Udo Kier sagte: «This is my Dog, Liza Minnelli»

Interview mit Todd Stephens
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Pressefoto Zff.com, ©Andreas Rentz

Wir sprachen mit «Swan Song»-Regisseur Todd Stephens über Udo Kiers Drag Queen-Künste und Jennifer Coolidges Improvisationstalent.

 

Herzlichen Glückwunsch zum Film. Er spielt wieder in deiner Heimatstadt Sandusky, und gehört somit zu deiner Sandusky Trilogy.


Der Finale. (lacht) Die ersten beiden handelten davon wegzukommen aus Sandusky. Dieser jetzt handelte davon zurückzukehren. Ich habe eine Hassliebe mit meiner Heimatstadt. Und je älter ich werde, desto mehr fühle ich mich wieder zurück nach Hause gezogen. Sandusky hat sich stark verändert. Es war früher sehr schwierig, queer zu sein, anders zu sein. Die Stadt wird nun offener.

 

Also hast du eine Ähnliche Erfahrung wie Pat, der Protagonist von «Swan Song», gemacht?


Ja. Für ihn ist es sehr komisch zu sehen, dass es jetzt normal ist, gay zu sein. Niemand schert sich darum. Das ist gut, aber für ihn sehr ungewohnt. Es ist bitter für ihn, weil er weiss, dass er vieles davon gar nicht mehr gross geniessen kann. Und dass es viele heute als selbstverständlich ansehen akzeptiert zu sein, während es für Pat immer ein Kampf war. Und ohne Pat’s Kämpfe wäre die Akzeptanz heute so nicht da. Mich haben die Personen immer fasziniert, die in ihrer Heimatstadt geblieben sind, obwohl sie dort auffielen und aneckten. Ich verdanke ihrer Aufmüpfigkeit vieles.

 

Pat gab es wirklich, oder?


Ja, Pat gab es wirklich. Er basiert auf einer realen Person. Er hatte aber keinen deutschen Akzent. (lacht) Er hatte auch grosse blaue Augen, Flamboyant, aber mit weichem Kern. Ich sah ihn als kleinen Junge in der Stadt und wollte so werden wie er. Ich sah ihn einmal in seiner Drag Performance und es war die beste Performance, die ich je sah. Und glaub mir, ich sah viele Drag Queens auftreten.

 

Wie lief es mit dem Casting?


Pat war ein schwer zu besetzender Part. Der falsche Schauspieler hätte wie eine Cartoonfigur gewirkt. Ich wollte einen queeren Schauspieler, der einen queeren Charakter spielt. Ich wollte jemanden, der Pat’s Leben und Leiden kannte, weil er in der gleichen Zeit lebte und die gleichen oder ähnliche Sachen erlebte, der wusste und nachempfinden konnte, was Pat durchlebt hat. Ich schrieb es vor Jahren und hatte ursprünglich Gene Wilder im Kopf. Einer meiner Casting Manger schlug Udo vor und ich war so à la «der deutsche Bösewicht»? Weil der echte Pat nicht aus Europa war. Dann kam mir in den Sinn, dass Udo diese tollen Augen hat, genau wie Pat und plötzlich konnte ich mich mit der Idee anfreunden. Ich liebte Udo in «My own private Idaho». Ich traf ihn in Palm Springs, wo er lebt, und sobald er die Türe öffnete, kam sein kleiner Hund angerannt und er meinte: «this ist my dog, Liza Minnelli». Der echte Udo ist Pat sehr ähnlich! Ich wollte diese Seite zeigen. Ich wollte ihm eine Plattform geben, in der er sich von einer neuen Seite präsentieren konnte. Er ist einer der besten Schauspieler, wird aber aufgrund von Stereotyping immer als deutscher Bösewicht gecastet. Es war deshalb riskant, Udo als Pat zu besetzen, aber ich bin sehr froh, haben wir diese Chance ergriffen. Wir haben gar nicht geübt, wir kannten einander etwa ein ganzes Jahr, bevor wir mit dem Dreh anfingen. Wir haben viel über Pat gesprochen und das war eigentlich seine ganze Vorbereitung. Zudem war es Udo sehr wichtig, dass wir chronologisch drehen. Dass wir im Altersheim anfangen, ihn dann neu einkleiden und er die Leute auf seiner Reise trifft. Normalerweise ist ein chronologischer Dreh unmöglich, aber in diesem Fall war es machbar. Es half schliesslich uns allen, es wirkte sehr real. Nach dem Dreh gingen wir mit der Crew aus und Udo blieb in seinem Kostüm und er wurde Pat in der Stadt. Es war ein Traum, zurückzukehren und diesen Film zu drehen mit der ganzen Unterstützung der Stadt. Es bedeutete mir sehr viel.

 

Und wie war es mit Jennifer Coolidge?


Sie war meine erste Wahl. Ich war besessen von ihr. Ich fragte sie, ob schwule Männer sie immer ganz toll fanden und: «So ist es». Sie ist cool und ein wenig «off». Ab Tag 1 wo ich sie in «American Pie» sah war ich ihr grösster Fan. Wir waren ein kleiner Film und Agenten zeigen ihren Talenten zum Teil unsere Angebote und Anfragen gar nicht. Ich habe versucht sie zu kontaktieren, während 6 Monaten, aber ich erhielt nichts, nicht mal eine Absage. Ich war schon dabei, jemanden anderen zu engagieren und wollte es noch ein letztes Mal versuchen. Auf imdb.pro sieht man die Manager der Talente und uns fiel auf, dass Jennifer einen neuen Agenten hatte. Meine Casting Managerin rief dann sofort nochmals an und 10 Minuten später hiess es, Jennifer würde gerne mitmachen und einen Tag später las sie bereits das Skript. Es passierte alles last minute und 2 Wochen später sass sie bereits im Flieger, um mit uns zu arbeiten. Sie ist brillant im Improvisieren, die Hälfte der Dinge, die sie sagt, sind nicht mal im Skript. Ich wünschte, mir ich hätte es geschrieben, sie ist ein Genie.

 

Wie viel vom Film war bereits im Skript und wo habt ihr Improvisiert? Also generell gesehen, nicht auf Jennifer bezogen.


Das Spiel zwischen Realität und Pats Fantasie war so nicht im ursprünglichen Skript geplant, sondern entwickelte sich erst während des Drehs. Ich war von Udo inspiriert. Gewisse Lokalitäten haben wir erst vor Ort erobert. Vieles davon auf Udos Idee hin, zum Beispiel die erste Szene im Kino.

 

- «Swan Song» läuft ab dem 17. Februar 2022 im Kino. Die Kritik gibt es hier

 

Tanja Lipak / Mi, 16. Feb 2022