Dropkick Murphys: Das Spiel mit dem Dynamit

Interview mit Al von den Dropkick Murphys
Rockten Zürich: Die Dropkick Murphys
Bildquelle: 
Facebook / Dropkick Murphys

Im Januar 2013 beehrten die Dropkick Murphys Zürich. Support für die Amerikaner machte kein Geringerer als Frank Turner. Keine Frage, dass Bäckstage.ch diese Gelegenheit beim Schopf packte und gleich beide Sänger interviewte. Entstanden sind zwei Interviews, die inhaltlich teils eng miteinander verknüpft sind. Unsere Empfehlung: Beide lesen. Denn nur so bekommt man einige Informationen vollständig. Und kleiner Tipp: Mit dem von Frank Turner anfangen. 

 

Seit der Gründung der Dropkick Murphys hattet ihr einige Wechsel bei den Mitgliedern. Wie war es da möglich, eure Philosophie und die Idee hinter der Band zu erhalten?

Al Barr: Als ich vor 15 Jahren zu den Dropkick Murphys stiess, gab es sie erst seit zwei Jahren und die Band war weder gross etabliert noch bekannt. Wir waren nur vier Leute mit den Instrumenten Schlagzeug, Bass, Gitarre und den Vocals. So blieb es bis wir 2001 «Sing Loud, Sing Proud!» aufnahmen. Wir hatten schon immer einen keltischen und irish-folkigen Einfluss in unserer Musik. So etwas mit Hilfe von Studiomusiker auf ein Album zu bringen war leicht. Das Problem waren die enttäuschten Fans, wenn sie bei den folgenden Live-Konzerten jeweilsnur vier Leute auf der Bühne sahen und nicht alle Instrumente, die auf der Aufnahme zu hören sind. Darum stockten wir nach diesem Album die Band auf sieben Mitglieder auf. Es ist jedoch ziemlich schwierig, eine siebenköpfige Truppe über längere Zeit zusammenzuhalten. Die vielen Wechsel sind eine natürliche Konsequenz. Die Gruppe ist das Rad, das sich dreht, und die Musiker sind die Speichen. Speichen werden manchmal rostig und dann muss man sie ersetzen. In der jetzigen Konstellation spielen wir nun aber schon seit sechs Jahren. Das Mantra der Dropkick Murphys ist «es geht nie um die einzelne Person, sondern immer um die Band als Einheit».

 

Ihr seid sehr viel unterwegs. Wie funktioniert das mit euren Familien?

Ich bin seit 16 Jahren am Touren mit jeweils maximal einem Monat Pause zwischendurch. Das ist sehr anstrengend. Wir haben alle eine Familie, sind verheiratet. Das macht das viele Unterwegssein natürlich noch schwieriger. Aber wenn wir dann einmal zu Hause sind, dann sind wir das 24 Stunden jeden Tag. Ich muss dann ja nicht arbeiten gehen, sondern kann meine Frau unterstützen und Zeit mit unseren Kindern verbringen. Eigentlich sollte meine Frau mehr Geld verdienen als ich. Sie leistet zu Hause mit unseren Kindern fantastische Arbeit.

 

Wir werden in unserer Musik nicht plötzlich Trompeten oder Reggaerhythmen einbauen

 

 

Man liest über die Dropkick Murphys immer wieder, dass sich euer Musikstil seit vielen Jahren kaum weiterentwickelt. Es entsteht nichts Neues mehr, sondern nur die einfachen Partysongs, die wir von euch kennen. Wie seht ihr das?

Wir sagen «wenn etwas nicht kaputt ist, dann flicke es auch nicht». Natürlich wollen wir jedes Album interessant und aufregend gestalten mit Songs, die neu klingen und nicht wie Kopien unserer älteren Werke. Aber gleichzeitig ist das Musikrezept der Dropkick Murphys etwas Stetes. Wir werden nicht plötzlich Trompeten oder Reggaerhythmen einbauen. Wir wollen die Dinge einfach behalten, indem wir Rock, Punk und Folk miteinander vermischen. Bei «Sing Loud, Sing Proud!» von 2001 hat noch jedes Stück seinen eigenen, klaren Stil. Zuerst kommt ein Rocksong, dann ein Punksong, dann ein Folksong und so weiter. Wir mussten erst lernen, die Folkinstrumente passend in unsere Musik einzubauen. Mit jedem Album sind diese Stile mehr und mehr miteinander verschmolzen, so dass jeder neuere Song aus rockigen, punkigen und folkigen Elementen besteht. Auf den letzten zwei Alben befinden sich nun wirklich die Dropkick Murphys mit ihrem eigenen Musikstil. 

