Es war ein richtiges «Nichts für Feiglinge»-Thema.

Interview mit Mia Aegerter
Bildquelle: 
Promobild

Es ist ein Freitag im Mai, als wir die Schweizer Songwriterin Mia Aegerter in Biel treffen. Sie kommt direkt von einem Besuch bei Canal 3. Es ist der Release-Tag ihres neuen Albums «Nichts für Feiglinge» und Mia bester Laune. Wir redeten darüber, wieso eine Albumproduktion nichts für Feiglinge ist und man im Leben eben manchmal Farbe bekennen sollte, über Mias Schauspielambitionen und über die Veränderungen in ihrer Musik. 

 

Trotz der etwas unruhigen Umgebung, in der wir uns befinden, zeigt sich Mia als sympathische Künstlerin und angenehme Gesprächspartnerin. Auf ihr neustes Werk ist sie stolz und das darf sie laut unserem Eindruck ruhig sein. Ein ehrliches Album, bei dem man doch hie und da denkt, einen Spiegel vorgesetzt zu kriegen … nichts für Feiglinge eben.

  

Mia, heute erscheint dein neues Album «Nichts für Feiglinge». Wie fühlt es sich an, nach der Zeit, in der es etwas ruhiger war? 

Es ist auf jeden Fall ganz speziell und aufregend für mich. Ich habe ja nicht nur länger gewartet mit einem neuen Album, sondern es hat auch eine andere musikalische Ausrichtung. Es ist das erste Mal auf Hochdeutsch. Es klingt nicht nur deshalb ganz anders als die vier Alben, die ich bisher veröffentlicht habe. Die Songs sind melancholischer - ich würde auch sagen, weniger kommerziell. Deshalb war das jetzt schon aufregend für mich, Promo zu machen, auch in der Schweiz, aber auch sehr, sehr schön.

Es ist ebenfalls das erste Album, das ich selber veröffentliche, also ohne Major-Plattenfirma im Rücken. Quasi auf eigene Regie. Das ist auch was ganz Neues für mich und natürlich auch dementsprechend aufregend.

 

Habt ihr mit Crowdfunding gearbeitet? 

Genau, wir haben einen Teil mit Crowdfunding gemacht. Mit wir meine ich mich und meinen Partner, Martin Fliegenschmidt. Er hat mit mir das Album produziert, und wir machen zusammen die Label-Arbeit. Wir sind also zuständig dafür, dass das Ding auch rauskommt, dass alles glatt läuft und alles koordiniert ist. Wir gehen damit schon auch ein finanzielles Risiko ein, aber tatsächlich haben wir mit Crowdfunding schon einen guten Erfolg erzielen können.

 

Das ist ja heutzutage nichts Ungewöhnliches mehr. Inzwischen hört man immer wieder davon.

 

Ja, es ist halt auch ideal, weil es der direkteste Weg zwischen Künstler und Konsument ist. Also ich mach eine CD, du findest das gut und kauft sie, davon gehen dann 100% von dem, was du bezahlst, an mich. So kann ich dann meine Ausgaben decken.

Wenn aber da noch andere Leute mit im Spiel sind, wie Vertrieb, Plattenfirma und was weiss ich noch alles, dann geht halt Geld verloren und bei mir landet am Ende des Tages nicht mehr gerade viel. Wenn ich aber den direkten Weg habe, ist das viel besser und viel lukrativer, so dass man seine Ausgaben auch bezahlen kann. Weil es halt schon sehr viel Geld kostet, so eine CD herzustellen und zu promoten.

 

Du hast es vorhin erwähnt, dass es das erste Album auf Deutsch ist. Wieso gerade Deutsch?

 

Das war keine bewusste Entscheidung. Ich bin halt vor 6 Jahren nach Berlin gezogen und habe erst mal angefangen, auch für andere Künstler zu schreiben. Ich hatte mich erst auf das Texten spezialisiert. Gerade deutsche Texte sind doch sehr gefragt zurzeit. Ich fühle mich darin auch sehr wohl, ich bin eben sehr text-affin. Es macht mir sehr viel Spaß, und im Zuge dessen sind dann auch Texte entstanden, die für mich passten. Die Sprache ist für mich aber nur ein Mittel zum Zweck. Ich kann mir auch gut vorstellen, das ich weiterhin in verschiedenen Sprachen texte. Ich kann mich identifizieren mit Künstlern wie Sophie Hunger oder Stephan Eicher, die ja sogar auf einem Album verschiedene Sprachen haben. Das kann ich mir bei mir auch gut vorstellen.

