Wenn Herzblut auf Talent trifft
Genügen ein Mann und seine Gitarre, um einen vollen Konzertsaal zu begeistern? Sogar richtig gute Songwriter schaffen es zum Teil nicht, denn es gehört mehr dazu als nur Songs zu singen, selbst wenn sie noch so gut sind. Wie man es macht, oder eben nicht macht, haben Passenger und sein Support Act Stu Larsen im Komplex gezeigt.
Stu Larsen ist Australier sowie Mädchen für alles in der Tour-Entourage von Passenger. Er fährt den Bus, ist der beste Freund von Passenger und eben auch Support Act. Aber zumindest der Auftritt im Komplex war nix und das lag nicht zuletzt an der schrecklich missbrauchten Version von Coldplays «Fix You». Einige Leute im Publikum begannen sogar, Stu nachzuäffen. Selbstredend war der Geräuschpegel sehr hoch. Ganz anders dann Passenger.
Passenger besitzt eine Gabe, die nicht viele haben. Er schafft es innert kurzer Zeit, jegliches Eis zu brechen. Wenn er ganz uneitel und nahbar im blauen Hemd und Jeans auf die Bühne tritt, ans Mikrofon schreitet und zu singen beginnt, dann trifft er genau in die Herzen der Menschen. Kein Wunder, ist die Halle voll. Pessimisten könnten jetzt meckern, dass der Mann ja täglich im Radio rauf- und runtergespielt wird. Zugegeben. Aber hätte er nicht Talent und das gewisse Etwas, das sich so schwer umschreiben lässt, er wäre nicht so erfolgreich.
Das Problem mit Ein-Mann-nur-ich-und-meine-Gitarre-Shows ist ja, dass die Gitarre letztlich oft als Hilfsmittel genutzt wird, um die Stimme zu unterstützen und ein ganzer Abend schnell mal langweilig werden kann. Passenger macht das zwar auch, aber er variiert sein Spiel und bindet von Anfang an die Menschen mit ein. Lässt sie teilhaben, nimmt das Publikum ernst, singt mit ihm und erfüllt sogar Wünsche, die er «7000 Years not played» habe, und lächelt verlegen, wenn er den Wunsch nicht zu seiner vollen Zufriedenheit wiedergeben kann. Der Mann hat viel Talent und vor allem noch viel mehr Herz. Und er covert besser als sein Support Act. Als Intro zur Hitsingle «Let Her Go» spielt Passenger kurzerhand «Get Lucky» von Daft Punk an - und es funktioniert.
Passenger kann aber auch Geschichten erzählen. So berichtet er, wie er das Rauchen aufgab und irgendwann von großen Zigaretten träumte. Auf der Suche nach Zigaretten traf er einen Biker, der ihm erzählte, dass er Lungenkrebs habe und nicht wisse, wie viel Zeit ihm noch bleibe. Also reist der Biker mit der Harley von Los Angeles nach New York, um den Rest seiner Zeit mit der Familie zu verbringen. Passenger schafft es die Geschichte so zu erzählen, dass ihm jeder zuhört und das Zuhören zieht sich gleich auf den Song, den er darüber schrieb, weiter, denn im Komplex war es mucksmäuschenstill. Plötzlich bricht Passenger ab und ruft die Security. Nervöses Murmeln wird kurz laut. Im Publikum ist jemand zusammengebrochen. Umstehende Zuschauer reagieren aber und halten ihre Hände in die Höhe. Der Komplex war restlos ausverkauft und dementsprechend eng standen die Menschen, da kann schon mal die Luft wegbleiben. Jemand schimpfte im Publikum sogar, dass der Gang zur Toilette kaum möglich sei, weil die Leute einen nicht durchlassen würden. Nach dem kleinen Schock setzte Passenger sein Konzert dann aber fort.
Scheu ruft er im Laufe des Abends, «Guys You Are Perfect!» Das Kompliment muss man unterstützen, denn Zürich hat wahrscheinlich noch selten ein so diszipliniertes und leidenschaftliches Publikum gesehen. Die Menschen sind ruhig, wenn es angebracht ist, und in anderen Momenten singt ziemlich jeder aus voller Kehle mit. Passengers Konzert in Zürich ist ein riesiger Siegeszug, auch wenn der Sänger selbst einzig die Leute unterhalten will. Es war beeindruckend, was der junge Engländer alleine mit der Gitarre bewirkte. «Holes» bildete schliesslich den Schlusspunkt für eine atemberaubendes Konzert und einen bestechend guten Künstler. So muss man als Solokünstler mit einer Gitarre auftreten.