«Hit & Miss»: Portrait einer Auftragskillerin

Serien-Kritik: «Hit & Miss»
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Im Verleih von Ascot Elite

Die Prämisse macht bei der Serie «Hit & Miss» hellhörig. Mia ist eine Auftragskillerin, die ein kleines Geheimnis hat. Sie ist transsexuell und tötet Menschen nur, um die Operation zu finanzieren, die sie endlich auch körperlich zur Frau macht. Doch plötzlich kommt ihr die Vergangenheit in die Quere. Als die Ex-Freundin von Mia (damals lebte Mia noch als Mann) stirbt, erfährt sie von ihrem Sohn und dessen vier Geschwistern. Die verstorbene Ex hielt als letzten Willen nämlich fest, dass sich Mia um die Kids kümmert. Plötzlich steht sie vor der Wahl zwischen Familie und im Geheimen agierender Killerin. Oder lassen sich beide Welten verbinden? Und wie würde ihr Auftraggeber reagieren, wenn sie aussteigt? Wie gesagt, die Ausgangslage macht hellhörig. Ist die Hauptfigur, als Transsexuelle gezeichnet, nur Mittel, um Aufmerksamkeit zu generieren? Wird das Thema mit der nötigen Sorgfalt behandelt? Gibt die Prämisse überhaupt genug Inhalt für eine Serie?

 

Viel Fingerspitzengefühl bei der Inszenierung

 

Die Fragen lassen sich ganz einfach beantworten. Paul Abott - steht auch hinter der diebisch-vergnüglichen Serie «Shameless» - begegnete der Serie mit sehr viel Fingerspitzengefühl und gewährt dem Zuschauer sukzessive Einblick in die Seelenwelt von Mia. Somit lässt sich die Frage nach der Thematik als Mittel zum Zweck klar mit einem Nein beantworten. Im Gegenteil, die Macher beerdigen die Neugier schon in der ersten Folge, indem Chloë Sevigny in der Rolle der Killerin nackt und mit Penisprothese aus der Dusche kommend gezeigt wird. Somit ist das voyeuristische Thema abgeschlossen und ab diesem Zeitpunkt nähert sich die Serie mit viel Gefühl den Figuren, baut die Geschichte ziemlich straight auf und konzentriert sich dabei mehr auf die moralischen Fragen. Einerseits wird die Legitimation für das Töten, selbst wenn es dem eigenen Seelenheil dient, weder als richtig noch als verwerflich dargestellt, sondern dem Zuschauer erlaubt, seine eigene Meinung zu bilden. Andererseits kommt Mia in ein Dilemma, als sie sich entscheiden muss, ob sie ihrem Sohn und den Geschwistern hilft oder sich abwendet. Denn die Kids sind heillos überfordert und könnten Hilfe dringend brauchen. Die anfängliche Ablehnung hat weniger mit Mias sexueller Identität zu tun als eher mit der Hilflosigkeit der Geschwister und einer damit verbundenen Trotzreaktion. Also lässt sich auch festhalten, dass das Thema der Serie mit dem gebotenen Respekt behandelt wird. Und für eine Serie gibt der Stoff reichlich Material, denn heil ist die Welt auch auf dem englischen Land keinesfalls. Leider hat es aber trotzdem nur für sechs Folgen gereicht, denn eine zweite Staffel wurde nicht bestellt. Wieso sollte man «Hit & Miss» trotzdem schauen?

 

Wenn das Leben sich plötzlich komplett verändert, kann das schon mal für einen sturmen Kopf sorgen: Chloë Sevigny als Mia. 

 

Weil Chloë Sevigny in der Rolle als Killerin Mia schlicht brillant ist. Sevigny ist generell bekannt für anspruchsvolle und gerne etwas provokative Rollen. Egal, ob sie als Insassin einer Irrenanstalt in der zweiten Staffel der Serie «American Horror Story» agiert, oder das Objekt der Begierde für Hilary Swank in «Boys Don’t Cry» spielt. Als Mia interpretiert sie sehr zurückhaltend und zu jeder Sekunde glaubhaft die Killerin, die zwischen den Geschlechtern steht. Sevigny alleine ist die zeitliche Investition für die Serie wert, denn sie verleiht der Hauptfigur viel Tiefe und es macht Spass, ihr zuzuschauen. Aber die Serie ist auch handwerklich sehr gut gemacht, reizt mit tristen Bildern der englischen Landschaft, die gleich als Sinnbild dafür steht, wie es in gewissen Figuren aussieht. Aber was am wichtigsten ist, die Dramaturgie der Serie entwickelt sich über sechs Folgen langsam, wirkt durch einige fassungslose und komplett irrationale Reaktionen der Figuren glaubwürdig und wie aus dem Leben gegriffen. «Hit & Miss» hat zwar eine Prämisse, die wahrscheinlich neugierig machen soll, erfreulicherweise ist die Serie aber alles andere als effekthascherisch und instrumentalisiert die Figuren nie. Ansonsten wäre die Serie vielleicht sogar fortgesetzt worden. So bleibt «Hit & Miss» wohl ein kleiner Geheimtipp mit einer grossartigen Chloë Sevigny als introvertierte, aber tiefgründige Killerin.

 

  • Hit & Miss (UK 2012)
  • Regie: Sheree Folkson & Hettie Macdonald (je 3 Episoden)
  • Drehbuch: Paul Abbott & Sean Conway
  • Besetzung: Chloë Sevigny, Jonas Armstrong, Peter Wight, Karla Crome
  • Release: ab sofort auf DVD und Blu-Ray erhältlich.

 

Bildquelle: Im Verleih von Ascot Elite

Patrick Holenstein / Mi, 24. Jul 2013