 

 

Es ist schon bewusstseinserweiternd wenn man alleine unterwegs ist. Ich habe das jetzt drei Jahre gemacht, und dadurch entwickelt man sich auch in eine andere Richtung.

 

 

Ist nicht sogar ein Song auf dem Album zweisprachig? 

Ja, bei «Liebe Linear», habe ich am Ende ein wenig Französisch. Naja, und «Superwoman», aber da ist der Text ja eigentlich auch auf Deutsch.

 

Das Album hat neue Einflüsse, es ist eine ganz andere Stilrichtung als die letzten Alben. Wieso? Ist es dieses „Erwachsen“ werden? Oder durch das reisen und Berlin? Was hat das alles für einen Einfluss?

 

Ich glaube, dass alles, was du gerade gesagt hast, Einfluss hat. Zum einen das sich weiterentwickeln und wachsen. Ich bin halt im Pop groß geworden, und damit konnte ich mich irgendwann nicht mehr identifizieren, weil ich einfach auch andere Musik höre. Ich habe zum Beispiel in den letzten Jahren auch sehr viel Johnny Cash und Nick Cave gehört und mich gefragt, wieso die mich so berühren. Da habe ich gemerkt, die sind halt einfach sehr mutig, uneitel und wahrhaftig. Das wollte ich auch sein, ich wollte Musik machen, die mein Innenleben auch reflektiert. Dass es keine Diskrepanz mehr gibt zu dem Image, das ich nach außen darstelle und dem, was ich innen drin fühle.

Und dazu kam eben auch das Reisen. Es ist schon bewusstseinserweiternd wenn man alleine unterwegs ist. Ich habe das jetzt drei Jahre gemacht, und dadurch entwickelt man sich auch in eine andere Richtung.

 

Komplett alleine? 

Ja, am Anfang hatte ich Angst und musste mich da schon etwas überwinden. Das war so ein richtiges «Nichts für Feiglinge»-Thema. Aber ich habe Blut geleckt und wollte danach nur noch alleine reisen. Weil es so aufzuregend und abenteuerlich war. Und total positiv.

 

Und man kann machen was man will. 

Genau, seine eigenen Entscheidungen treffen.

 

Mia Aegerter ist mit neuem Album und Sound zurück. (Promobild)

 

Da sind wir bei «Nichts für Feiglinge», dem Albumtitel. In welcher Beziehung sind hier Feiglinge gemeint?

 

Der Albumtitel ist ja gleichzeitig einer der Songs, und in dem Song geht es darum, dass Liebe nichts für Feiglinge ist. Es soll eine provokative Motivation sein, dass man sich trotz dem ein oder anderen Herzbruch, doch wieder einem neuen Menschen gegenüber zu öffnen traut und einen Neuanfang wagt. Der Titel passt aber allgemein gut auf das ganze Album, weil es doch etliche Themen behandelt, die auch in die Tiefe gehen und etwas ungewöhnlich sind. Zum Teil sind vielleicht Tabuthemen dabei. Es repräsentiert ebenfalls den Weg, den ich mit diesem Album gegangen bin. Dass ich es in Eigenregie raus gebracht habe, brauchte auch sehr viel Mut von mir.

 

Den Song «Farbe bekennen» finde ich sehr spannend. Weil es ja doch in die Richtung geht, etwas so zu machen, wie man es will, ohne sich ausbremsen zu lassen.

 

Es ist so ein ironisches Aufgreifen mit dem Thema, dass man sich nicht verbindlich zeigt, sich nicht festlegen kann. Weil man sich so alle Möglichkeiten offen halten möchte. Das habe ich in meinem Umfeld öfters beobachtet. Dass dies in meiner Generation noch öfter der Fall ist, ich schliesse mich da auch nicht aus. Gleichzeitig ist man so unzufrieden in der Freiheit, die man hat. Man ist fast wie gefangen darin. Sich alles offenzuhalten und sich nicht festzulegen kann auch belastend sein. Und deswegen die Schlusskonsequenz «ich will Farbe bekennen».

 

Das ist es und das will ich …

Genau. Dass man sich für etwas entscheidet.

