Matthew E. White: «Meine Musik ist nicht southern»

Interview mit Matthew E. White
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Bildcredit: © Shwan Brackbill

Als ich im Ziegel Oh Lac ankomme, steht Matthew E. White auf der Bühne und blüht schon im Soundcheck völlig auf. Im Interview wird dann auch klar, wieso das so ist. Matthew E. White liebt es, auf der Bühne zu stehen. Der Amerikaner mit Rauschebart und gemütlicher Aura überlegt sich seine Antworten genau und kommt ins Schwärmen, wenn es um die Aufnahmen zum ersten Solo-Album «Big Inner» geht. Aber er erzählt auch, wie er zu Spiritualität steht. 

 

Dein erstes Soloalbum «Big Inner» funktioniert als Album bestens. Wie lange hast du daran gearbeitet?

 

Da gibt wie zwei Antworten. Ich habe am Material für «Big Inner» von September 2010 bis zu den Aufnahmen im Februar 2011 gearbeitet, also ungefähr sechs Monate.  Aber der andere Teil der Geschichte ist mein Umfeld. Die Musiker, mit denen ich befreundet bin, genauso wie meine persönliche Entwicklung. Ich habe ein Label gegründet, eine Promotionsagentur oder habe in Jazzbands gespielt. Es hat einfach gedauert, bis alle Faktoren zusammengepasst haben. Als ich 2003 nach Richmont gezogen bin, hätte ich das Album «Big Inner» nicht machen können. Nicht wegen den Songs, sondern weil mir einfach die richtige Infrastruktur gefehlt hat. Das ist die zweite Antwort. 

 

Aufgenommen hast du das Album in Richmont, mit einer grossen Anzahl Musiker. Neun Bläser, acht Streicher und noch mehr. Wie hast du die Aufnahmen koordiniert? 

Das ist eine Sache der Administration. Du machst solche Dinge ja oft und Musiker sind bekannt für organisatorisches Geschick. Es ist ja nicht unbedingt Raketenwissenschaft, einen Termin im Kalender zu finden. Man sagt beispielsweise im November, dass die Aufnahmen für die Streicher am 14. Februar stattfinden. Dann schaut man, ob das allen passt. Man muss darauf achten, dass die Arbeit funktioniert. Aber manchmal dauert die Organisation von kleinen Dingen eine lange Zeit.

 

Gab es bei den Aufnahmen besonders schöne Momente?

 

Das ist eine gute Frage. (überlegt lange)  Der Tag, als wir die Streicher aufnahmen, war grossartig. Es war das erste Mal, dass ich mit Trey (Pollard, Mitglied von Matthews Band, Anm. der. Red.), der die Streicher-Arrangements gemacht hat, gearbeitet habe. Inzwischen arbeiten wir sehr eng zusammen. Die Streicher waren zudem die Leute, mit denen ich zuvor am wenigsten zu tun hatte. Ich kannte viele nur flüchtig und dann siehst du die alle im Studio, wie sie die ganzen Arrangements spielen und alles funktioniert. Du schreibst die Teile für die Passagen der Hörner und die Streicher, machst die Rhythmussektion und am Schluss siehst du, wie alles funktioniert und Sinn macht. Als alle diese Teil zusammenkamen und funktionierten, das war schon ein grosser Moment. 

«a gentlemans psychedelia from the new world»

 

Ich habe eine Kritik gelesen, in der es heisst, deine Musik sei Southern Soul. Wie würdest du deine Musik einordnen?

 

Ich würde sie als sehr amerikanische Musik bezeichnen. Wenn du mich fragst, wie ich meine Musik sehe, würde ich sie nicht als «southern» bezeichnen. Für mich ist dafür zu wenig Konstanz in meiner Musik. Es kann vorkommen, weil ich aus Virgina stamme und meine Eltern ihre Wurzeln in Alabama haben und das sind typische Südstaaten. Aber ich wuchs international auf. Zeitweise lebte ich an einem Strandort und das ist nicht typisch für die Südstaaten. Ich glaube, meine Musik ist sehr amerikanisch, ein bisschen psychedelisch. Ich würde sie vielleicht mit «a gentlemans psychedelia from the new world» umschreiben. Sie ist etwas verrückt, aber nicht wütend, dafür ein bisschen wild. Das bedeutet für mich sehr amerikanisch. 

 

Deine Musik basiert auf Soul und etwas Gospel, also Musik, die oft mit Spiritualität verbunden wird. Wie stehst du zu Spiritualität?

 

Ich habe einen sehr spirituellen Background. Das heisst nicht, dass ich jeden Sonntag in die Kirche gehe, aber ich sehe die Welt schon als spirituelles Konstrukt. Aber nicht zwingend auf eine religiöse Weise. Das habe ich in der Vergangenheit so gesehen und meine Eltern haben das sicherlich auch getan. Ich sehe mich irgendwie auf meinem Weg und den gehe ich. Aber ja, ich würde mich schon als spirituell bezeichnen. 

 

Du hast daneben noch die Jazz Big Band «Fight the Big Bull». Wie bist du zum Jazz gekommen?

 

Ich bin zum Jazz gekommen, weil ich Musik studieren wollte. In den USA kannst du entweder Jazz oder Klassik studieren. Ich wusste, dass Klassik für mich nicht in Frage kam. Um ehrlich zu sein, ich bin in einem Plattenladen gegangen und habe mir Scheiben von Miles Davies oder John Coltrane gekauft, um etwas zu lernen. Ich habe schon lange vorher Gitarrenstunden genommen, aber plötzlich wollte ich Jazz-Gitarrenstunden, also ging ich zum Unterricht. So lernte ich Jazz zu lieben und entdeckte mit der Zeit, dass sehr viel in der amerikanischen Popmusik, also die Skelette und die Strukturen, stark auf Big-Band-Musik und Jazz basieren. Ich habe mal für eine Halloween-Party «Thriller» von Michael Jackson für eine Big Band arrangiert und war erstaunt, wie nahe die Form bei Big Band Musik ist. Es klingt natürlich nicht so, aber die Art, wie die Streicher oder auch Gesangspassagen produziert sind, ist schon ähnlich. Das war für mich eine gute Erfahrung, die mir half, die Verbindung zwischen Rock, Gospel, Blues und Jazz, also all den Dingen, die ich liebe, zu machen. Weil ich damit umgehen konnte, war ich plötzlich fähig, ein Album wie «Big Inner» zu machen. Ich konnte es als Ganzes sehen. 

 

Und zu Schluss: Was hast du als Nächstes geplant?

 

Das Plattenlabel Spacebomb (Das eigene Label von Matthew E. White, Anm. der Red.) ist sehr wichtig für mich und ein Ziel ist es, eine neue Spacebomb-Platte zu veröffentlichen. Vielleicht im Herbst. Aber das wird nicht mein Album sein, sondern ich werde arrangieren und produzieren. Der andere Punkt ist das Touren mit der Band. Das ist eine wirklich gute Schule und komplett anders als die Arbeit im Studio. Dabei sind natürlich die Leute, die auf meiner Platte gespielt haben und mit denen ich Spacebomb mache, aber live zu spielen ist nochmals eine ganz andere Sache. Dabei kann man viel lernen. Den Umgang mit dem Publikum und die Verbindung mit den Musikern um dich herum und ich freue mich, dass wir 2013 auf Tour sein werden. Wenn ich wieder zuhause bin, bekomme ich sicher die Chance an neuen Songs zu arbeiten. Und vielleicht wird es dann 2014 eine neue Platte geben. 

 

 

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Patrick Holenstein / Di, 30. Apr 2013