 

Ihr habt gerade euer neues Album «Signed and Sealed in Blood» veröffentlicht. Kommt die CD so an, wie ihr es erwartet habt?

Wir haben eigentlich keine Erwartungen. Wenn man Erwartungen hat, wird man nur enttäuscht. Aber wir freuen uns, dass das Album so gut ankommt. In Deutschland stieg es auf Platz fünf in die Charts ein, in den USA auf Platz neun. Darüber sind wir sehr glücklich.

 

Wenn ihr Songs schreibt, wie geht ihr dabei vor?

Es kommt vor, dass wir alle zusammensitzen um ein Stück zu schreiben. Manchmal kommt auch ein Bandmitglied mit Lyrics und Musik für einen Song. Wir sind alle wie Köche. Zu viele Köche verderben bekanntlich den Brei. Generell schmeckt unser Resultat jedoch sehr gut.  Würde man uns aber alle gemeinsam in einen Raum stecken mit Stift und Papier und sagen «Schreibt einen Song!», würden wir uns wohl schnell mal an die Gurgel gehen. Ein Song entsteht aus einem Gefühl. Das ist es, was unsere Musik real macht. Wir nehmen uns nicht vor: «Oh, jetzt schreiben wir mal ein Liebeslied». Wenn jemand aus der Band ein Liebeslied schreibt, dann weil er gerade sehr viel Liebe im Herzen trägt und diese gerne teilen möchte. Auf diese Art kreieren wir diese spezielle Bindung zu unseren Zuhörern. Auch wenn wir nicht so viele Anhänger wie Michael Jackson haben, sind uns unsere Fans genau wegen dieser Verbindung über 15 Jahre so loyal geblieben.

 

 Das Warten kurz vor den Auftritten fühlt sich an, als würde ich eine Dynamitstange in der Hand halten

 

Wo holt ihr euch eure Inspiration?

Die Inspiration kommt aus dem täglichen Leben. Ich werde von meinen Kindern inspiriert, meiner Frau, meinen Freunden, dem was auf der Strasse passiert. Oder von einem Traum, den ich gehabt habe.

 

Wie bereitest du dich auf ein Konzert vor? Hast du irgendein spezielles Ritual?

Ich mache Aufwärmübungen für meine Stimmbänder und Atemübungen. Dann versuche ich einfach, in meine Rolle zu schlüpfen. Das heisst nicht, dass ich auf der Bühne etwas vorspiele. Aber wenn wir 16 Konzerte hintereinander spielen und jeden Abend versuchen, das Beste zu geben, dann besteht die Gefahr, in eine Wiederholschleife zu fallen. Und das merken die Zuschauer natürlich. Ich möchte nicht, dass mir das passiert. Denn dann kommen die Zuhörer nicht mehr zurück. Darum müssen wir in die Rollen schlüpfen, die wir live verkörpern. Mein Weg hierzu sind meine Warmup-Übungen. Ich werde auch nach 30 Jahren Auftritten mit verschiedenen Bands jedes Mal noch nervös, bevor ich die Bühne betrete. Das Warten kurz vor den Auftritten fühlt sich an, als würde ich eine Dynamitstange in der Hand halten und zuschauen, wie die brennende Lunte sich mehr und mehr dem Sprengstoff nähert. Diese Nervosität kann ich, sobald ich auf der Bühne bin, in eine Energie kanalisieren, die mich antreibt.

 

Und die Zuschauer…?

