Neues Festival mit grossen Namen

Festivalbericht: Rock The Ring
Bildquelle: 
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Als ich am Freitag endlich auf dem Festivalgelände in Hinwil ankomme, ist HIM gerade im Endspurt ihres Auftritts.  Immerhin bekomme ich noch etwas mit von Ville Valos etwas monotoner aber auf angenehme Art hypnotisierende Stimme. The Rasmus spielte an diesem Abend bereits, während ich leider noch am Arbeiten war. Beide Bands haben ihre grössten Hits bereits lange hinter sich, trotzdem fanden sie grossen Anklang im Publikum. Die meisten Leute waren jedoch nur für den Headliner dieses Abends nach Hinwil gekommen – Unheilig. 

 

Bis dahin ist es jedoch noch etwas hin. Zeit, das Gelände zu erkunden. Das Erste , das auffällt, ist die beinah übertriebene Auswahl an Verpflegung, die die Vielfalt der Bands noch um Längen schlägt. Von mexikanisch über chinesisch bis hin zu Raclette und Süssigkeiten – und das alles in mehrfacher Ausführung. Zwei grosse Migros Take Away Stände lassen zudem nicht vergessen, wer hier der Presenting-Partner ist. Verhungern muss hier definitiv niemand, vorausgesetzt er hat genug Bargeld. Ich entscheide mich in der Qual der Wahl für eine Portion Fish & Chips, bei der die Tartar-Sauce bereits über den Karton auf den Boden tropft, und setze mich damit auf ein Stück Rasen mit Blick auf die Bühne. Diese wird gerade mit unzähligen schwarzen Kerzen geschmückt. Natürlich, für Unheilig darf es ruhig etwas düster sein, schliesslich sind sie die Helden des Mainstream-Gothics und müssen diesem Ruf gerecht werden. 

 

 

Nach der Deko-Arbeit betritt ein Moderatoren-Duo die Bühne – einmal Männlein, einmal Weiblein, natürlich – und verkündet etwas zu auswendig gelernt «das nächste Highlight, auf das alle gewartet haben!“. Das Publikum jubelt, vor allem als nach der Band der Sänger – genannt der Graf – auf die Bühne rennt. Und springt. Und rennt. Er ist der Animateur des Abends, und füllt die Grösse der Bühne wahrlich aus. Unheilig feiern gerade ihr 15-jähriges Bestehen und präsentieren dem Publikum Songs aus dieser ganzen Zeitspanne. Begonnen bei etwas ruhigeren, melodiöseren Liedern, so wie es sich viele von Unheilig gewohnt sind, und die sich für mich immer etwas nach Schlager anhören. Ich freue mich auf jeden Fall jedes Mal, wenn wieder ein härteres Stück gespielt wird. So auch «Goldrausch“ aus dem kommenden Album, dessen Name noch streng geheim ist. Wetten, es heisst «Goldrausch»? Aber nicht nur die Band selbst bringt ein neues Album auf den Markt, sondern auch Gitarrist Licky betreibt ein Solo-Projekt, aus dem er auch gleich einen Song zum Besten gibt. Eine solide Leistung, welches das Publikum aber nicht annähernd mit so viel Applaus quittiert wie die Unheilig-Lieder. Die Leute wollen nur ihren Grafen. Bei dem sitzt die schöne tiefe Stimme an diesem Abend, die Witze etwas weniger («Ich bekomme immer ein neues Mikro in die Hand gedrückt, weil das alte so nass ist, warum das denn? Es regnet doch gar nicht?!») Aber besonders für etwas verdient die Band auf jeden Fall Respekt: So viele Menschen unterschiedlichster Altersklassen und Stilen mitzureissen. 

