Filmsets und Proberäume sind die kältesten Plätze der Welt

Moviekritik: My Week with Marilyn
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Im Verleih von ASCOT ELITE.

Im August 2012 werden 50 Jahre seit dem Tod von Marilyn Monroe vergangen sein. Und trotzdem kennt sie heutzutage immer noch fast jeder, sogar diejenigen, welche noch nie einen ihrer Filme gesehen haben. Der Mythos Monroe wird weiterhin durch das Auftauchen von unveröffentlichtem Material (zuletzt als Band mit Notizen, Briefen und Gedichten: «Marilyn Monroe – Tapfer lieben») gewinnbringend kultiviert. So auch jene Tagebücher («The Prince, the Showgirl and Me») von Colin Clark auf denen der neueste Film über die Kultblondine basiert.

 

Der 23-jährige Colin (Eddie Redmayne, «The Yellow Handkerchief») verfügt dank seinen gut privilegierten Eltern über hervorragende Kontakte zur Filmwelt. Als dritter Regieassistent arbeitet er im Sommer 1956 zum ersten Mal überhaupt an einem Filmset, noch dazu bei «Der Prinz und die Tänzerin», einem mit Spannung erwarteten Film der damaligen Zeit.

Kein geringerer als Sir Laurence Olivier (Kenneth Branagh, «Henry V», «The Boat That Rocked») führt dabei Regie und spielt zugleich die männliche  Hauptrolle neben dem grössten weiblichen Filmstar aller Zeiten: Marilyn Monroe (Michelle Williams, «Blue Valentine», «Brokeback Mountain»).

 

 

 

Die anfangs träumerisch anmutende Konstellation stellt sich sehr bald, nämlich schon beim Probedurchlauf vor dem eigentlichen Dreh, als bedrohlicher Hexenkessel heraus. Marilyn, Anfang 30, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere und frisch verheiratet mit Arthur Miller (Dougray Scott), produziert zum ersten Mal einen ihrer Filme und möchte mit Hilfe ihrer Schauspiellehrerin Paula Strasberg (Zoë Wanamaker, «Wilde») zu einer ernst genommenen Schauspielerin avancieren. Olivier hingegen, in der Mitte seines Lebens angelangt, erhofft sich durch die Kooperation mit Hollywoods Darling eine Wiederaufrischung seiner Karriere. Oder wie es Colin zu Monroe einmal schön sagt: «It’s agony because he’s a great actor who wants to be a film star, and you’re a film star who wants to be a great actress. This film won’t help either of you.»

 

Einblick in das Leben der Filmikone

 

Der Kulturclash par excellence tritt unverhofft ein und treibt, durch Marilyns psychische und körperliche Probleme verstärkt, die ganze Filmcrew an den Rand des Wahnsinns. Ein zugegeben etwas merkwürdiger Stoff für eine nostalgische Tagebuchverfilmung. Deshalb trägt auch die neu erschienene Fortsetzung («My Week with Marilyn») der Memoiren von Colin Clark zu mehr Gefühl bei. Clark hatte nämlich beim Erscheinen seiner Tagebücher («The Prince, the Showgirl and Me») eine entscheidende Woche weggelassen, jene nämlich, in welcher er mit Monroe eine Tour durch das ländliche England unternahm. Durch diese Story ergänzt, ergibt sich ein interessanter Einblick in das Leben der zu früh verstorbenen Filmikone.

 

 

Michelle Williams schafft es nach ihrer hochgelobten Darstellung in «Blue Valentine» vor zwei Jahren erneut, eine Glanzleistung abzugeben. Viele Frauen haben versucht der Monroe gerecht zu werden, keine hat es aber bisher dermassen perfekt geschafft wie Williams. Sie hat Monroes Bewegungen und Stimme detailliert einstudiert und wirkt dabei äusserts spontan und natürlich. Sie stellt zudem nicht nur die durch Selbstzweifel und Anabolika zerstörte Monroe dar, sondern auch das naive Mädchen, welches auf dem Roadtrip, weit weg von der eigenen vergiftenden Entourage, zu sich selbst findet. Umrundet werden diese beiden Gemütsarten vom dritten und wohl berühmtesten Charakterzug: Monroe, der Filmdiva.

