Asaf Avidan in Hochform trotz Heiserkeit

Konzert-Kritik: Asaf Avidan im Kaufleuten
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Promobild / asafavidanmusic.com

Es ist warm an diesem Frühlingsabend, als ich im Kaufleuten ankomme. Die meisten Besucher des Konzerts haben sich bereits eine Viertelstunde vor Beginn im ausverkauften Kaufleuten eingefunden. Der Auftritt des Künstlers ist - überraschend schlicht. Asaf Avidans Solotour ist im wahrsten Sinne des Wortes «solo». Ohne dass eine Vorband gespielt hätte, läuft der Israeli leichtfüssig zu seinem Stuhl in der Mitte der Bühne, der von vier Gitarren umgeben ist. Er setzt sich im Halbdunkel, nimmt eine akustische Gitarre in die Hand und beginnt, «No Stone Unturned» von seinem letzten Album «The Study on Falling» zu spielen.

 

Und zu singen. Avidans Platten lügen nicht: seine Stimme ist live mindestens genauso ergreifend und variabel wie auf den Aufnahmen. Wie schon oft kommentiert, hört er sich an wie Janis Joplin. Nach zwei Liedern merke ich aber auch, dass seine Stimme kratziger ist als auf den Aufnahmen. Tatsächlich entschuldigt er sich dafür, er sei im Moment krank. Avidan geht sogar so weit, seine Stimme als «shitty» zu bezeichnen, was vom Publikum mit lauten Verneinungen kommentiert wird. Überhaupt sind die Konzertbesucher lautstark bezüglich ihrer Stimmungen und Meinungen, ungewöhnlich laut für das Kaufleuten und die Schweiz sowieso. Auffällig häufig rufen verschiedene Männer und Frauen «We love you!» oder Ähnliches in Richtung Bühne. Immer wieder geht irgendwo etwas zu Bruch.

 

Reise von Blues über Folk und Country bis hin zu elektronischer und orientalischer Musik.

 

Die erste Hälfte der ca. fünfzehn gespielten Lieder präsentiert Avidan nur mit Gitarre begleitet. Das klappt besonders für die Einstiegs gesungenen Songs gut. «Holding on to Yesterday» gelingt so besser als auf dem Album, der Künstler verleiht dem sonst eher melancholischen Lied durch das Arrangement und den Wechsel des Rhythmus‘ eine vorwurfsvolle Note. Bei anderen Songs – besonders «The Study on Falling» und «Sweet Babylon» – vermisst man die zusätzlichen Instrumente etwas, welche auf der CD zu hören sind. Aber gerade, als ich befürchte, das Konzert könnte deswegen etwas abflachen, beginnt Avidan zu loopen.

 

Den Rest des Konzerts schwitzt der 38-jährige über seinen Sample- und Loopgeräten. Für die Konstruktion der Songs verbindet er elektronische Sounds mit seinen Gitarren und anderen Instrumenten, darunter eine Mundharmonika und – wenn ich das im Halbdunkeln richtig erkannt habe – sogar eine Talk Box. All diese Elemente nutzt der Musiker, um die Anwesenden auf eine Reise von Blues über Folk und Country bis hin zu elektronischer und orientalischer Musik zu nehmen, welche in der Originalversion des «One Day / Reckoning Song» endet, bei welchem jeder und jede Anwesende die Stimme zum Refrain hebt. Avidan beendet das Konzert mit folgender Aussage: «Thank you for turning a pathetic, yelling, ageing, sickly man into an artist».

 

Alles in allem ein fast perfektes Konzert. Avidan beherrscht seine Stimme und die Instrumente auf der Bühne meisterhaft und vermag es, den Konzertbesucher bis zum Schluss immer wieder zu überraschen. Zum Glück hält sogar die Stimme bis zum Ende.

 

Jonas Stetter / Mi, 11. Apr 2018