Intrigen um Queen Anne

DVD-Kritik: The Favourite
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© 20th Century Fox Home Entertainment Switzerland

Wie ein kleines Kind schreit Queen Anne (herrlich: Olivia Coleman), weil ihr Musik gerade nicht passt oder ihre versehrten Beine sie in den Weiten der Mauern nicht mehr tragen und massiert werden wollen. Dann ist ihre enge Freundin Lady Sarah (Oscar®-Gewinnerin Rachel Weisz) zur Stelle. Sie unterstützt die Königin, wo sie kann und noch weiter. So leitet sie eigentlich den Staat, bestimmt die Budgets für den Krieg gegen die Franzosen und manipuliert die Queen geschickt, um den dekadenten Lebensstil zu bewahren. Dafür erhöht sie im Namen von Anne schon mal die Steuern. Eines Tages steht Cousine Abigail (Oscar®-Gewinnerin Emma Stone) vor der Türe. Ihre Familie war einst aristokratisch, fiel aber durch Verfehlungen des Vaters tief. Jetzt klettert Abigail wortwörtlich aus dem Dreck und bittet um eine Anstellung, da sie hofft, wieder in den Adel aufzusteigen. So kommt Abigail ins Schloss und in den Schoss der Königin. Doch wird sie zur Bedrohung für Sarah? 

 

Genüsslich zieht der griechische Ausnahme-Regisseur Yorgos Lanthimos die Monarchie und die Aristokratie durch den stinkenden Matsch, wie der erste Zwischentitel im Film symobolisiert. Da wird ein nackter Mann mit Orangen beworfen oder Enten durch den Palast getrieben, einzig zur Unterhaltung. Aber daneben zeichnet «The Favourite» ein sensibles Bild einer Königin, die in ihrem Schloss gefangen ist und mit Krankheiten und Schicksalsschlägen umgehen muss. Diese Rolle spielt Olivia Coleman betörend gut. Jeder Blick verleiht ihrer Queen Anne Tiefe, jeder Schrei zeichnet einen Strich in ihrer Interpretation der Monarchin, die im frühen 18. Jahrhundert regiert hat. Coleman ist sich für nichts zu schade, kotzt genüsslich nach dem Genuss von Torte oder piesackt die Angestellten aus Langeweile. Dabei ist sie trotz der grossen Gemächer schlicht einsam. Um sie herum hoppeln 17 Kaninchen, eines für jedes verloren Kind. Spätestens hier beginnt man sich mit der ungehobelten Queen auf menschlicher Ebene zu sympathisieren. Dieser Verdienst gehört Olivia Coleman, die für diese Rolle mit dem Oscar® als Beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde. 

 

Neben Coleman haben Stone und Weisz vermeintlich leichte Rollen. Sie spielen intrigante Cousinen, die aber nie brutal böse erscheinen, sondern sich bloss um ihre Stellung sorgen und dafür Grenzen überschreiten. Die eine will nach oben, die andere nicht nach unten fallen. Deshalb möchten beide die Favoritin der Königin sein. Herrlich ist aber das Spiel zwischen den beiden preisgekrönten Schauspielerinnen. Der Spruch «Wenn Blicke töten können» würde mehrfach zutreffen und ihre kleinen Spielchen sind herrlich böse. 

 

Das goldene Gefängnis der Queen 

 

Überhaupt passiert im Film viel auf der lautlosen Ebene, Blicke oder Einstellungen werden genutzt, um zu verdichten. Gleichzeitig scheint das Schloss die unterschwellige Dramaturgie zu stützen. Kerzenlicht verleiht den holzigen Geheimgängen der Queen eine bedrohliche Schwärze. Die unterschwellig die Finsternis in Sarahs Herz oder die Dunkelheit im Hirn der Queen symbolisieren dürfte. Dazu kommen bewusst surreale und schnelle Schwenks sowie Fish-Eye-Einstellungen, um einen Hauch von Distanz zu schaffen, was den satirischen Touch des Films unterstreicht. Jedoch in der richtigen Dosierung. Die Details machen den Film so vielseitig. Nicht nur die Kamera-Arbeit, sondern auch die aufwändigen Sets voller Kerzen, Gold und Gemälden, aber auch die Kostüme. Das «goldene» Gefängnis der Queen wirkt authentisch. 

 

Trotz dem diebischen Vergnügen, das «The Favourite» ist, sollte der Film nicht zur leichten Kost gezählt werden. Neben den historischen Begebenheiten fordert der Film vom Zuschauer ein Mitdenken, ein Eintauchen in die Psychen der drei beteiligten Frauen und diese lassen sich durchaus lustvoll interpretieren. Und wenn in den Credits Elton John «Skyline Pigeons» singt, ist der Titel von 1969 keineswegs zufällig gewählt. 

 

Yorgos Lanthimos fügt seiner Karriere ein intensives Kostümdrama mit Tiefe hinzu. Auch wenn der Oscar® für Coleman der einzige blieb, die zehn Nominierungen gehen völlig in Ordnung. «The Favourite» ist ein böses Vergnügen, das manchmal schockiert und gelegentlich amüsiert. 

 

  • The Favourite (USA / UK / Irland 2018)
  • Regie: Yorgos Lanthimos
  • Darsteller: Olivia Coleman, Rachel Weisz, Emma Stone, Nicholas Hoult
  • Laufzeit: ca. 119 Minuten
  • Im Handel: ab 23. Mai 2019

 

Bäckstage Redaktion / Mo, 27. Mai 2019