 

Den Samstag verpasse ich leider komplett. Was mich besonders wegen Alter Bridge reut, und bestimmt wären auch Bryan Adams und Gotthard einen Besuch wert gewesen. Dafür freue ich mich am Sonntag bereits auf ZZ Top. Bis dahin muss ich mich aber noch ein wenig gedulden, als ich um 16:30 mit dem Festival-Shuttle ankomme. Gerade schütteln Mitglieder der Band Black Label Society auf der Bühne ihre Mähnen. Es ist wohl die härteste Band des Openairs und stimmt das Publikum perfekt auf die «AC/DC der Schweiz» ein – Krokus, die die Menge mit altbekannten, aber auch Stücken aus dem neusten Album «Dirty Dynamite» begeistern. Es ist erheblich voller auf dem Gelände und anders als noch am Freitagabend hat man sitzend keine Chance mehr die Bühne zu sehen. Die Besucher singen und tanzen eifrig mit, die Sonne scheint, es ist warm – perfekte Bedingungen. Für die ToiToi-WCs die am nächsten bei der Bühne liegen zahlt man zwei Franken, weiter hinten sind sie gratis. Man holt das Geld wo man nur kann an diesem Festival. Ich hole mir ein Schnitzelbrot an einem der unzähligen Stände und warte auf Peter Maffay. Der mit den sieben Brücken. Die Bühne betritt er dann aber nicht mit sieben Brücken, sondern mit sieben Musikern, mindestens. Die Bühne war noch nie so voll dieses Wochenende. Inklusive Backgroundsänger, zu welchen auch Linda Teodosiu gehört, welche einst bei «Deutschland sucht den Superstar“ im Halbfinale stand. 

 

 

Eine weitaus bessere Karriere als so mancher Sieger. Das Erste was mir an Peter Maffay auffällt – man ist der klein. Das zweite: Man wie der nuschelt beim Sprechen. Aber nur dabei. Musikalisch ist alles top, das Publikum begeistert. Auch er bietet einen Mix aus alten und neuen Stücken, und bringt die Zuhörer dazu, auch die neusten und unbekanntesten Lieder mitzusingen. Dann ist er endlich da – der Moment, in dem die Bühne für ZZ Top vorbereitet wird. Ich möchte vor die Bühne und den Bärten aus der vordersten Front zujubeln. Diese Rechnung habe ich aber ohne den Golden Circle gemacht. Als ich durch den Durchgang in den vorderen Teil will, werde ich unfreundlich zurück gestossen. «Hier kommst du nicht rein». Ich bin irritiert. Bis ich es sehe. Die weissen Bändchen an den Handgelenken der Leute, die drin sind. Nach vorne dürfen also nicht die Besucher, die Musik lieben und daher gerne mittendrin sind, sondern jene, die am meisten bezahlt haben. Der riesigen Lounge nach, die ebenfalls extra für diesen Golden Circle aufgestellt wurde, und die einen perfekten Blick auf die Bühne bietet, hätten es diese Leute durchaus verkraften können, sich unter das gemeine Volk zu mischen, wenn sie vor die Bühne gewollt hätten. Ich sehe die Bühne also wieder nur von weitem – so weit vorne wie ich darf – und bin masslos enttäuscht. Aber natürlich verfliegt diese Gedanken ein bisschen, als Billy Gibbons, Dusty Hill und Frank Beard die Bühne betreten und gleich loslegen. Seit den 70er-Jahren feiern die Texaner Erfolge und haben in diesen vielen Jahren weder musikalisch noch äusserlich an Qualität eingebüsst. In gewohnter ZZ Top Manier schunkeln, bluesen, rocken und witzeln sie, und sogar der kurze Regenschauer, der während der Show aufzieht, verzieht sich angesichts der heissen Show schnell wieder.

 

ZZ Top ist zugleich der letzte Act des Rock-the-Ring-Festivals, und das Publikum geht zufrieden nach Hause. Rock the Ring feierte Premiere und kann durchaus ein Festival mit Zukunft sein. Die Location ist perfekt und die Auswahl der Bands – besonders für ein neues Openair – hervorragend. Leider merkt man an jeder Ecke, dass es vor allem um eines geht: Geld. Das ist sehr schade, aber vielleicht schaffen es die Veranstalter für das nächste Mal, dass die Musik wieder mehr in den Vordergrund rückt.

 

Bilder mit freundlicher Genehmigung von Partyguide.ch

Seraina Schöpfer / Di, 24. Jun 2014