Warum die Welt Schwarzenegger braucht

Movie-Kritik: The Last Stand
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Mit dem Rücken zur Kamera humpelt Arnie in seinen neuen Streifen und lässt das Publikum rätseln, ob denn der schleppende Gang blosse Koketterie oder reale Verschleisserscheinung ist. Gewiss, die Eiche aus der Steiermark ist der Grossmeister des Comebacks. Ob als Muskelprotz, Mordroboter oder Spitzenpolitiker – es folgte stets der nächste Titel, die nächste Folge, eine weitere Amtsperiode. Doch würde das Kunststück erneut gelingen? Immerhin sind zehn Jahre seit seiner letzten Hauptrolle vergangen, das Actionkino hat deutlich an Geschwindigkeit zugelegt und «Schwoazi» zählt mittlerweile 65 Lenze. Argumente, die eigentlich gegen eine erfolgreiche Karriere-Fortsetzung sprechen, doch Profi Schwarzenegger weiss einen Ausweg; er lässt alles auf sich zukommen. Buchstäblich …

 

 

Bild 1: Der Sheriff Ray Owens braucht nur zu warten. Denn der flüchtige Gabriel Cortez  (Bild 2) läuft ihm direkt in die Arme. (Mit Maus über Bild fahren)

 

Seine ländliche Herkunft und sein brachialer Akzent hatten ihn auf dem Weg an die Spitze nie behindert. An mancher Stelle mochten sie ihm sogar einen Charme-Bonus verliehen haben, aber als es um den Einzug ins Weisse Haus ging, schien sich seine Geburtsurkunde doch noch als Hypothek zu erweisen. Weit gefehlt! «Schwoazi», der in vielen Welten zuhause ist, wandte sich einfach wieder der Stadt der Träume zu. Dort war einst Morgan Freeman für zwei Stunden Gott und Gabriel Byrnes zum Teufel geworden. Beste Chancen also für Arnies Antritt einer US-Präsidentschaft. Bevor er aber den hohen Eid leistet, greift er nach dem Sheriff-Stern. Denn es will aufgeräumt werden. Hauptsächlich mit Vorurteilen, denn nicht so sehr sein Semester ist das Problem, sondern dass ihm die Kritiker deswegen keine Durchschlagskraft mehr zutrauen könnten. Und genau da setzten die Macher von «The Last Stand» an und orientierten sich bei ihrer Lösungsfindung an den einfallsreichen Stadtplanern von Chicago, die, um den gigantischen Ausmassen von Al Bundys Schwiegermutter Herr zu werden, die City einfach um sie herum bauten. 

 

Highspeed-Western mit Automatikgewehren

 

Die Hauptfigur, Sheriff Ray Owens (Arnold Alois Schwarzenegger), zeigt sich als bewaffnetes, aber gemütliches Landei an dessen freien Tag. Damit er sich auch im weiteren Verlauf des Films nicht übermässig bewegen muss, stellt man ihm einfach einen umso agileren Bösewicht gegenüber. Gabriel Cortez (Edoardo Nirega, «Open Your Eyes»), gnadenlos brutaler Drogenkartellboss, hat sich eben im fernen Las Vegas aus dem Polizeigewahrsam gemordet und donnert in einem Sportwagen Richtung Süden. Das hat den Vorteil, dass Owen dem Superschurken nicht hinterher zu hecheln braucht; dieser muss zu und dafür an ihm vorbei. Des Sheriffs Städtchen Sommerton Junction liegt nämlich direkt an der mexikanischen Grenze, doch noch ist der grosse Showdown fern. Erstmal schält sich Owens in Zeitlupe aus dem Pantoffelmodus, meist hinter dem Schreibtisch oder einem Steuerrad sitzend. Überhaupt muss der Protagonist im ganzen Film nur etwa zehn Meter rennen, von denen grad mal fünf gezeigt werden. Diese berechneten Kompromisse tun der Dynamik des Films nicht wirklich Abbruch, weil Cortez und seine Privatarmee in der Zwischenzeit alles wegballern- und walzen, was sich ihnen in den Weg stellt, doch …. bleiben wir beim eigentlichen, beim einzigen Thema des Films; Schwarzenegger.