 

Ich habe ein altes Interview gefunden, das war ganz zu Beginn deiner Zeit bei «Gute Zeiten Schlechte Zeiten» …

 

Krass, das ist wirklich alt.

 

Ja, definitiv. Da ging es um das Thema Schauspielerei oder Musik. In der Zeit hast du ja mehr als Schauspielerin gearbeitet, nur klang es da so als hättest du lieber Musik gemacht. Hast auch du jetzt «Farbe bekannt» mit deiner Entscheidung, dich jetzt voll auf die Musik zu konzentrieren?

 

In der Vergangenheit hab ich sehr viel ausprobiert. Ich kann in verschiedenen Bereichen Zufriedenheit erreichen, ich bin ein sehr vielseitiger Mensch. Aber ich muss schon sagen, dass mir die kreativ schöpferische Arbeit viel mehr liegt. Wenn ich eine Rolle spiele, ist das zwar auch toll und interessant, aber es ist trotzdem nur beschränkt kreativ. Denn ich stelle ja nur etwas dar, was sich jemand anders ausgedacht hat.

In den Songs schreibe ich über meine eigenen Gedanken. Es ist ein kreativer und schöpferischer Prozess, und das hatte sich in den letzten Jahren schon sehr konkretisiert. Deswegen hatte ich mich auch auf das Schreiben konzentriert. Ich habe nicht bewusst gesagt, dass ich nie wieder schauspielern will, es hat sich so dahin entwickelt.

 

 

Ich arbeite ja auch noch an einem Neben-Projekt mit einem Schweizer Maler. Ein spannendes Projekt. Es soll eine Art Gedichte/Gemäldeband werden. Zu jedem meiner Gedichte gibt es ein passendes Bild.

 

 

Es war also keine bewusste Entscheidung, wieder zur Musik zu finden, sondern ist einfach passiert?

 

Genau, es hat sich so ergeben. Weil ich einfach so eine große Leidenschaft für Worte empfinde. Und alles, was mich stark beschäftigt, muss ich aufschreiben und daraus etwas machen. Das ist für mich ein absolut natürlicher Prozess. Wenn man sich natürlich in etwas so rein versetzt, dann ist der Weg vorgegeben, und man geht den dann eben auch. Dadurch hab ich den Fokus auf die Schauspielerei doch etwas verloren.

 

Aber du schließt den Weg nicht ganz aus? 

Nein. Aber ich muss schon sagen, es müsste wirklich eine Rolle oder ein Projekt sein, das mich brennend interessiert. Bei dem ich das Gefühl habe, dass ich damit wirklich ein Zeichensetze. Aber alles andere, wo ich keinen Sinn drin sehe oder was ich nicht anspricht, würde ich nicht machen.

 

Zurück zur Musik: Eine neue CD bedeutet auch meist, dass es Konzerte gibt. Werden wir dich in der Schweiz auf der Bühne sehen?

 

Wir hatten am 19. Mai einen ersten Gig in Berlin mit der neuen Band. Es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht. Ich habe gemerkt, dass die Musik auf die Bühne muss, die muss man live spielen. Wir sind gerade dabei, eine Deutschland-Tour zusammen zustellen, aber ganz sicher will ich auch in der Schweiz spielen. Da sind wir auch gerade in Planung. Es wird wahrscheinlich Herbst werden.

 

Es wird ja sicherlich auch eher eine gemütliche Clubtour als eine große Hallentour?

 

Auf alle Fälle. Ich arbeite ja auch noch an einem Neben-Projekt mit einem Schweizer Maler. Ein spannendes Projekt. Es soll eine Art Gedichte/Gemäldeband werden. Zu jedem meiner Gedichte gibt es ein passendes Bild. Das sollte Ende des Jahres veröffentlicht werden.

Ich hatte mir überlegt, dass es schön wäre, wenn ich den Band mit auf Tour nehmen und zwischendurch etwas daraus vorlesen könnte. Und da würde sich natürlich so eine Bar/Café oder ein kleines Theater anbieten.

 

Hört sich interessant an.

Mal sehen, ob das alles so klappt. Aber es wäre auf alle Fälle eine Vision von mir.

 

Mia Aegerter - «Liebe Linear»

 

- Mehr Informationen zu Mia Aegerter auf Social Media.  

- Das Album «Nichts für Feiglinge» ist im Handel oder online erhältlich. 

 

Lisa Gosteli / Di, 06. Jun 2017