Ja, das achte Mitglied der Dropkick Murphys dürfen wir natürlich nicht vergessen: die Zuschauer. Wir geben bereits bei jeder Show 100 Prozent, aber wenn die Menge aufgeregt ist und mitsingt, lässt uns das noch über uns herauswachsen. Es entsteht eben jene spezielle Verbindung zwischen Musiker und Zuschauern, von der ich schon vorher gesprochen habe. Aber die Zuschauer sind natürlich von Land zu Land verschieden. In Deutschland war jedes Konzert unglaublich. Die Leute kannten jedes Wort unserer Texte. In Mannheim sang die Menge «I’m Shipping Up To Boston» ganz ohne uns, wir mussten nur die Instrumente spielen. Wenn das 5000 oder 6000 Leute zusammen machen, ist das ziemlich kraftvoll und die Leute denken sich «wow, wir sind ein Teil dieser Band». Auch in der Schweiz machen die Auftritte viel Spass, obwohl wir hier vor kleinerem Publikum spielen.

 

 Frank Turner gibt mir Hoffnung für die kommende Musiker-Geneartion

 

Unsere letzte Frage ist mehr eine Aufgabe. Wir werden dir drei verschiedene Songausschnitte vorspielen und du sagst uns, was du davon hältst und falls du die Musiker erkennst, die Namen.

 

Band: The Birthday Girls

Song: Better Man

Album: Trust The Girls

 

Keine Ahnung, wer das ist. Sicher ein guter Song, der Sänger hat eine nette Stimme. Ich würde mir jetzt persönlich diese Art von Musik nicht bewusst anhören, aber wenn es am Radio käme, würde ich es laufen lassen.

 

Es ist eine Schweizer Band, die im Moment im Kommen ist. Nun zum zweiten.

 

Sänger: Bruce Springsteen

Song: Born in the USA

Album: Born in the USA

 

Also das ist klar Udo Lindenberg (lacht). Nein es ist Bruce Springsteen. Ich habe gehört, wenn er einen Song, den er geschrieben hat, bereut, dann diesen. Das Lied wurde von so vielen Leuten falsch verstanden. Sie dachten es sei ein nationalistischer Song, was nicht der Wahrheit entsprach. Die Worte und Bruce Springsteen selbst sind ziemlich kraftvoll. Ich kenne ihn persönlich nicht so gut. Er hat auf unserem letzten Album «Going Out in Style» bei einem Song mitgesungen und ist mit uns einmal auf der Bühne gestanden. Aber er ist auf jeden Fall eine bemerkenswerte Person. Er gab mir die Inspiration dazu, in meinen Live-Auftritten diese Verbindung zu den Zuschauern zu schaffen. Ich sehe ihn gerne als den amerikanischen Joe Strummer. Die beiden haben so viel gemeinsam. Das habe ich Bruce auch mal gesagt. Er fand das ein riesen Kompliment und erzählte: «Ich habe Joe mal in einer Bar in L.A. getroffen.». Ich hätte alles gegeben, um dort als Fliege getarnt mithören zu können. Joe Strummer von The Clash hatte schon immer einen grossen Einfluss auf mein Leben. Mein ältester Sohn heisst übrigens Strummer.

 

Was ist es, das viele Punkmusiker so imponierend finden an Bruce Springsteen?

Er hat die Seele eines Punks. Er ist zwar ein Superstar, aber sehr auf dem Boden geblieben. Bruce gibt einem nicht das Gefühl, dass er etwas Besseres wäre. Früher wollten die grossen Rockbands ihre Fans nie treffen. Es existierte diese bewusste Trennlinie zwischen Band und Fans. Bruce brach diese Mauern ein indem er sich für die Menschen einsetzte und es ihm wichtig war zu wissen, was passiert. Er liess sich in alles involvieren und viele Leute folgten seinem Beispiel.

 

Zu unserem letztem Musikstück…

Sänger: Frank Turner

Song: My Bonnie is over the Ocean

Aufgenommen eine Stunde zuvor im Interview mit Frank Turner, der Support der Dropkick Murphys war.

 

Al: Das ist aber nicht das Original!

Nein..

Aber das tönt wie Frank Turner (lacht). Frank Turner ist ein genialer Typ. Wenn es dort draussen noch mehr Leute wie Frank Turner gibt, dann gibt mir das Hoffnung für die Musik der kommenden Generationen.

Laura Zeller / Do, 21. Feb 2013