 

 

Bild 1: Eine spektakuläre Flucht bei Nacht bringt nichts, wenn auf dem Weg in die Freiheit eine Horde Hilfssheriffs und Dorfdödel wartet. (Bild 2)

 

Um den Grossvater, Verzeihung, Gottvater des Actionkinos würdig zu präsentieren, greifen die Produzenten auf Altbewährtes zurück. Soundtrack, Kinematographie und Schnitt sind allesamt solide und fügen sich servil ins Gesamtbild. Selbst das Städtchen ist nicht mehr als die Kulisse eines Strassenzuges. Sommerton, der Sheriff, das ist Schwarzenegger. Drum stellte man auch eine Schauspielertruppe zusammen, die niemals die Aura des Helden zu überstrahlen vermag. Da wäre zunächst mal der obligate Mix aus Hilfspolizisten; das liebenswerte Weichei (Zach Gilford, «Friday Night Lights»), das aufgeregte Küken (Christiana Leucan), der lustige Dicke (Luiz Guzman, «Carlito’s Way») und der einfallsreiche Dorfdödel (Johnny Knoxville, «Jackass»), dem auch die Saint-Exupéry-Mütze keinen spürbaren Funken Geist verleiht. Wenigstens steht mit Gabriel Cortez ein richtig hartgesottener Hund auf der Gegenseite, auch wenn er die meiste Zeit von einem Schmalspurganoven (Peter Stormare, «Fargo») vertreten wird. Die Cast weist sogar einen waschechten Oscarpreisträger auf, wenngleich Forest Whitakers Charakter leider nur der Abklatsch eines FBI-Agenten ist, wie man sie so aufgeblasen und einfältig seit «Stirb Langsam 1» nicht mehr zugemutet bekommen hat. Doch eigentlich ist das alles schnurz. Man kann mit Tiefkühlgemüse am Tellerrand leben, solange das Schnitzel in der Mitte blutig trieft. Und sobald die beiden Fraktionen kollidieren, wird hemmungslos dem Neuen Amerikanischen Sadismus gefrönt. Bösewichte werden nicht einfach abgemurkst, sondern ganz kontemporär in alle Gassen verspritzt. Viva Western; Gnade war gestern. 

 

Das letzte Comeback

 

Man muss «The Last Stand» schlichtweg als Meilenstein modernen Marketings verstehen. Wo Schwarzenegger draufsteht, lauerte schon immer eins auf die Zwölf drin, aber noch nie war ihm eine Handlung derart auf den Leib geschneidert, nur selten war er derart Fixstern des Geschehens gewesen. Und im Brennpunkt aller Kameras macht er mit manch Faxen Zugeständnisse an die eigene Endlichkeit. In einer Zeit, da niemand mehr unbearbeitete Portraits auf Facebook postet, verleiht das seiner Figur Authentizität. Unter der legendär-stoischen Coolness schimmert zeitweise sogar Verletzlichkeit durch, eine Art taoistische Besonnenheit. Doch seine Feinde brauchen gar nicht erst auf Altersmilde hoffen. Diesen Kojoten brennt er mit zäher Verbissenheit faustgrosse Löcher in den Pelz, bis er sich einem zerknirschten Cortez zum letzten Gefecht wie ein Monument in den Weg stellt. Und was für ein gemeisseltes Monument da die Kinoleinwand überspannt. Die Steirische Eiche ist zum Amerikanischen Ziegel geworden. Bronzefarben, porös und uneben, aber gleichzeitig scharfkantig, wuchtig, todbringend. «Hier bin ich!», prangt es auf seiner Stirn. «Und hier geh‘ ich nie wieder weg!» 

 

  • The Last Stand (USA, 2013)
  • Regie: Jee-woon Kim
  • Drehbuch: Andrew Knauer, Jeffrey Nachmanoff
  • Darsteller: Arnold Schwarzenegger, Forest Whitaker, Johnny Knoxville, Eduardo Noriega
  • Budget: ca. 30 Mio $
  • Laufzeit: 107 Minuten
  • Kinostart: 31. Januar 2013
Mike Mateescu / Mi, 23. Jan 2013