Des Seemans kleine Horrorshow

Das malerische Australien. Im Hafen wippen die Schiffe gemütlich auf dem Wasser, die Luft ist warm und die Sonne scheint. Perfekt für einen Ausflug, denken sich Heather und ihr Begleiter. Auch wenn das Boot des kantigen Seemanns Tucker nicht sehr vertrauenswürdig aussieht, wischen sie Bedenken beiseite und fahren mit. Die Engländerin lässt sich sogar überreden, mit Haien zu tauchen und kommt so den Bestien sehr nahe. Wenig später surft die Amerikanerin Zephyr durch die Wellen und lässt es sich gut gehen. Als sie Pannenhilfe benötigt, trifft sie den etwas schrulligen, aber liebenswürdigen Moses und beginnt eine Affäre mit ihm. Am nächsten Morgen wollte Moses sich mit Zephyr am Strand treffen, findet aber nur ihren verlassenen Kleinbus vor. Fast gleichzeitig erwacht Zephyr an ein Bett gefesselt. Neben ihr: Heather. Rasch wird klar, dass Tucker, der die Haitouren anbietet, ganz andere Pläne mit den Raubtieren der See hat und die beiden Frauen sollen die Hauptdarstellerinnen in Tuckers Horrorshow werden.
Schnörkellos und grösstenteils ohne unglaubwürdige Wendungen
«Dangerous Animals» macht kein Geheimnis darum, wer das gefährliche Tier ist. Der Prolog schraubt schlau an der Spannungskurve, indem nach fünf Minuten klar ist, worauf die Prämisse hinausläuft. Tucker, der irgendwann kognitiv falsch abgebogen ist, hat tierisch viel Spass daran, junge Frauen zu quälen. Der Film versucht aber gar nicht, die Taktik anzuwenden, dass wir mehr wissen als die Figuren im Film. Viel mehr zieht er seine Intensität aus dem Überlebenskampf zwischen der cleveren Zephyr und dem instinktgetriebenen Tucker bzw. der Frage, ob Tucker oder die Haie nun die titelgebenden gefährlichen Tiere sind. Was sich das Drehbuch für den Kampf einfallen lässt, weiss über die ganze Strecke zu packen. Wenn auch kleinere Momente für Stirnrunzeln sorgen, lenkt die klaustrophobische Stimmung auf dem Boot gleich wieder davon ab. Erzählerisch funktioniert der Film bestens, weil er ohne Netz und doppelten Boden arbeitet und jederzeit klar ist, woran man ist. Schnörkellos und grösstenteils ohne unglaubwürdige Wendungen erzählt Regisseur Sean Byrne seine Geschichte von Raubtieren und Opfern. Es gilt das Recht des Stärkeren, was durchaus als Metapher auf aktuelle gesellschaftliche Strömungen gelesen werden kann.
Opfer oder Jägerin? Zephyr nutzt alles, was ihr hilft. (© Pathé Films AG / ©Mark Taylor)
Hai-Filme haben seit «Jaws – Der weisse Hai» eine ganz eigene Art von Spannung. Die Tiere sorgen für eine Urangst, die mancher beim Schwimmen im Meer spürt. Das Tucker die Haie, in einer Art Verehrung für die missverstandenen Predatoren der Meere, als Werkzeug für seinen Mordhunger nutzt, ist so naheliegend wie neu im Horrorgenre. Mit seinem Bart wirkt Tucker zudem fast, als ob er der Sohn von Richard Dreyfuss’ Figur aus «Jaws» sein könnte. Muss nicht unbedingt Absicht sein, kann aber durchaus als Verneigung vor dem wichtigsten Hai-Thriller, der in diesem Jahr 50 Jahre alt wird, verstanden werden und wäre somit die Kirsche auf dem angenehm gradlinig erzählten Thriller.
Elegant kuratierter Soundtrack
Ein ungemein wichtiges Puzzleteil bei «Dangerous Animals» ist das akzentuierte Spiel von Jai Courtney («Terminator – Genysis»). Er ist schlicht ist hervorragend, wirkt mit seinen pseudo-philosophischen Grosskotzereien und kulturellen Sprüchen kumpelhaft, etwas ruppig zwar, aber charmant, obwohl er eine kranke Seele hat. Tucker spielt mit den Ängsten der jungen Frauen, um sich überlegen zu fühlen. Einsam auf See scheint er sich stark zu fühlen, nahe bei den Raubtieren, den missverstandenen Haien. Doch Tucker verfüttert junge Frauen nur zum Spass an die Räuber der Tiefe. Die Mischung aus Abscheu vor dem Typen und der Spannung, die der Film aufbaut, entfacht eine Faszination für Abgründe und eine Art von Spannung, wie es nur Horrorfilme können. Dagegen spielt Hassie Harrison («Yellowstone») ihre Zephyr solide und glaubwürdig, aber das Drehbuch lässt ihr weniger darstellerischen Spielraum als ihrem Gegenspieler.
Zum Schluss sie noch der elegant kuratierte Soundtrack erwähnt, der mit Songs von Fleetwood Mac, Cigarettes After Sex oder Creedance Clearwater Revival die Emotionen verstärkt.
«Dangerous Animals» gelingt es, dem Genre einige spannende Akzente hinzuzufügen. Besonders eine wichtige Szene gegen Ende setzt einen starken Punkt in die Handlung und gleichzeitig ein schönes Plädoyer für die Haie.
- Dangerous Animals (Australien, USA, Kanada 2025)
- Regie: Sean Byrne
- Drehbuch: Nick Lepard
- Besetzung: Jai Courtney, Hassie Harrison, Josh Heuston, Ella Newton
- Laufzeit: 93 min
- Kinostart: 11. September 2025