in Bern, der jetzt Botschafter bei den Vereinten Nationen ist und sich für Kulturtransfers stark macht, ergab sich, dass mit der politischen Liberalisierung in Iran eine Ausstellung, deren Bilder zur Zeit des Schah-Regimes entstanden waren, nicht mehr unmöglich war.

 

Ihre faszinierenden Iran-Bilder sind in den 70-er Jahren entstanden. Sie sagten einmal «Aus der Höhe sieht man nicht nur, was ist, sondern ebenso, was sein könnte, das Inventar unserer Chancen.» Heute, auch noch aus der Zeitperspektive betrachtet: Hat die Menschheit laufend Chancen verpasst? 

Hat verpasst? Wir verpassen sie doch laufend.

 

Was empfinden Sie im Heute grundsätzlich besser als im Gestern? 

Die ungeheuer gewachsene Einsicht in die Systemzusammenhänge, etwa die ökologischen – und so schwer es im einzelnen fällt, nach dieser Einsicht zu handeln.

 

Die Shah Mosque,Isfahan (Bild von 1976 / © Georg Gerster)

 

Was versprechen, resp. erhoffen Sie sich von der Ausstellung in Teheran?

 

Ich sehe die Ausstellung nicht als die gewohnte Surfing-Schau – surfen von Bild zu Bild. Sie summiert sich zu einer Immersion – einem Eintauchen in Irans Kultur und Geschichte, in Persiens spirituelle und territoriale Geographie.

 

Es erscheint mehr denn je: Unsere Welt ist voller Dissonanzen, warum tut sich die Menschheit so schwer mit Harmonie?

 

Fortschritt, denke ich, setzt Dissonanz voraus – nicht Harmonie.

 

Vermitteln die vielen neuen Medien eher falsche, schreckliche Gegenwartseindrücke?

 

Sie unterstehen dem alten Gesetz: Hund beisst Herrn, no news, Herr beisst Hund, news.

 

Sehen Sie selber die Zukunft für die Menschheit und die Erde positiv, oder denken Sie manchmal: «Nach mir die Sintflut»?

 

Vor der Sintflut habe ich keine Angst, wir werden sicher überleben. Bis die Sonne in einigen Milliarden Jahren die Menschheit röstet. Aber ob wir überleben, wie wir heute sind, als arrogante Profiteure unseres Planeten, daran zweifle ich.

 

Am Abend Ihres reichen, abenteuerlichen Lebens: Was für eine Botschaft oder Erinnerung möchten Sie dereinst mit ihren Bildern hinterlassen?

 

Mit Botschaften habe ich so meine Schwierigkeiten. Ich halte mich da an Cecil B. DeMille, der, nach der Botschaft eines seiner Filme gefragt, antwortete: if you have a message, use Western Union. Mein Telegramm lautet: enjoy!

 

Fotografieren Sie eigentlich selber noch? Zum Beispiel auf der Reise nach Teheran?

 

Ich greife nur noch selten zur Kamera, auf der Reise nach Teheran wird mich Nikon nicht begleiten.

 

Georg Gerster, vielen Dank für das Gespräch. Und gute Reise!

 

 

  • Mehr Informationen zu Georg Gerster und zur Fotoausstellung gibt es auf der Website des Fotografen
  • Die Ausstellung im Kulturzentrum Niavaran in Teheran läuft bis zum 1. Oktober 2016. Danach geht sie auf Tour und wird an verschiedenen Orten gezeigt. 

 

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Dieser Beitrag wurde uns von Heier Lämmler freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank dafür. 

 

Bäckstage Redaktion / Di, 20. Sep 2016