 

Michelle Williams bewältigt die Aufgabe mit Bravour

 

Diese «Triple Acting Tour de Force» bewältigt Williams mit solcher Bravour, dass sie für diese Darstellung mit ihrer dritten Oscarnominierung belohnt wurde. Über eine solche Nominierung durfte sich auch Kenneth Branagh freuen, der als Sir Laurence Olivier mit komischen Wutausbrüchen stark an seine Darbietung des Sir Alistair Dormandy in «The Boat That Rocked» erinnert. Dies tut dem Film aber sehr gut und sorgt für ein paar wunderschöne Lacher. Besonders hervorzuheben ist sicherlich auch Philip Jackson («Little Voice»), der als Marilyns Bodyguard Roger Smith mit solch einer Smartness agiert, wie wir sie uns von Daniel Craigs nächstem Auftritt als Bond wünschen. Dominic Cooper («An Education», «MAMMA MIA!») brilliert ebenfalls in der Rolle des Milton Greene, seinerseits bekannt als enger Vertrauter Marilyns, Starfotograf und Teilhaber der Marilyn Monroe Productions.

 

Eddie Redmayne spielt einen sehr naiven Colin Clark und es scheint manchmal als würden er und Williams in zwei verschiedenen Filmen spielen: sie im Drama und er in der Komödie. Dieser Widerspruch ist bei genauerer Überlegung aber doch keiner. Da die Geschichte durch Clarks Augen erzählt wird, kommt in einigen Teilen vielleicht zu viel Pathos auf, welcher wiederum durch Williams Schauspielkunst weggefegt wird. Für uns Zuschauer ist die Geschichte viel dramatischer, weil wir wissen wie es sechs Jahre nach dieser Begegnung um Marilyn stehen wird, für Colin aber besteht zu diesem Zeitpunkt immer noch die Hoffnung, dass sie alt und glücklich werden könnte.

 

 

Die weiblichen Nebenrollen sind eher klein gehalten, dennoch vermag Julia Ormond («The Curious Case of Benjamin Button», «Smilla’s Sense of Snow») einen bleibenden Eindruck als Leinwandlegende Vivien Leigh zu hinterlassen. Judi Dench («Shakespeare In Love» & M in den letzten sechs «JAMES BOND»-Filmen) zeigt in ihrer Rolle als Dame Sybil Thorndike keine wirklich neuen Seiten, hat aber dank dem gelungenen Drehbuch von Adrian Hodges ein paar unvergessliche Zeilen. So wie diese, welche sie Colin vor dem ersten Produktionstag mit auf den Weg gibt: «Film sets and rehearsal rooms are the coldest places on earth».

 

Simon Curtis erste Grossleinwandproduktion glänzt nicht nur durch eine hochkarätige Besetzung, gleichwohl auch durch eine erfahrene Crew. Harvey Weinstein (Produzent) scheint mit seinem neuen Multimediaunternehmen The Weinstein Company an alte Miramax-Erfolge anzuknüpfen, konnten doch seine beiden letzten Filmen («The King’s Speech» & «The Artist») den einen oder anderen Oscar mit nach Hause nehmen. So überrascht es auch nicht zu hören, dass neben Conrad Pope Weinsteins Hauskomponist Alexandre Desplat («The King’s Speech», «The Ides of March») mit von der Partie war. Musik spielt bei «My Week with Marilyn» eine ganz besondere Rolle, übernimmt Michelle Williams doch in einigen Szenen auch den Tanz- und Gesangspart und ist auf dem Soundtrack vertreten. Dieser delikate Mix aus Musical, Drama und Komödie bringt uns nicht nur Marilyn Monroe näher, sondern auch jenen Filmen, denen sie durch ihre Präsenz einen Teil ihrer Unsterblichkeit schenkte.

 

  • My Week With Marilyn (US/UK 2011)
  • Regie: Simon Curtis
  • Drehbuch: Adrian Hodges (nach einem Roman von Colin Clark)
  • Besetzung: Michelle Williams, Kenneth Branagh, Eddie Redmayne, Julia Ormond, Dame Judi Dench, Dominic Cooper
  • Laufzeit: 99 Minuten
  • Kinostarte: 26. April 2012 

 

 

 

Alle Bilder: Im Verleih von ASCOT ELITE

Tanja Lipak / Di, 24. Apr 2012