Abgehoben - Ein kunterbuntes Treiben

Moviekritik: Los amantes pasajeros
Bildquelle: 
Pathé Films AG

Der spanische Starregisseur ist bekannt für seine Melodramen, die er mit subtilem Humor untermauert. Nun kommt Pedro Almodóvar mit der durchgeknallten Komödie «Los amantes pasajeros» in unsere Kinos. Aber leider brilliert der Film nicht, wie seine früheren Werke.

 

 

Die skurrilen Lieblinge

 

Pedro Almodóvars Figurenfamilie ist eine ganz spezielle und oft wiederkehrend, wenn auch nur als Charakterzug, als Name oder als Schauspieler. Schon oft waren zwei Darsteller in seinen Filmen zu sehen und durch ihn zu grossen Stars geworden. Nun werden sie zum ersten Mal vereint. Antonio Banderas und Penelope Cruz strahlen und verursachen geradewegs ein riesiges Chaos. Leider ein sehr kurzer Auftritt, was jedoch auf eine Zusammenarbeit in einem späteren Werk hoffen lässt. Als nächstes werden wir durch eine Turbine hypnotisiert und heben ab; auf Wolke surreal. Irgendetwas scheint in der Höhe nicht zu stimmen. Die Passagiere in den hinteren Reihen schlafen und die in der Business Class sind beunruhigt. Das schwule und schon etwas angetrunkene Bordpersonal versucht deshalb mit einer kleinen Showeinlage ein Ablenkungsmanöver zu starten. Ein Schuss, der nach hinten losgeht und nicht lustig ist. Aber zum Glück merken das auch die Passagiere selbst. Die Prinzessin des Boulevard Norma (Cecilia Roth; «Todo sobre mi madre») findet es daneben und der Flugbegleiter Joserra (Javier Cámara; «Hable con ella») gibt selbstironisch zu, es sei lächerlich gewesen. Eine schrille, überzeichnete und absurde Szene, die den irrwitzigen Flug charakterisiert.

 

Bild 1: I’m so excited - Eine aussergewöhnliche Showeinlage der Flugbegleiter. / Bild 2: Eng auf-, bei- und miteinander. (Mit Maus über Bild fahren) 

 

Der nächste Einfall des Bordpersonals ist es, die Passagiere, darunter übrigens auch ein Auftragskiller, mit einem typischen 80er-Jahre-Drink Agua de Valencia zu beruhigen. Vermischt mit einer ordentlichen Portion Meskalin wirkt er enthemmend und erregend. Was folgt ist ein Seelen-Striptease bis zur wilden Luftorgie unter Homo-, Bi- und Heterosexuellen. Es entführt uns direkt in die verrückten 80er-Jahre der spanischen Geschichte. Die Spuren der kühlen und sterilen Atmosphäre von Almodóvars letztem Werk «La piel que habito» ist mit keiner Faser mehr zu entdecken. Er erinnert mit dem farbenfrohen Cockpit und den grellen Innendesign des Flugzeuges eher an seine früheren Werke. Jene, die aus der movida madrileña entstanden sind, wie «Mujeres al borde de un ataque de nervios». Leider erreicht er die Genialität dieser Filme nicht mehr, obwohl er seinen Markenzeichen treu bleibt. Die Figuren des Starregisseurs folgen immer einer eigenen Moral. So kann sich die Hellseherin Bruna (Lola Dueñas; «Volver») auch ungeniert mit einem schlafenden Economy-Passagier entjungfern.

 

Bild 1: Eigentlich wollte er eine andere Frau anrufen, doch … (Bild 2) … das Telefon fällt in ihre Hände, zufälligerweise seine Ex-Geliebte. 

 

Niemand verlässt Spanien

 

Ein zentrales Element ist das Bordtelefon, das wegen eines Defekts alle mitlauschen lässt. Die Figurenzeichnung wird dadurch vertieft und die zügellose Frechheit und irrwitzigen Situationen und Konstellationen kommen zum Vorschein. Der Regisseur wollte mit den vielen Figuren auf engem Raum an die Screwball Comedy der 30er-Jahre erinnern, was dialoglastige Szenen zur Folge hat. Und wenn die Spanier loslegen, fliegen einem die Worte um die Ohren. Das hält zwar am Ball, kann für Nicht-Spanisch-Sprechende allerdings ermüdend sein. Meistens spielen die Filme von Almodóvar in Madrid und obwohl das Flugzeug Kurs Richtung Mexiko nimmt, verlassen die Passagiere den spanischen Luftraum nicht. Sie kreisen über Toledo und warten bis sie irgendwo notlanden können. Schlussendlich wird ihnen eine Landebahn im Heimatort des Machers La Mancha zugeteilt. Was wäre ein Film von Pedro Almodóvar ohne das Motiv der Rückkehr?

 

  • Los Amantes Pasajeros (Spanien, 2013)
  • Regie und Drehbuch: Pedro Almodóvar
  • Darsteller: Javier Cámara, Lola Dueñas, Cecilia Roth, Carlos Areces, Raul Arévalo
  • In Gastrollen: Antonio Banderas, Penélope Cruz, Carmen Machi, Paz Vega
  • Laufzeit: 90 Minuten
  • Vom 11. - 17. April jeweils um 12:50 Uhr im Zürcher Lunch Kino
  • Kinostart: 18. April 2013

 

Tamara Lipp / Fr, 12. Apr 2013